Wichtige Schritte der Energiewende
„Kein billiger Strom“ in Deutschland? Experte nennt wichtige Maßnahmen beim Strompreis
In Deutschland werde es keinen billigen Strom mehr geben, sagt ZEW-Ökonom Achim Wambach. Grund ist die Energiewende. Er fordert einen schnellen Netzumbau und flexiblere Preismodelle an.
Mannheim – Nach der Energiekrise und den enormen Strompreisen im September 2022 haben sich die Preise für Neukunden normalisiert und sind auf einem Niveau von vor dem kriegsbedingten Anstieg. Achim Wambach, Präsident des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim hält das jedoch nur für eine „Momentaufnahme“.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien sorge schrittweise für eine Entlastung der Haushalte und Betriebe, „weil mehr Leistung ans Netz“ gehe. „Zugleich kommen aber mittel- und langfristig eine Reihe preistreibender Faktoren hinzu“, sagte Wambach der Wirtschaftswoche. Der Ökonom erneuerte seine Aussage aus dem Februar: „Es wird in Deutschland keinen billigen Strom mehr geben.“
ZEW-Präsident macht erneuerbare Energien und Netze für hohe Stompreise in Deutschland verantwortlich
Als Grund für die relativ hohen Strompreise in Deutschland nennt der ZEW-Ökonom die Energiewende. Diese gebe es nicht zum Nulltarif. Einerseits treibe der Ausbau der Erneuerbaren die Preise. Vor allem nennt Wambach jedoch den Investitionsbedarf bei den Übertragungs- und Verteilnetzen.
Zusätzlich sieht er Deutschland standortbedingt im Nachteil. „Wir haben zu wenig Sonne und Wind und ein Großteil des Bedarfs an grünem Wasserstoff müssen wir künftig importieren“, sagte Wambach im Wirtschaftswoche-Interview. Der Strom werde deshalb in vielen Ländern auf Dauer günstiger sein. Nach reinen Zahlen beim Ausbau der Wind- und Solarenergie steht Deutschland tatsächlich gut da, wie eine Datenbank des belgischen Thinktanks Bruegel zeigt.
Bei der Frage der Versorgungssicherheit sieht Wambach Deutschland derzeit gut aufgestellt. Mit Blick auf die Zukunft sei diese jedoch „noch nicht befriedigend beantwortet“. Der Ökonom sieht Bedarf an neuen Kraftwerken. Dabei sei die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung ein „guter erster Schritt“, aber viele Fragen blieben noch unbeantwortet.
Bundesregierung gehe „großen Hebel“ des flexibleren Strombedarfs nicht an – kritisiert Wambach
Als „großen Hebel“ bezeichnet Wambach, die Nachfrage nach Strom flexibler zu bekommen. Diese werde von der Bundesregierung derzeit nicht angegangen. „Durch die Energiewende und den starken Mehrbedarf durch Elektroautos und Wärmepumpen müssen wir die Stromnachfrage der Haushalte auch zum Schutz der Netze dringend flexibilisieren“, sagte Wambach.
Privathaushalte müssen Strom dann verbrauchen, wenn viel davon da ist und dieser günstiger ist, fordert Wambach. Im Bereich von Unternehmen funktioniere das schon. Bei einer drohenden Überlastung könnten Betriebe nach Abstimmung mit den Netzbetreibern ihren Verbrauch drosseln und erhielten ein Entgelt. Bei privaten Haushalten bekomme er zwar eine Aufforderung, weniger Strom zu verbrauchen, jedoch ohne Gegenleistung, erklärte der Ökonom der Wirtschaftswoche.
Dynamisches Strompreis-System kann Kosten für Unternehmen und Haushalte senken
Als weiteres Instrument der Politik nennt Wambach die Einführung eines neuen, dynamischen Strompreissystems – die Knotenpreise. An jedem Punkt kann sich ein individueller Preis bilden, der sich an der Belastung des Netzes orientiert. Wo das Netz belastet ist, ist der Preis hoch – und umgekehrt. Derzeit gibt es in Deutschland einen einheitlichen Preis des Stromgroßhandels. „Damit wird das System effizienter, da Haushalte und Unternehmen ihren Verbrauch nach den ‚wahren‘ Preisen ausrichten würden, erklärt der ZEW-Ökonom.
Laut einer vom Bundeswirtschaftsministerium beauftragten Studie könnten jedoch einzelne Akteure den Preis stark beeinflussen, was die Gesamtkosten des Systems steigern könne. Auch der größere Überwachungs- und Regulierungsbedarf könne langfristig die Kosten erhöhen. Die Studie stammt allerdings aus dem Jahr 2018. (ms)
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