Tarifkonflikt
Bahn und EVG verhandeln weiter – Streik würde in die Sommerferien fallen
Der Verhandlungsmarathon zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahngewerkschaft EVG geht auch diese Woche weiter. Die Streikgefahr ist nicht gebannt.
Update vom 20. Juni 2023: Die Gewerkschaft EVG hat mit mehreren privaten Bahnunternehmen Abschlüsse für neue Tarifverträge erzielt. Das teilte sie am Dienstag mit. Die Einigung könnte Auswirkungen auf die Verhandlungen mit dem Marktführer Deutsche Bahn haben. Diese waren am Freitagabend nach fünf Verhandlungstagen auf diese Woche vertagt worden.
Bei der Transdev-Gruppe mit Unternehmen wie der Bayerischen Regiobahn, der Nordwestbahn oder Transdev Hannover konnte die EVG eigenen Angaben zufolge eine Entgelterhöhung von insgesamt 420 Euro im Monat erreichen. Hinzukomme eine Inflationsausgleichsprämie von 1400 Euro. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags liege bei 21 Monaten.
Zahlreiche weitere Unternehmen hätten inzwischen angeboten, ebenfalls Tarifverträge mit einem Plus von 420 Euro bei 21 Monaten Laufzeit zu unterzeichnen oder auf dieser Basis weiterzuverhandeln. „Da sind mehr oder weniger abschlussreife Angebote dabei, das wird sich jetzt in den nächsten Tagen herausstellen“, sagte EVG-Tarifvorständin Cosima Ingenschay. Die Deutsche Bahn solle sich an diesen Abschlüssen ein Beispiel nehmen. Der Transdev-Abschluss setze für diese Verhandlungen Maßstäbe. „Hier macht die Branche deutlich, was nötig ist, um die Leistungen der Beschäftigten auch finanziell zu honorieren.“
Details zum Verhandlungsstand mit der Deutschen Bahn wollte sie nicht nennen. „Wir haben einen Verhandlungsstand, den wir heute diskutieren wollen mit der zentralen Tarifkommission. Wir haben am Freitag bis spät in den Abend verhandelt und hatten dann nicht mehr die Möglichkeit der Rückkopplung mit unseren ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen in der zentralen Tarifkommission“, sagte Ingenschay. Das werde am Dienstag und am Mittwochvormittag nachgeholt.
Warnstreiks seien derzeit kein Thema. „Arbeitskampf ist immer das letzte Mittel. Im Moment sind wir sehr gut unterwegs.“ Der Verhandlungsstand mit dem Konzern sei so gut, dass es sich lohne, über ihn mit der Tarifkommission zu diskutieren.
Tarifkonflikt zwischen EVG und Deutscher Bahn: Gespräche auf diese Woche vertagt
Update vom 19. Juni 2023: Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn (DB) stehen weitere Verhandlungen an – ein genauer Zeitplan ist bislang aber nicht bekannt. Am vergangenen Freitag hatten die Vertreter der DB und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG auch am fünften Verhandlungstag in Folge keinen Abschluss erzielen können. Sie vertagten die weiteren Gespräche auf diese Woche. Die EVG will zunächst ihre Entscheidungsgremien über den Verhandlungsstand informieren. Genaue Daten für diese internen Beratungen und die nächste Verhandlungsrunde wurden zunächst nicht bekanntgegeben.
Die EVG will für gut 180.000 Beschäftigte bei der Deutschen Bahn eine Festbetragserhöhung von mindestens 650 Euro pro Monat oder zwölf Prozent mehr bei den oberen Lohngruppen erreichen. Die Laufzeit soll nach ihren Vorstellungen zwölf Monate betragen. Die Bahn hatte zuletzt bei einer Laufzeit von 24 Monaten zwölf Prozent mehr in mehreren Stufen bei den unteren Lohngruppen in Aussicht gestellt. Hinzu käme eine Inflationsausgleichsprämie in mehreren Zahlungen von insgesamt 2850 Euro, die steuer- und abgabenfrei ausfällt. Beide Seiten haben zudem auch weitere, strukturelle Themen mit in die Verhandlungen eingebracht. Die großen Knackpunkte dürften aber die Entgelterhöhungen und die Laufzeit des Tarifvertrags gewesen sein.
