Bundeshaushalt
76 Milliarden Euro trotz Sparpolitik übrig: Warum die Ampel den Überschuss trotzdem kaum nutzen kann
Trotz Sparpolitik der Ampel-Koalition zeigt ein Bericht, dass 76 Milliarden Euro an nicht genutzten Mitteln aus dem Vorjahr übrig geblieben sind. Richtlinien und Engpässe erschweren dabei Umstrukturierungen.
Berlin - Die Ampel-Koalition spart überall. Im Haushalt 2025 sind Kostensenkungen beim Bürgergeld vorgesehen, das Deutschlandticket wird teurer und mögliche Reduzierungen des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung ist im Gespräch, um die Schuldenbremse einzuhalten. Umso überraschender ist ein Bericht des Bundesministeriums, der dem Handelsblatt vorliegt: Bund und Länder haben insgesamt 76 Milliarden Euro an nicht genutzten Mitteln aus dem vergangenen Jahr übrig. Ein neues Problem ist das nicht; auch in den letzten Jahren blieben Milliardenbeträge übrig. Ganz so einfach ist jedoch nicht – Richtlinien und Engpässe erschweren ein Umstrukturieren der Gelder.
76 Milliarden Euro an ungenutzten Gelder - Verkehrsministerium hat die größten Ausgabereste
Rund 29 Milliarden Euro an Ausgaberesten vom vergangenen Jahr haben die Bundesministerien in das Jahr 2024 mitgenommen. Das zeigt eine neue Aufstellung des Bundesfinanzministeriums, die dem Handelsblatt vorliegt. Bei den Ländern waren es etwa 47 Milliarden Euro, wie eine weitere Umfrage des Handelsblatts bei den 16 Finanzministerien der Länder zeigt. Dabei haben einige Länder die Daten aus dem Jahr 2022 mitgeteilt, da neuere Daten aus 2023 noch nicht vorlagen. Insgesamt kommen so 76 Milliarden Euro an ungenutzten Geldern des Bundes und der Länder aus dem vergangenen Jahr zusammen.
Der Gewinner der meisten ungenutzten Gelder: Das Bundesverkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) mit 7,9 Milliarden, danach folgt das Bauministerium unter Klara Geywitz (SPD) mit 3,2 Milliarden, dann das Innenministerium unter Nancy Faeser (SPD) mit 2,7 Milliarden und das Arbeitsministerium unter Hubertus Heil (SPD) mit 2,3 Milliarden. Bei den Bundesländern liegt Bayern mit 14,1 Milliarden Euro vorne, gefolgt von Baden-Württemberg mit 9,5 Milliarden Euro.
Bei Bund und Ländern sind die Ausgabereste seit 2016 in beiden Fällen gestiegen – der Ausgaberest des Bundes hat sich dabei fast verdreifacht. Damals betrugen sie noch knapp zehn Milliarden Euro. Trotzdem gelang es dem Bund, die Summe im Vergleich zum Vorjahr um zwei Milliarden Euro leicht zu reduzieren.
Verzögerte Bauprojekte, Personalmangel und hohe Bürokratie - das sind die Gründe für den Geldüberschuss
Zu den milliardenschweren Ausgaberesten kommt es häufig aufgrund von verzögerten Bauprojekten, für die zwar bereits Gelder reserviert, aber noch nicht abgerufen wurden. Auch entstehen Überschüsse, wenn Projekte gar nicht erst umgesetzt werden oder Genehmigungsverfahren nicht abgeschlossen sind. Die Gelder können jedoch nicht einfach verschoben werden, da sie fest für die vorgesehenen Projekte reserviert. Auch mit Extrageldern gegenfinanziert werden, müssen manche der Projekte. Das reservierte Geld verfällt dabei jedoch nicht und kann ins nächste Jahr übertragen werden.
Die Vielzahl an liegengebliebenen Projekten resultiert vor allem aus Personalmangel, hoher Bürokratie und einer „fortwährenden Schaufensterpolitik“. Besonders kleine Kommunen, so der Düsseldorfer Ökonom Jens Südekum im Handelsblatt, verfügen oft nicht über ausreichend Personal, um alle Förderprogramme zu überblicken, weshalb sie sich letztlich gar nicht erst bewerben. Das Geld bleibt somit ungenutzt.
„Viele Förderprogramme sind sehr kompliziert und bürokratisch aufgebaut. Die Antragsverfahren sind kompliziert, die Formvorschriften im Bewilligungsfall auch“, erläutert der Ökonom. Besonders in EU-Programmen seien die Prüf- und Nachweispflichten verschärft. Häufig planen Politiker auch unrealistische Projekte, um sich in einem guten Licht darzustellen. Die Folge: Die Projekte verlaufen im Sande, doch die Gelder sind bereits dafür reserviert.
Mögliche Lösungsansätze, aber nicht ohne Fehler
Als Lösung schlägt Südekum vor, „die Vergaberichtlinien zu entschlacken und den Empfängern einen gewissen Vertrauensvorschuss zu gewähren, dass das Geld schon ordentlich verwaltet wird.“ Das erlaube aber natürlich auch Fehler. Dies würde jedoch auch das Risiko von Fehlern erhöhen. Eine andere Möglichkeit wäre, im Folgejahr den Haushaltsposten zu reduzieren, wenn Gelder übrig bleiben – doch dies kommt bei den Wählern oft nicht gut an. Bis eine tragfähige Lösung gefunden ist, muss also erstmal weiter gespart werden. Denn die Bundesregierung hat für den Haushalt 2025 ein 40-Milliarden Euro Loch.
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