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Gastbeitrag Prof. Ludger Wößmann

Der Pisa-Absturz gefährdet unseren Wohlstand

Prof. Dr. Ludger Wößmann leitet das ifo Zentrum für Bildungsökonomik und ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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Prof. Dr. Ludger Wößmann leitet das ifo Zentrum für Bildungsökonomik und ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Der frappierende Leistungsrückgang im internationalen Pisa-Schülertest gibt Anlass zu größter Sorge, schreibt Prof. Ludger Wößmann vom Münchner ifo Institut im Gastbeitrag. Denn ohne, dass die junge Generation die dort gemessenen Grundkompetenzen meistert, kann unsere Volkswirtschaft nicht erfolgreich sein.

München - Die am Dienstag veröffentlichte internationale Schülerleistungsstudie Pisa zeigt einen dramatischen Leistungsrückgang der deutschen Schülerinnen und Schüler. Seit dem Jahr 2000 testet Pisa alle drei Jahre die Leistungen in Mathematik, Lesen und Naturwissenschaften der 15-Jährigen. Die neuen Ergebnisse wurden 2022 erhoben – der eigentlich für 2021 angesetzte Test musste wegen der Corona-Pandemie verschoben werden.

In Mathematik und Lesen liegen die Leistungen der 15-Jährigen ein ganzes Schuljahr hinter dem zurück, wo sie noch vor vier Jahren standen. Einen derartigen Rückgang der Bildungsergebnisse hat es noch nie gegeben. Mittlerweile sind die Leistungen sogar unter das Niveau gefallen, das hierzulande vor gut 20 Jahren den ersten Pisa-Schock ausgelöst hat. Deshalb brauchen wir einen neuen Pisa-Schock, der endlich den Ehrgeiz auslöst, das Problem der schlechten Lernergebnisse gerade in den Grundfähigkeiten gesellschaftsweit anzugehen und den seit über zehn Jahren anhaltenden Negativtrend umzukehren. 

Stimme der Ökonomen

Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die Milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?

In unserer Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.

Wohlstandsbasis Bildung

Denn gute Bildung ist die wichtigste Basis für unseren Wohlstand. Langfristig kostet ein Rückgang von 25 Pisa-Punkten, wie wir ihn gerade in Mathematik gesehen haben, Deutschland rund 14 Billionen Euro an entgangener Wirtschaftsleistung. Wie kommt man auf eine solche Zahl? Anhand der Daten zurückliegender Schülerleistungstests hat die Wirtschaftsforschung gezeigt, dass die Kompetenzen der Menschen – die wir aufsummiert gerne als „Wissenskapital“ der Nationen bezeichnen – ein entscheidender Faktor für das langfristige Wachstum von Volkswirtschaften sind. So können Unterschiede in den Bildungsleistungen der Bevölkerung über drei Viertel der internationalen Unterschiede im langfristigen Wirtschaftswachstum erklären. 

Anhand dieses Zusammenhangs lassen sich Projektionen über die zukünftigen Wachstumspfade der deutschen Volkswirtschaft mit den bisherigen und den gesunkenen Bildungsleistungen berechnen. Die Perspektive ist dabei sehr langfristig bis zum Ende des Jahrhunderts, die Lebenserwartung eines heute geborenen Kindes. Und daraus ergibt sich der Billionenbetrag: Die großen Wachstumseffekte der Bildungsleistungen bedeuten im Umkehrschluss, dass unzureichende Bildungsleistungen unsere Gesellschaft teuer zu stehen kommen – sehr viel teurer als zahlreiche kurzfristige Krisen. 

Fehlende Kompetenzen, geringerer Wohlstand

Auch für die Jugendlichen selbst bedeuten fehlende Kompetenzen geringeren Wohlstand. Die Kompetenzen, die üblicherweise im Rahmen eines Schuljahres erworben werden, gehen grob gerechnet mit rund 8 bis 10 Prozent höheren Erwerbseinkommen über das gesamte Berufsleben einher. Nicht erlernte Kompetenzen bedeuten entsprechend geringeres Einkommen. 

Auch die Chance, überhaupt eine sichere Beschäftigung zu finden, hängt entscheidend von der Bildung ab: Die Arbeitslosenquote am deutschen Arbeitsmarkt beträgt aktuell 2 Prozent für Menschen mit Hochschulabschluss, 3 Prozent für Menschen mit berufsqualifizierendem Abschluss – und 20 Prozent für Menschen ohne berufsqualifizierenden Abschluss! Daher ist es so beunruhigend, dass mehr als jeder sechste junge Mensch zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss geschafft hat. Die neuen Pisa-Daten lassen befürchten, dass in Zukunft noch mehr junge Menschen nicht ausbildungsreif sein werden. Denn gerade die Grundkompetenzen – Rechnen, Schreiben, Lesen – sind die Basis dafür, dass der Übertritt von der Schule in die Ausbildung erfolgreich gelingt. 

Zur Person: Prof. Dr. Ludger Wößmann leitet das ifo Zentrum für Bildungsökonomik und ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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