Raus aus dem Bürgergeld
„Passive Zahlstellen“ für Bürgergeld: Netzwerk fordert eine Milliarde Euro mehr
Die Kürzungen der Ampel könnten Jobcenter zu „passiven Zahlstellen“ machen, warnt ein Verband. Eine zusätzliche Milliarde Euro sei erforderlich, um drastische Folgen zu vermeiden.
Berlin – Die Ampel-Koalition plant im aktuellen Haushaltsentwurf Kürzungen rund um das Bürgergeld. Das könnte jedoch „drastische Folgen für die betroffenen Menschen, Kommunen, Wirtschaft und Gesellschaften“ haben, warnte das Bundesnetzwerk für Arbeit und Soziale Teilhabe in einem offenen Brief an die Bundestagsabgeordneten. „Strukturelle Schäden“ an den Jobcentern drohten, hatte das Netzwerk zuvor gewarnt. Um das zu verhindern, seien eine Milliarde Euro mehr im Gesamtbudget des zweiten Sozialgesetzbuches nötig.
„Jeder Euro, der in die Eingliederungsmittel investiert wird, erspart dem Staat in der Zukunft höhere Folgekosten“, heißt es im offenen Brief vom Montag, 21. Oktober. „Die soziale Teilhabe und Integration müssen gestärkt und dürfen nicht geschwächt werden. Einsparungen werden die sozialen Probleme verschärfen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zerstören.“
Ampel will beim Bürgergeld sparen: Weniger Mittel für Eingliederung in Arbeit und Jobcenter geplant
Bisher sieht der Haushaltsentwurf der Ampel-Koalition, der derzeit im Bundestag beraten wird, eine Kürzung der Mittel für Eingliederungsleistungen von 450 Millionen Euro vor. Für die Vermittlung von Bürgergeld-Beziehenden in Arbeit stehen 2025 damit 3,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Trotz der geplanten leichten Erhöhung des Budgets für die Verwaltung von 5,05 Milliarden Euro auf 5,25 Milliarden Euro warnt das Netzwerk, dass die tatsächlichen Mittel um 800 Millionen Euro schwinden. Grund sei, dass der Haushalt 2024 aus Restmitteln um 1,35 Milliarden aufgestockt worden sei, 2025 stünden jedoch nur 350 Millionen Euro als Restmittel zur Verfügung. Zudem könnten die Kosten steigen – etwa durch Tariferhöhungen.
| Haushaltsentwurf beim SGB II | Entwurf 2025 | 2024 |
|---|---|---|
| Bürgergeld | 25 Milliarden Euro | 29,7 Milliarden Euro |
| Eingliederung in Arbeit | 3,7 Milliarden Euro | 4,15 Milliarden Euro |
| Kosten der Unterkunft und Heizung | 11 Milliarden Euro | 11,6 Milliarden Euro |
| Verwaltungskosten | 5,25 Milliarden Euro | 5,05 Milliarden Euro |
Die höheren Kosten bei der Verwaltung der Jobcenter bedeuten jedoch noch weniger Geld für die Vermittlung der Arbeitslosen in Jobs – zusätzlich zu den ohnehin schon geplanten Kürzungen. Der Grund ist, dass das Geld für die Verwaltung gebraucht wird. Das hatte die Bundesagentur für Arbeit im Juni erklärt. „Es muss vermieden werden, dass die Jobcenter gezwungen sind, jährlich rund 1 Mrd. Euro Eingliederungsmittel umzuschichten“, heißt es dazu ebenfalls in einer gemeinsamen Stellungnahme der Länder und kommunaler Spitzenverbände vom September.
Jobcenter haben 2025 750 Millionen Euro weniger für Vermittlung von Bürgergeld-Beziehenden in Arbeit
Da einige Maßnahmen jedoch vom zweiten ins dritte Sozialgesetzbuch verschoben werden, könnte das Budget der Eingliederung in Arbeit zumindest entlastet werden, dass diese eine Milliarde Euro nicht gänzlich fehlt. Das Netzwerk rechnete im offenen Brief jedoch von einem Defizit jedoch von etwa 750 Millionen Euro aus, die nicht mehr für die Eingliederung von Arbeitslosen zur Verfügung stehen. „Die Unterfinanzierung des SGB II geht somit zu Lasten der langzeitarbeitslosen Menschen“, warnte der Verband.
Der Handlungsspielraum der Jobcenter wird durch die Haushaltskürzungen damit zudem beeinträchtigt. „Werden die Mittelkürzungen in der geplanten Höhe umgesetzt, werden die Jobcenter zu Zahlstellen für passive Leistungen degradiert“. Sie werden „ihre erfolgreiche Integrationsarbeit nicht fortsetzen können“, heißt es in der Stellungnahme der Länder und kommunaler Spitzenverbände. In vielen Budgets werde das Budget nicht ausreichen, um Personal- und Sachkosten zu decken. Es drohen demnach Standortschließungen.
Warnungen vor Folgen auf Arbeitslosenquote und Chancen von Langzeitarbeitslosen
„Dies wird sich negativ auf die Arbeitslosenquote und dementsprechend auf die Transferleistungen des Bundes auswirken. Impulse, die durch den Job-Turbo gesetzt wurden, würden verpuffen“, lautet die Warnung. Das Bundesnetzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe verweist im offenen Brief an den Bundestag darauf, dass Kürzungen in der Vergangenheit immer auf Kosten der Arbeitsmarktintegration gegangen seien.
Konkret zeigt sich das etwa an den Maßnahmen aus dem 2019 eingeführten Teilhabechancengesetz. Die Förderung der Langzeitarbeitslosen ging in den vergangenen Jahren drastisch zurück. Ursache sind dabei unter anderem fehlende finanzielle Mittel. Besonders benachteiligt sind dadurch erwerbslose Frauen und Menschen ohne deutschen Pass.
Fehlende Mittel der Jobcenter führen zu Folgekosten in den Kommunen
Durch die ausbleibende Vermittlung in Arbeit würden die Chancen der langzeitarbeitslosen Menschen zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit eingeschränkt, die Lebensentwürfe verfestigt und vererbt, lautet die Warnung im offenen Brief. In den Kommunen würden die Kosten für Sozialleistungen steigen.
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