„Unwissen wird eiskalt ausgenutzt“
Chef von Ökostromanbieter schießt gegen Stadtwerke: Millionen Menschen werden „angelockt und abgezockt“
Neue Daten der Bundesnetzagentur zeigen erhebliche Preisunterschiede zwischen Grundversorger und anderen Stromlieferanten. Ihre Empfehlung lautet: Verbraucher sollten wechseln.
Berlin – Die Bundesnetzagentur hat am Dienstag (25. Juni) in der neuen Monitoringerhebung zu Gas- und Strompreisen Haushaltskunden empfohlen, ihren Tarif zu wechseln, um so möglichst viel Geld zu sparen. Denn außerhalb der Grundversorgung – häufig sind das die örtlichen Stadtwerke – liegen die Preise für Strom und Gas teils deutlich über denen bei wettbewerblichen Lieferanten.
Netzagentur empfiehlt Wechsel von Strom- und Gasanbieter
Den Daten der Bundesnetzagentur zufolge zahlen Stromkunden in der Grundversorgung im Schnitt 41,49 Cent pro Kilowattstunde (kWh), während Kunden bei anderen Anbietern im Schnitt nur 39,86 Cent/kWh berappen müssen. Auch beim Gas lasse sich das gleiche Phänomen beobachten: In der Grundversorgung zahlen Kunden 12,5 Cent/kWh, außerhalb nur 11,3 Cent/kWh. In allen Fällen war der Stichtag der 1. April 2024.
Wie die Netzagentur in ihrem Bericht beschreibt, spiegele sich dieser Unterschied auch in der Zahl der Lieferantenwechsel wider. 2023 wechselten sechs Millionen Menschen ihren Stromlieferanten, ein neues Allzeithoch. „Stromkunden konnten durch einen Lieferantenwechsel aus der Grundversorgung rund 202 Euro pro Jahr einsparen. Die durchschnittliche Einsparung lag bei rund 61 Euro pro Jahr“, so die Behörde.
Auch beim Gas wechselten so viele Menschen den Versorger, wie nie zuvor. 2023 waren es 1,8 Millionen Menschen, die eine Einsparung von rund 470 Euro dadurch erzielen konnten. Im Schnitt zahlten sie 210 Euro pro Jahr weniger.
Stromanbieter Octopus Energy: Grundversorger „bestrafen“ ihre Kunden
Aus der Sicht eines Stromversorgers sorgen diese Zahlen aber für Frust. Laut Bastian Gierull, CEO des Ökostromanbieters Octopus Energy Germany, zeige der Bericht der Netzagentur, dass Grundversorger ihre Kunden „mit überteuerten Tarifen ausnehmen und für ihre Loyalität bestrafen.“
„Millionen von Menschen wird ihr hart verdientes Geld aus der Tasche gezogen, sie werden angelockt und abgezockt. Leute zahlen teils Jahrzehnte mehr als sie müssten und ihr Unwissen wird eiskalt ausgenutzt“, so Gierull in einem Statement zum neuen Bericht. „Dass die neutrale Bundesnetzagentur eine so klare Empfehlung ausspricht, zeigt, wie groß die Problematik mit den alteingesessenen Versorgern in Deutschland ist.“
Deutsche Haushalte sind träge beim Anbieterwechsel - und zahlen zu viel für Strom
Tatsächlich stellen Erhebungen immer wieder fest, dass die Deutschen bei diesem Thema träge sind. Eine Untersuchung des Vergleichsportals Verivox ergab im Mai 2024, dass in Deutschland 10 Millionen Haushalte zu viel für Strom zahlen, weil sie sich nicht um einen Anbieterwechsel kümmern. Hochgerechnet auf dieses Jahr würden diese Haushalte 5,5 Milliarden Euro zu viel zahlen. Dem Vergleichsportal zufolge weichen die Preise noch stärker ab, als von der Netzagentur berechnet: Ihnen zufolge zahlen Kunden in der Grundversorgung rund 44,36 Cent/kWh während Kunden im günstigsten Tarif 24,7 Cent/kWh zahlen.
„Seit mehr als 25 Jahren können Haushalte in Deutschland ihren Stromanbieter frei wählen. Dass dennoch fast ein Viertel der Stromkundinnen und -kunden freiwillig im teuersten Tarif verharrt, ist erstaunlich“, sagte Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox, damals nach Veröffentlichung dieser Untersuchung. Auch Bastian Gierull ärgert sich darüber: „Viele Deutsche können unglaublich einfach mehrere hundert Euro im Jahr sparen. Ein Anbieterwechsel erfordert nicht mehr als fünf Minuten und einen Gang zum Stromzähler.“

