Mehr Artillerie für den Westen
Wettrüsten bei der Artillerie – Wie Deutschland Bidens Produktion übertreffen soll
Deutsche Rüstungsunternehmen profitieren von der hohen Nachfrage nach Artilleriegeschossen. Eines davon ist Rheinmetall. Angeblich soll es mehr produzieren können als die gesamten Vereinigten Staaten zusammen.
Düsseldorf – Seitdem der Ukraine-Krieg im Westen eine neue Phase der Aufrüstung eingeleitet hat, machen Konzerne der Rüstungsindustrie hohe Gewinne. Einer davon ist Rheinmetall. Der Rüstungsriese aus Düsseldorf baut aktuell die Produktionskapazitäten aus. Branchenprognosen zeigen, dass er im laufenden Jahr die USA überholen könnte. Dahinter stecken mehrere Probleme.
| Produktion Artilleriegeschosse Rheinmetall 2022 | 70.000 (pro Jahr) |
|---|---|
| Produktion Artilleriegeschosse Rheinmetall 2024 | 450.000 (pro Jahr) |
| Geplante Produktion Artilleriegeschosse in den USA 2025 | 100.000 (pro Monat) |
| Kosten für ein Artilleriegeschoss | 3.600 Euro im Schnitt |
Rheinmetall fährt Artillerie-Produktion hoch
Noch vor zwei Jahren konnte Rheinmetall rund 70.000 Artilleriegeschosse pro Jahr herstellen. Seitdem hat sich einiges getan, nicht zuletzt, weil Rheinmetall den spanischen Munitionshersteller Expal Systems aufgekauft und in Unterlüß (Niedersachsen) eine neue Produktionsstätte aufgebaut hat. Nach Zahlen des Handelsblatts, bei denen es sich auf Branchenkreise beruft, kann der Konzern mittlerweile 450.000 Artilleriegeschosse pro Jahr herstellen.
Der tschechische Vizeverteidigungsminister Jan Jires sagte dazu, dass Rheinmetall allein jetzt mehr solcher Geschosse bauen würde als die gesamte Verteidigungsindustrie der Vereinigten Staaten. Aktuell stehen die Zeichen in Sachen Artillerie deutlich auf Wachstum, auch beim Düsseldorfer Hersteller. „Die jüngsten Beauftragungen im Bereich der Raketenartillerie und der 155mm-Artilleriemunition unterstreichen einmal mehr Rheinmetalls führende technologische Position in der Munitionsentwicklung und -Fertigung in Europa“, teilte das Unternehmen in einer Meldung mit. „In Bezug auf die Artilleriemunition tragen Rahmenverträge zur sicheren Versorgung der Bundeswehr und weiterer NATO-Streitkräfte bei.“
Die sogenannte 155mm-Artilleriemunition beinhaltet eine große Bandbreite von Nichtpräzisionsprojektilen, vorrangig geht es hier um hochexplosive Munition oder Spezialmunition wie weiße Phosphorgranaten. Im Zuge des Ukraine-Kriegs gewann diese Art der Munition deutlich an Bedeutung.
Auch in den USA stehen die Zeichen auf Wettrüsten
Dabei stellt sich die Frage: Wie viel produzieren die USA derzeit? Laut dem Institute for the Study of War (ISW) betrug die monatliche Produktion von 155-Millimeter-Geschossen in den USA 28.000 (Stand Oktober 2023) und soll bis Oktober 2025 auf rund 100.000 Geschosse steigen. Pro Jahr wären es nach den Zahlen von 2023 rund 336.000 Geschosse – was tatsächlich weniger wäre als die geschätzten Rheinmetall-Zahlen.
Die USA haben dabei so ihre Probleme, die Bestände wieder zu füllen, da sie einen Teil ihrer Geschosse selbst brauchen. Einem Bericht des Center for Strategic and International Studies zufolge müssen Artillerie-Kräfte jedes Jahr eine bestimmte Nummer von Schüssen abfeuern, um im Training zu bleiben. Diese können dann natürlich nicht in die Ukraine verschwinden. Diese Trainingsschüsse haben lange einem Großteil der überhaupt produzierten Munition entsprochen, sie also aufgebraucht.
Knappheit bei der Artillerie
Ein Problem, das der Westen mit Artilleriegeschossen hatte, ist: Er brauchte sie nicht wirklich. In jüngeren Kriegen hatte sich die NATO vielfach auf Bombardements der Luftwaffe und auf Drohnenangriffe verlassen, was unter anderem auf die Stärke der US Air Force zurückzuführen ist. Größere Produktionskapazitäten waren darum lange Zeit schlichtweg nicht notwendig. Die Ukraine aber muss seit Kriegsbeginn weitestgehend auf die in NATO-Doktrin festgeschriebene gemischte Kriegsführung verzichten.
Wie Forbes berichtete, stellen Regulierungen ein weiteres Hindernis dar. Im Westen hergestellte Artilleriemunition ist bis ans Maximum perfektioniert, was Langlebigkeit, Präzision und Reichweite angeht. Zwar übertreffen westliche Geschosse die russischen im direkten Vergleich deutlich, aber in den Schützengräben zwischen Kupiansk und der Krim zähle aktuell vor allem die schiere Masse. Darauf war die westliche Industrie nicht ausgelegt.
Rheinmetall expandiert derzeit. In Unterlüß baut der Konzern eine neue Produktion auf, gemeinsam mit einem Joint-Venture-Partner errichtet er ein weiteres Artilleriewerk in der Ukraine. Laut dem Handelsblatt könnte die Produktion auf etwa eine Million Granaten pro Jahr steigen.
Rubriklistenbild: © IMAGO / Scanpix