Die EVG hat in der Tarifrunde mit Warnstreiks bislang zweimal den Bahnverkehr weitgehend lahmgelegt. Im März legten Tausende Beschäftigte 24 Stunden lang die Arbeit nieder, im April acht Stunden. Ein geplanter 50-Stunden-Ausstand im Mai wurde nach juristischer Auseinandersetzung beim Arbeitsgericht in Frankfurt am Main kurzfristig abgesagt. Sollte es zu einem weiteren Warnstreik kommen, dürfte dieser bereits in der Ferienzeit liegen. Am Donnerstag, 22. Juni, startet mit dem größten Bundesland Nordrhein-Westfalen das erste Bundesland in die Sommerferien.
Verhandlungsmarathon bei der Bahn: Wann kommt die Tariflösung?
Update vom 16. Juni 2023: Im Tarifstreit bei der Deutschen Bahn haben Gewerkschaft und Arbeitgebende am Freitag am fünften Verhandlungstag in Folge ihre Gespräche wieder aufgenommen. Ob eine Einigung gelingt oder ob Reisenden möglicherweise ein weiterer Warnstreik droht, blieb zunächst offen. Vertretende des Konzerns und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft äußerten sich nicht zum Stand der Dinge. Beide Seiten hatten sich für diese Verhandlungsrunde bis zum Freitag Zeit genommen.
Denkbar wären am Freitag mehrere Szenarien: Zum einen könnte die EVG wegen zu großer Differenzen bei Laufzeit und Entgelterhöhung einen Warnstreik androhen oder gleich dazu aufrufen. Die Gewerkschaft könnte so versuchen, die Arbeitgeberseite zu einem besseren Angebot zu bewegen. Je nach Dauer des Arbeitskampfs dürfte die Bahn so eine Aktion durchaus treffen. Bei den beiden Warnstreiks im März und April stand nicht nur der Fernverkehr still, auch der Güterverkehr kam quasi zum Erliegen – was mit großen Kosten verbunden ist.
Sollte die EVG die Verhandlungen sogar für gescheitert erklären, könnte eine Urabstimmung über dann unbefristete Streiks folgen. Das würde allerdings eine deutliche Eskalation des Konflikts bedeuten.
Alternativ könnten sich beide Seiten auf eine Verlängerung der aktuellen Runde bis ins Wochenende verständigen oder einen neuen Termin in den nächsten Tagen suchen – womöglich mit einer Absage an Arbeitsniederlegungen bis zu einem solchen Termin. Oder: EVG und Bahn präsentieren eine Einigung. DB-Personalvorstand Martin Seiler hatte am Mittwoch betont, dass dies das gemeinsame Ziel sein müsse.
Tarifkonflikt: Bahn und EVG verhandeln weiter – Gewerkschaft sieht Annäherung
Update vom 14. Juni 2023: Die Eisenbahnergewerkschaft EVG sieht eine Annäherung im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn. „Stand heute sind wir unserem Ziel, einen Tarifabschluss zu erreichen, der für alle Beschäftigten gilt, einen Schritt nähergekommen“, sagte EVG-Verhandlungsführer Kristian Loroch am Mittwoch in Berlin. Die seit Montag laufenden Gespräche sind noch bis Freitag angesetzt. In verschiedenen Arbeitsgruppen ringe man um Kompromisse, abschließende Vereinbarungen gebe es aber bisher nicht. „Die größten Herausforderungen liegen zudem noch vor uns.“
„Bislang haben wir noch nicht über die zu vereinbarende Lohnerhöhung und die Laufzeit des neuen Tarifvertrages verhandelt“, erklärte der EVG-Verhandlungsführer. „Da liegt noch viel Konfliktpotenzial drin, denn die Erwartungshaltung der Kolleginnen und Kollegen ist groß – und damit auch die Streikbereitschaft.“
Die Bahn bietet bis zu zwölf Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 24 Monaten. Für mittlere Einkommen bedeutet es zehn Prozent mehr, für höhere acht Prozent mehr. Dazu kämen 2850 Euro Ausgleichsprämie für die Inflation noch in diesem Jahr. Die EVG hatte das Angebot zuletzt als unzureichend besonders für untere Lohngruppen bezeichnet, sich aber verhandlungsbereit gezeigt. Die EVG fordert zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro im Monat mehr, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. (rtr)
Tarifverhandlungen: Die Konfliktpunkte zwischen EVG und Deutscher Bahn
Erstmeldung vom 12. Juni 2023: Das Ringen zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahngewerkschaft EVG nimmt kein Ende: Ab Montagnachmittag wird nun wieder verhandelt, fünf Tage sind angesetzt für die nächste Gesprächsrunde über Tariferhöhungen für gut 180.000 Beschäftigte bei der DB. Ob dabei ein Abschluss erzielt werden kann, ist offen – einerseits sind viele kritische Punkte noch nicht geklärt, andererseits bieten fünf Tage viel Zeit für mögliche Lösungen.
