Stilllegung der Gasnetze
Ampel läutet das Ende vom Gas ein – doch Stadtwerke wollen es nicht wahrhaben
Die Bundesregierung hat die Diskussion um das Abschalten der Gasnetze im Land angestoßen. Für viele Stadtwerke ist das Grund zur Sorge.
Berlin – Die Ampel-Koalition hat, wie kaum eine andere Bundesregierung, die Debatte um die Zukunft der Energieversorgung im Land angestoßen. Spätestens seit den kontroversen Diskussionen um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist das Thema präsenter denn je. Aktuell sorgt ein Diskussionspapier aus dem Wirtschaftsministerium erneut für Gesprächsstoff. Darin geht es um die Zukunft des Gasnetzes – und vor allem darum, wie viel davon wir noch brauchen werden.
Bei dem Thema geht es vielen Unternehmen, vor allem Stadtwerken, um die Existenz. Nach Angaben des Handelsblatt erwirtschaften diese zwischen 20 und 60 Prozent ihres Gewinns aus der Gasversorgung. Im Hinblick dessen ist es für diese Unternehmen fast schon undenkbar, die Gasnetze einfach stillzulegen. Diese Entscheidung wird aber nicht allein von ihnen getroffen – denn wenn keiner mehr das Gas kaufen will, wird es irgendwann unwirtschaftlich, die Netze weiterzubetreiben.
Stadtwerke suchen nach neuen Energien für ihre Gasnetze
Um genau diese Übergangsphase, also zwischen Erhaltung der Netze zur Sicherung der Energieversorgung und einem Stilllegen wegen zunehmender Unwirtschaftlichkeit, wird gerade rege diskutiert. Einen Vorstoß wagten vor wenigen Wochen die Stadtwerke Augsburg, die die Stilllegung der Gasnetze in zehn Jahren ankündigten und ihre Kunden entsprechend informierten. Bis 2040 werde man gut 70 Prozent der Augsburger mit einem Wärmenetz versorgen können, hieß es weiter. Die restlichen 30 Prozent müssten über andere Möglichkeiten nachdenken.
Diesen Schritt gehen aktuell aber nur die wenigsten Gasnetzbetreiber – aus zunächst verständlichen Gründen. Gas war bis dato ein verlässlicher Gewinnbringer, bezieht es doch ungefähr jeder zweite in Deutschland als Hauptenergiequelle. „Alle wissen, dass die Erdgas-Nachfrage stark sinken wird. Aber es gibt verständlicherweise noch große Vorbehalte, die Konsequenz zu ziehen, das Gasnetz abzuschreiben und den Rückbau zu initiieren“, sagt Stadtwerke-Experte Olaf Geyer von der Unternehmensberatung ADL gegenüber dem Handelsblatt.
Ebenso verständlich ist es daher auch, dass sich die kommunalen Unternehmen auch nach Möglichkeiten umsehen, das Gasnetz weiterzubetreiben, aber mit einer neuen Energiequelle. Biomethan wird da gerne ins Feld geführt, das chemisch gesehen genau das Gleiche ist wie Erdgas, nur dass es aus biologischen Abfällen hergestellt wird. Doch hier fehlt es bisher am politischen Willen, den Hochlauf der Produktion maßgeblich zu fördern.
Wasserstoff als Heizoption „wie Duschen mit Champagner“
Anders sieht das beim Wasserstoff aus, das die Bundesregierung schon länger als Schlüssel zur Energiewende erkannt hat. Und im Zuge der Debatten um das GEG kam unter anderem durch den Verband kommunaler Unternehmen (VkU) die Frage auf, ob man nicht Wasserstoff auch in Zukunft zum Heizen verwenden könnte – und dafür das bestehende Gasnetz nutzen könnte.
Dieser Idee stehen Experten und Expertinnen aber ablehnend gegenüber. Vor wenigen Wochen haben sich deshalb 200 Verbände zusammengeschlossen, um in einem Warnbrief die 10.753 Kommunen im Land vor einem Einsatz von Wasserstoff zur Wärmeversorgung zu warnen. „Heizen mit Wasserstoff ist wie Duschen mit Champagner“, wird darin die Energieexpertin Claudia Kemfert zitiert.
„Wasserstoff ist ineffizient, voraussichtlich kaum verfügbar und wird dementsprechend mittel- und langfristig teuer bleiben. Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung stellt somit eine Kostenfalle für Kommunen und ihre Bürger:innen dar. Außerdem gefährdet Wasserstoff in der Wärmeplanung die nationalen Klimaziele“, schreiben die Umweltschützer in dem Brief, der Ippen.Media vorliegt. Gesendet wird er an die Verwaltungen aller 10.753 Kommunen des Landes. Dabei betonen sie jedoch auch: „Ein Wasserstoffnetz zur Versorgung der Industrie ist hier nicht gemeint. Im Gegensatz zum Heizen kann grüner Wasserstoff einen Beitrag zur Dekarbonisierung von Hochtemperaturprozessen leisten.“
Ampel-Regierung will rechtssichere Lösung für Gasnetze finden
Es ist also davon auszugehen, dass sich die meisten Stadtwerke und Gasnetzbetreiber früher oder später dem Vorbild Augsburgs folgen müssen. Genau aus diesem Grund stößt die Bundesregierung mit ihrem Papier die Diskussion mit den Stadtwerken an; die Unternehmen sollen sich der Frage jetzt stellen, um gemeinsam mit der Regierung eine rechtssichere Lösung zu finden. Bis 12. April können die Unternehmen ihre Ideen und Vorschläge dem Wirtschaftsministerium mitteilen. Danach wird wohl ein Gesetzesentwurf kommen. Der Streit darüber ist jetzt schon vorprogrammiert.
Rubriklistenbild: © IMAGO/Rupert Oberhäuser
