Ampel-Bruch
Lob für Lindner aus der Wirtschaft – außer in einem Punkt war er „höchst schädlich“
Lange vor dem Bruch stand die Ampel wiederholt vor der Zerreißprobe. Besonders bei einem Streitpunkt beharrte Lindner auf seiner Position – was bei Ökonomen nicht gut ankommt.
Berlin – Das Papier, was letztendlich zum Bruch der Ampel führte: Auf 18 Seiten des „Wirtschaftswende-Papiers“ forderte der nun ausgeschiedene Finanzminister Christian Lindner (FDP) eine drastische Neuausrichtung in der Wirtschaftspolitik. SPD und Grüne reagierten entsetzt – einzig die Opposition begrüßte das Papier. Auch aus der Wirtschaft kommt weiterhin Lob für Lindners Ideen. Aber nicht für alle.
Ende der Ampel: Wirtschaftspapier von Lindner war der Startschuss
Ganz neu sind die FDP-Forderungen nicht. Die Partei bekräftigt in dem Wirtschaftspapier einige ihrer klassischen Positionen: Steuerentlastungen, Bürokratieabbau und die komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Im Sozialbereich tritt die FDP auf die Bremse und fordert: keine neuen Sozialleistungen, eine Nullrunde beim Bürgergeld nach der starken Erhöhung in diesem Jahr und schärfere Regeln für Menschen, die keinen Job annehmen. Im Wirtschaftspapier dringt der ausgeschiedene Finanzminister Lindner darauf, Abschläge bei frühzeitigem Renteneintritt anzupassen. Zudem will er den Renteneintritt flexibilisieren.
Die FDP spricht sich außerdem dafür aus, die Förderung erneuerbarer Energien schnellstmöglich zu beenden. Der Solidaritätszuschlag soll komplett entfallen, die Körperschaftssteuer reduziert werden. Zudem plädiert Lindner für stärkeren Bürokratieabbau.
Nach Aus der Ampel: Ökonomen loben Lindners Wirtschaftspläne
Vertreter der Wirtschaft halten einige Vorschläge von Lindner für sinnvoll. So sagte Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf, dass die FDP angesichts der dramatischen Lage der deutschen Wirtschaft „sehr gute Vorschläge gemacht“ habe. Es brauche einen Befreiungsschlag mit großen, ambitionierten Maßnahmen, so Wolf zur Bild. Auch Clemens Fuest, Präsident des Wirtschaftsinstituts ifo, hebt einzelne Punkte des Wirtschaftspapiers positiv hervor – darunter Vorstöße für den Bürokratieabbau.
Auch Einsparungen bei der Klimaschutzförderung begrüßten einige Ökonomen. Es sei „längst überfällig“, die Subventionen für Erneuerbare Energien zu streichen, sagte Manuel Frondel, Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gegenüber dem Tagesspiegel. Deutschlands Klimapolitik müsse zwingend kosteneffizienter werden, um den Strompreis zu senken, um so die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft wieder herzustellen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten. Doch es gibt auch kritische Stimmen. „Was Christian Lindner in der Klimapolitik vorschlägt, ist völlig falsch und höchst schädlich“, sagte DIW-Chef Marcel Fratzscher dem Tagesspiegel.
Ampel war vor Bruch uneins über Schuldenbremse – Ökonomen kritisieren Lindner
Die Diskussion über das Aus der Schuldenbremse galt als besonders großer Knackpunkt. „Deutschland kann mehr als Durchschnitt“, schrieb Lindner seinem Papier. Manche wollten das Blatt wenden, indem sie Wohlstand durch Umverteilung versprächen. „Sie erwecken den Eindruck, ein Staat ohne Schuldenbremse könne neues Wachstum kaufen. Dabei unterschlagen sie, dass Schulden Geld kosten“, erklärte er.
Die Stimmen aus der Wirtschaft zu dem Thema neigen zur Kritik. Die Wirtschaft plädiert schon länger für das Ende der Schuldenbremse, zuletzt wurde eine Reform gefordert. So sagte die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, im Jahr 2023, dass es ohne Schuldenbremse größere Spielräume für die Schuldenfinanzierung von Nettoinvestitionen geben könnte. Als „zukunftsfeindlich“ bezeichnete der Ökonom Peter Bofinger von der Universität Würzburg die Schuldenbremse.
Fuest zufolge erahnte Scholz, dass er Lindner bezüglich des Aussetzens der Schuldenbremse vor ein Ultimatum stellen würde, weshalb der ausgeschiedene Finanzminister nur seine Entlassung habe akzeptieren können. Lindner selbst sagte in seinem Statement nach Bekanntwerden seiner Entlassung, dass Scholz ein Ultimatum von ihm verlangt hätte. Er habe dem Aussetzen der Schuldenbremse nicht zustimmen können, weil er damit seinen „Amtseid verletzt hätte.“ Fuest sagte zum Spiegel, das Vorgehen von Scholz, die Frage nach der Schuldenbremse zur Bedingung zu machen, sei „schon etwas plötzlich“ gekommen.
Aus der Ampel: Ökonomen befürworten Entscheidung
Die 18 Seiten mit dem Titel „Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für mehr Wachstum und Generationengerechtigkeit“ hatte Lindner nach eigenen Angaben nur an den engsten Kreis der Bundesregierung verschickt. Schnell gelangte das Werk aber an die Presse. Der Stern berichtete zuerst. Lindner selbst beklagt „Indiskretion“ in der eigenen Regierung, dass das Geheimpapier so schnell durchgestochen wurde. (bohy mit Material der dpa)
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