Sozialhilfen
„Armutszeugnis“: So viele Rentnerinnen und Rentner mit Grundsicherung wie noch nie
Ein Bericht spricht von einem Rekordhoch der Seniorinnen und Senioren mit Grundsicherung in Deutschland. Sahra Wagenknecht nennt es ein „Armutszeugnis“, die Deutsche Rentenversicherung sieht das kritisch.
Wiesbaden - Die Zahl der Rentnerinnen und Rentner, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, ist so hoch wie nie zuvor. Fast 720.000 Seniorinnen und Senioren reicht ihre Rente nicht aus, weshalb sie Grundsicherung im Alter erhalten. Das berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf einer Auskunft des Statistischen Bundesamtes an die BSW-Gruppe im Bundestag, die der Zeitung vorliegt. Die Deutsche Rentenversicherung betont jedoch die Notwendigkeit, die Zahlen kritisch zu hinterfragen, da mehrere entscheidende Faktoren eine Rolle spielen könnten.
Was ist die Grundsicherung?
Die Grundsicherung im Alter ist dazu gedacht, Personen im Rentenalter mit niedrigem Einkommen zu unterstützen. Laut der Deutschen Rentenversicherung gilt als Faustregel: Wenn das Gesamteinkommen unter 1051 Euro im Monat liegt, sollte geprüft werden, ob ein Anspruch besteht. Auch Personen, die das Rentenalter noch nicht erreicht haben, können unter bestimmten Umständen Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung haben. Diese Leistung ist für Menschen ausgelegt, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind und mindestens 18 Jahre alt sind.
Der Anspruch auf Grundsicherung hängt dabei von Einkommen und Vermögen ab, wobei auch das Einkommen des Partners berücksichtigt wird. Ab dem 1. Januar 2024 gelten folgende Beträge: Alleinstehende können bis zu 563 Euro erhalten, Personen in Partnerschaft oder in gemeinschaftlichen Wohnformen etwa 506 Euro und Personen in stationären Einrichtungen 451 Euro.
Sahra Wagenknecht bezeichnet Anstieg der Zahlen als „Armutszeugnis der Ampel“
Der Neuen Osnabrücker Zeitung zufolge ist die Anzahl der Rentnerinnen und Rentner mit Grundsicherung, um etwa 35.000 im Vergleich zum März 2023 angestiegen. Fast 720.000 Seniorinnen und Senioren bezogen Anfang 2024 Grundsicherung im Alter, im März 2023 waren es noch 684.360. Im Vergleich zum Anfang des Jahren 2015, kommen hier rund 512.000 Senioren zusammen. Das macht einen Anstieg um rund 40 Prozent.
Dies bezeichnet BSW-Parteichefin Sahra Wagenknecht in dem Bericht als „Armutszeugnis für die Ampel“. Das deutsche Rentensystem würde dabei viele Seniorinnen und Senioren zu „entwürdigender Armut verdammen“.
Kommentar der Deutschen Rentenversicherung zum Anstieg der Zahlen zur Grundsicherung
Ganz so einfach sei es laut der Deutschen Rentenversicherung jedoch nicht. In einer Pressemitteilung heißt es, dass der Anstieg der Grundsicherung in den letzten Jahren von mehreren Faktoren bestimmt wurde, die nicht unbedingt mit einem „Armutszeugnis“ in Deutschland zu tun haben.
Seit 2021 gibt es einen zusätzlichen Freibetrag, der es in der Rente einfacher macht, Grundsicherung zu beantragen. Ein Teil der Rentenbeiträge wird seit 2021 nicht mehr vollständig bei der Berechnung der Grundsicherung berücksichtigt. Dadurch haben insgesamt mehr Menschen Anspruch auf Grundsicherung. Der Freibetrag betrug 2021 noch 223 Euro und stieg bis 2023 auf 251 Euro monatlich. Anspruch auf diesen Freibetrag haben Personen, die mindestens 33 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben.
Auch die Zahl der ukrainischen Geflüchteten haben der Pressemitteilung zufolge zum Anstieg beigetragen. Laut Statistischem Bundesamt bezogen im Jahr 2023 insgesamt 1,2 Millionen Personen Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, darunter 910.000 Deutsche und 301.000 Nicht-Deutsche. Unter den Nicht-Deutschen waren 86.000 ukrainische Flüchtlinge. Im Jahr 2022 bezogen etwa 1,18 Millionen Menschen Grundsicherung, wovon 911.750 Deutsche waren. Die Zahl der Deutschen, die Grundsicherung erhalten, ist im Vergleich zum Vorjahr sogar gesunken.
Dennoch geben diese Zahlen keinen Aufschluss darüber, wie viele Menschen ausschließlich Grundsicherung im Alter beziehen, da sich auch die Erwerbsminderung mit einbeziehen. Sie zeigen jedoch, was auch das Statistische Bundesamt betont, dass der Anstieg durch mehrere Faktoren beeinflusst wird.