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„Architekten haben Gemeinwohlverpflichtung“

Sanieren oder abreißen: Experten fordern Umdenken im deutschen Wohnungs-Dilemma

In Deutschland wird nicht genug saniert. Umweltschützer und Architekten kritisieren: Abriss und Neubau vernichten bezahlbaren Wohnraum.

Berlin – Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland etwa 11.000 Gebäude abgerissen – über 30 pro Tag. Diese Zahlen stammen vom Statistischen Bundesamt und beinhalten vermutlich eine hohe Dunkelziffer nicht gemeldeter Abrisse. Es sind fatale Zahlen, denn der Abriss und Neubau von Gebäuden trägt rund zehn Prozent zu den gesamten CO₂-Emissionen in Deutschland bei.

Auch die Entsorgung hat ökologische Folgen: Pro Jahr entstehen 2,5 Tonnen Baumüll pro Person – eine riesige Last für die Umwelt, auch im Vergleich zu den 250 Kilo Hausmüll, die jeder Bundesbürger jährlich produziert.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland etwa 11.000 Gebäude abgerissen. Zu viel, sagen Umweltorganisationen und der Bund deutscher Architekten. Sie fordern ein Umdenken in der Baupolitik. (Archivbild)

Zu viel Abriss, zu wenig Sanierung: Umweltverbände und Architekten fordern Umdenken

Umweltorganisationen wie die Deutsche Umwelthilfe DUH, aber auch der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA kritisieren den Umgang mit alten Häusern und fordern darum ein Umdenken in der Baupolitik: „Zu viel Abriss, zu wenig Sanierung“ – dieser vernichte Wohnraum und schade dem Klima. Auch der BDA fordert ein Abriss-Moratorium. Es brauche Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen im Bestand statt Abriss und Neubau.

„Die beiden zentralen baupolitischen Zielsetzungen – die Schaffung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr und die CO₂-Neutralität bis 2045 – widersprechen sich diametral, solange die aktuelle Praxis von Abriss und Neubau beibehalten wird“, heißt es in einer Pressemeldung. Der Hintergrund: Ein Neubau hat einen enorm großen CO₂-Fußabdruck – die schweren Fahrzeuge und die Herstellung von Baumaterialien sind äußerst energieintensiv.

BDA-Sprecher: „Architekten haben eine Gemeinwohlverpflichtung“

„Architekten haben eine Gemeinwohlverpflichtung“, erklärt dazu BDA-Sprecher Benedikt Hotze, „und wir nehmen diese gesellschaftspolitische, auch ökologische Verantwortung ernst“. Im vergangenen Herbst hat der Bund darum den deutschen Abriss-Atlas nach Schweizer Vorbild gestartet, ein offenes Mitmach-Projekt. Es soll die ungeheure Zahl auch unnötiger Abrisse darstellen – und „damit einen eindrucksvollen Kommentar zur Vernichtung grauer Energie“ abgeben.

Was ist Graue Energie?

Graue Energie bezeichnet den verborgenen Energieaufwand, der in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus eines Produkts oder eines Gebäudes zusammenkommt. Graue Energie umfasst Energie zum Gewinnen von Materialien, zum Herstellen und Verarbeiten von Bauteilen, zum Transport von Menschen, Maschinen, Bauteilen und Materialien zur Baustelle, zum Einbau von Bauteilen im Gebäude sowie zur Entsorgung.

„Deutschland ist fertig gebaut“: Architekten fordern Umdenken bei Baupolitik

Michael Wicke, Architects for Future-Koordinator für Bauen im Bestand, betont, dass in den abzureißenden Gebäuden viele wertvolle Materialien stecken, die teuer erkauft wurden. „Deutschland ist fertig gebaut. Teuer erkauft mit hohen Emissionen und immensem Einsatz von Energie und Ressourcen. Statt vorhandene Strukturen einzureißen und zu ersetzen, müssen wir mit unserem Bestand respektvoll und kreativ umgehen und ihn ökologisch, smart und wertschätzend weiterentwickeln“, heißt es in einer Mitteilung.

Bevor es zum Neubau kommt, gelte es, alle Potenziale im Bestand zu nutzen: Umbau, Sanierung, Umnutzung, Leerstandsertüchtigung, Aufstockung und Teilausbau. Städte, Kommunen und allen voran der Bund müssten analysieren, welches Potenzial in ihrem Bestand steckt und dieses schnellstmöglich heben und effizient weiterschreiben. „Um den Wandel zu beschleunigen, haben wir Vorschläge für eine Musterumbauordnung gemacht und den Ministerien der Länder sowie dem Bundesbauministerium vorgelegt“. Ohne die Bauwende sei die notwendige Klima- und Ressourcenwende nicht zu schaffen, so Wicke.

„Geradezu fahrlässig“: Umweltverband fordert Abrissgenehmigungspflicht

„Es ist vollkommen unverständlich, warum die Bauministerin zulässt, dass vermeidbare Abrisse jedes Jahr Millionen Tonnen CO₂ freisetzen und wertvolle Ressourcen vernichten“, sagte Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH. Angesichts der verfehlten Klimaziele im Gebäudesektor sei es „geradezu fahrlässig, am willkürlichen Abrisswahn in Deutschland festzuhalten“. Es wäre ein leichtes, eine Abrissgenehmigungspflicht auf Basis einer Ökobilanzierung in die Musterbauordnung aufzunehmen. „Nur dann werden auch die Bundesländer nachziehen und die Regelung in den Landesbauordnungen integrieren“, fügt Metz hinzu.

Abriss oder Neubau: Die Ökobilanz spricht für die Sanierung

Auch BDA-Sprecher Benedikt Hotze erklärt: „Bisher hat man in Sachen Nachhaltigkeit vor allem auf die einzelnen Bauteile geschaut. Was man übersehen hat, ist die Gesamtenergiebilanz. Und diese spricht nun mal für die Sanierung.“ Der BDA habe auch versucht, Berechnungen anzustellen, nach denen ein Umbau auch finanziell günstiger kommt: „aber viele scheuen nun mal das Risiko“.

Rubriklistenbild: © Imago/ Wolfilser

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