Energiewende
Stromtarife: Diese Kostensenkungen sollen den Konsumenten entlasten – Familien profitieren
49 Betriebe rufen die kommende Regierung auf: Sie drängen darauf, die Klimapolitik für einen nachhaltigen Wirtschaftsstandort Deutschland in den Mittelpunkt zu stellen.
Berlin – Als die Ampel-Koalition Anfang November scheiterte, tat sie dies auch wegen konträrer Ansichten zur Klimapolitik. Dabei waren ihre Klimaziele laut Koalitionsvertrag optimistisch: Die Umstellung des Energiesystems auf Erneuerbare Energie sollte „forciert“ werden, die Industrie umgebaut und sich „endlich auf den 1,5-Grad-Pfad begeben“ werden, wie der damalige Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) 2021 zum Koalitionsvertrag sagte. Die Bilanz nach gut drei Jahren sprach jedoch andere Bände: Von 27 geplanten Gesetzen für Umwelt- und Klimaschutz konnte nur etwa ein Drittel umgesetzt werden.
„Deutschland ist eigentlich überhaupt nicht auf dem 1,5-Grad-Pfad, weil wir Klimaziele haben, die dem wissenschaftlichen Stand der Dinge nicht gerecht werden“, resümierte Tina Löffelsend, Klimaschutzexpertin beim BUND damals. Nach den Bundestagswahlen am 23. Februar wird nun bald eine neue Bundesregierung die Chance haben, Deutschland den 1,5-Grad-Pfad des Pariser Klimaschutzabkommens zu ebnen. Wie das geschehen könnte, geht nun aus einem Appell von 49 Unternehmen verschiedener Branchen an die künftige Bundesregierung hervor.
„Deutschland, wir müssen machen“ lautet das Motto des Appells an die neue Bundesregierung – es könnte sich auch auf die Strompreise auswirken
In dem am Montag veröffentlichten Appell, dem sich insgesamt 49 Unternehmen anschlossen und der mit „Deutschland, wir müssen machen“ betitelt ist, fordern die Unterzeichner, die 2015 im Pariser Klimaschutzabkommen festgelegten Ziele vehementer als in den letzten Jahren zu verfolgen – denn die Klimaziele seien „Innovationsziele“. Zu den Unternehmen, die sich dem Appell angeschlossen haben, gehören unter anderem EnBW, die ING Gruppe, Strabag, Rossmann und Ikea.
Im Weg zur Klimaneutralität sehen die dem Appell zugehörigen Unternehmen eine Perspektive, sichere Arbeitsplätze, Wettbewerbsfähigkeit und letztendlich auch Wohlstand zu schaffen. Branchenübergreifend hätten führende Betriebe in den letzten Jahren in eigens in die Energiewende investiert. Nun aber erwarten die 49 dem Appell angehörenden Unternehmen, die Klimapolitik ins Zentrum ihres Handelns zu stellen – auch, weil geopolitische Konflikte, die zuletzt schwindende Konjunktur und der internationale Wettbewerb drängen.
Unternehmen fordern verlässliche langfristige Instrumente für die Energiewende statt kleinteiliger Förderungen
Die Forderungen der unterzeichnenden Unternehmen des Papiers gliedern sich in acht Unterpunkte auf. Zu ihnen gehören:
- verlässliche langfristige Rahmenbedingungen für den Klimaschutz schaffen
- eine saubere und Wettbewerbsfähige Energieversorgung ermöglichen
- private Investitionen attraktiver machen
- einen langfristigen haushaltspolitischen Rahmen für staatliche Investitionen schaffen
- die Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten stärken
- kleinteilige Förderprogramme reduzieren und durch verlässliche langfristige Instrumente ersetzen
- die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen effizienter machen
- in Europa mehr Verantwortung übernehmen und die europäischen Klimaziele vorantreiben
Grund für den Appell ist neben der Forderung einer langfristigen klimafreundliche Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland auch die Sorge, die Wichtigkeit der langfristigen Transformation zur Klimaneutralität könnte im Zuge der aktuellen geopolitischen Lage mit zahlreichen globalen Krisenherden verblassen und kontinuierlich an Bedeutung verlieren. Michael Otto, Präsident der Stiftung Klimawirtschaft und Ehrenvorsitzender der Otto Group, warnte, dass Wirtschaft und Klimaschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. „Klimaschutz muss jetzt Teil der politischen Agenda sein, das sind wir den folgenden Generationen schuldig“, wird er vom Handelsblatt zitiert.
Unternehmen appellieren, Netzentgelte zu halbieren und Strompreise zu senken – Union und SPD wollen das laut Sondierungspapier umsetzen
Als ein Handlungsfokus geht die bislang kaum überbrückbar scheinende Differenz zwischen dem langfristigen Potenzial des preisdrückenden Effekts Erneuerbarer Energien und milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur der Versorgungsnetze aus dem Appell an die künftige Regierung hervor. Deshalb fordern die unterzeichnenden Unternehmen des Appells „eine ehrliche Debatte“ darüber, wie sich die Energiewende kosteneffizienter und vor allem generationengerechter Umsetzen ließe. Statt die systematisch anfallenden Kosten als Netzentgelte von einer einzigen Generation tragen zu lassen, sollten sie weitaus langfristiger gedacht auch auf kommende Generationen ausgelagert werden.
„Die Netzentgelte müssen um mindestens die Hälfte gesenkt werden“, wird im Appell gefordert. Zudem sei es essenziell, „auch die Stromsteuer dauerhaft zu senken“. Ziele, die sich CDU/CSU und SPD in ihren vor Kurzem aufgenommenen Sondierungsgesprächen bereits angenommen haben. Aus ihrem unlängst veröffentlichten Sondierungspapier geht etwa hervor, die Stromsteuer auf den EU-weiten Mindestwert zu senken – und zwar nicht nur für Unternehmen und Konzerne, sondern auch für private Haushalte. Davon versprechen sich SPD und Union Entlastungen von mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde. Daneben haben sich CDU/CSU und die Sozialdemokraten vorgenomen,, die Übertragungsnetzentgelte – sie machen laut BMWK aktuell rund 25 Prozent des Strompreises aus – zu halbieren. (fh)
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