Entsprechend gibt es für die nächsten Tage viele denkbare Szenarien. Sollte die Gewerkschaft das Gefühl bekommen, dass keine Fortschritte erzielt werden, droht der nächste Warnstreik für Bahnreisende. Sollten die Verhandlungen als gescheitert eingestuft werden, ist sogar eine Urabstimmung über dann möglicherweise unbefristete Streiks denkbar.
Im Mittelpunkt der Verhandlungen steht die Frage, wie viel Geld die Beschäftigten künftig pro Monat mehr bekommen – und zwar dauerhaft. Die EVG fordert von der Deutschen Bahn mindestens 650 Euro mehr, bei den oberen Lohngruppen will sie ein Plus von zwölf Prozent erreichen bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von zwölf Monaten.
Viel zu viel, sagen die Vertretenden der Bahn. Der Konzern hat bisher angeboten, bei den unteren Einkommen zwölf Prozent, bei den mittleren zehn Prozent und bei den oberen acht Prozent mehr zu zahlen. Die Erhöhung soll in zwei Schritten erfolgen. Außerdem will der Konzern den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 2850 Euro steuer- und abgabenfrei zahlen, als sogenannte Inflationsausgleichsprämie. Viel Geld, das aber nur einmal gezahlt wird und in den Tariftabellen nicht festgeschrieben wird, also bei zukünftigen Verhandlungen die Ausgangslage nicht verbessert. Die Laufzeit des Tarifvertrags sollte nach DB-Ansicht bei 24 Monaten liegen.
EVG pocht auf höheren Festbetrag
Die EVG hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie einen Festbetrag statt einer prozentualen Erhöhung erreichen will. Denn die unteren Einkommensgruppen sollen von der Tarifrunde besonders deutlich profitieren, so der Wunsch der Gewerkschaftsseite. Wer wenig verdient, wurde in den vergangenen Monaten von der Inflation besonders stark getroffen, weil das Geld auch schon ohne die heftigen Preissteigerungen am Monatsende oft knapp war. Vermutlich hofft die Gewerkschaft darüber hinaus auch, dass sich aus diesen Einkommensgruppen weitere Menschen der Gewerkschaft anschließen – sozusagen zum Dank für einen engagierten Einsatz für ihre Belange.
Ein großer Knackpunkt ist zudem die lange Laufzeit von 24 Monaten, die die Bahn zuletzt vorgeschlagen hat. Die EVG will schon früher wieder verhandeln, um auch auf weitere Preissteigerungen in den kommenden Monaten schnell reagieren zu können.
Für die Bahn ist eine lange Laufzeit des Tarifvertrags wichtig, um mehr Planungssicherheit zu bekommen. Der Konzern hat schon jetzt mit hohen Kosten zu kämpfen, etwa weil die marode Schieneninfrastruktur dringend modernisiert werden muss. Neue Verhandlungen mit der EVG schon in ein paar Monaten würden die Personalkosten schneller in die Höhe treiben, als dem Personalvorstand Martin Seiler lieb ist.
Bahn-Tarifverhandlungen: Experte geht von weiterem Streik aus
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Wolfgang Schroeder muss der Tarifkonflikt stets auch mit Blick auf die Konkurrenzsituation der EVG zur Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) betrachtet werden. Vergangenen Montag hat deren Chef Claus Weselsky seine Tarifforderungen vorgestellt, über die er ab Herbst mit der DB verhandeln wird. Die Kernpunkte: 555 Euro mehr pro Monat, drei Stunden weniger Arbeitszeit pro Woche für Schichtarbeitende und 3000 Euro Inflationsausgleichsprämie.
Damit habe die GDL die Latte sehr hoch gehängt, meint der Professor an der Universität Kassel. „Und wenn die EVG sich jetzt frühzeitig auf den Kurs des Bahn-Managements einlassen würde, könnte einmal mehr der Eindruck entstehen, dass die EVG die nachgebende Gewerkschaft ist und die GDL die fordernde Gewerkschaft“. Damit würde die EVG den Eindruck zerstören, den sie seit Monaten aufzubauen versucht habe – nämlich dass sie die starke Gewerkschaft innerhalb des Konzerns ist und es daneben keine andere braucht, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Schroeder geht letztlich davon aus, dass es im Rahmen des Tarifkonflikts noch mal zum Arbeitskampf kommen wird. (lma/dpa)
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