„Vollständig übernehmen“
Krankenkassen mit Milliardenlücke durch Bürgergeld-Empfänger: Bund will endlich handeln
Die Betreuung der Bürgergeld-Empfänger kostet die Krankenkassen Milliarden pro Jahr. Denn der Bund überweist nicht genug. Das soll sich verbessern, aber es gibt Hindernisse.
Berlin – Nina Warken (CDU) war kaum als Bundesgesundheitsministerin im Amt, da musste sie bereits ein Finanzloch der gesetzlichen Krankenversicherung flicken. Die Reserve des Gesundheitsfonds der Kassen war unter einen kritischen Wert gefallen. Der Bund ist mit 800 Millionen Euro eingesprungen. Um die Finanzierung zu sichern und weitere Beitragserhöhungen, die bei einigen Krankenkassen wieder anstehen, zu verhindern, sind jedoch Reformen nötig. Warkens Fokus: Bürgergeld-Empfänger.
Zu geringe Beiträge für Bürgergeld-Empfänger eine Ursache des Finanzlochs der Krankenkassen
Es brauche eine „Kombination aus Haushaltshilfen und entschiedene Reformen“, sagte die Ministerin im Interview mit der Rheinischen Post. Schon 2026 soll das Strukturpaket kommen. Dazu gehöre auch, „dass wir die Ursachen für Finanzlücken ehrlich analysieren“, erklärte Warken – und hob die Behandlung der Bürgergeld-Empfänger hervor.
Der Bund übernimmt die Krankenkassenbeiträge für die Bürgergeld-Empfänger. Die Zahlungen sind jedoch nicht ausreichend, klagen die Krankenkassen. Für die Erwerbslosen in der gesetzlichen Versicherung gebe es lediglich eine Pauschale von 109 Euro monatlich. Das entspreche jedoch etwa einem Drittel des tatsächlichen Bedarfs. Schon 2022 hätten laut einem Gutachten des Gesundheitsforschungsinstitutes IGES 311 Euro gezahlt werden müssen.
Gesundheitsministerin will Krankenkassen zehn Milliarden Euro mehr für Bürgergeld-Empfänger zahlen
Die gesetzlichen Krankenkassen beziffern das Defizit durch die zu geringen Beiträge auf etwa zehn Milliarden Euro pro Jahr. Entsprechend könnte die Krankenversicherung auch sparen, wenn der Bund die tatsächlich anfallenden Kosten für Bürgergeld-Bezieher trage.
Nun machte auch Ministerin Warken deutlich: „Die Behandlungskosten für Bürgergeld-Empfänger sollten über den Bundeshaushalt nicht nur teilweise, sondern komplett abgedeckt werden.“ Unterstützung bekommt sie aus Bayern. „Wir müssen die versicherungsfremden Leistungen aus Steuermitteln ersetzen, um Stabilität in die Beiträge zu bekommen“, sagte Klaus Holetschek, CSU-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag und früherer Gesundheitsminister, IPPEN.MEDIA. Das gelte auch für die Pflegeversicherung. „Hier muss der Bund die coronabedingten Mehraufwendungen aus der Zeit der Pandemie tragen. Nur so können wir die Beitragsspirale bremsen.“
Spardruck des Bundes könnten Beiträge für Bürgergeld-Empfänger hemmen
Warken bekommt dabei Zustimmung aus Reihen der Opposition. Es sei „nicht hinnehmbar“, dass der Bund für Bürgergeld-Beziehende „keine angemessenen Beiträge in die GKV einzahlt“, erklärte Linda Heitmann, Grünen-Bundestagsabgeordnete im Gesundheitsausschuss. Auf Dauer werde das jedoch nicht ausreichen, um die Beiträge zu stabilisieren. Warken müsse „im Kabinett dafür kämpfen, dass die nötigen Mittel für die Beiträge“ der Bürgergeld-Empfänger bereitgestellt werden, erklärte Heitmann.
Die Grünen-Abgeordnete trifft dabei einen wunden Punkt. Denn das Problem der zu geringen Krankenkassenbeiträge des Bundes für Bürgergeld-Empfänger ist schon lange bekannt. Schon die Ampel-Koalition hatte sich zum Start 2021 eine ausreichende Finanzierung zum Ziel gesetzt. Passiert ist nichts. Zum Jahreswechsel hatte sich das Gesundheitsministerium zu den Ursachen geäußert: Die klammen Kassen des Bundes hätten es nicht zugelassen.
Warken will Zahl der Bürgergeld-Empfänger reduzieren, um Krankenkassen zu entlasten
Das könnte nun auch in der Regierung von Kanzler Friedrich Merz und Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zum Problem werden. Zwar zeigen sich positive Tendenzen bei der Wirtschaftslage – und damit steigende Steuereinnahmen – dennoch bleibt die Haushaltslage angespannt. Zahlreiche Vorhaben der neuen Regierung stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Warken könnte schlicht das Geld fehlen, um die Behandlungskosten der Erwerbslosen in der Grundsicherung zu decken. Schon jetzt kosten die Kranken- sowie Pflegeversicherung 657 Millionen Euro im Monat.
Warken räumte im RP-Interview deshalb auch ein: „Mittelfristig muss natürlich das Ziel sein, die Wirtschaft anzukurbeln und die Zahl der Bürgergeld-Empfänger zu reduzieren.“ Besonders Letzteres ist ein zentrales Vorhaben der Union. Mit der Reform der Grundsicherung sollen Erwerbslose möglich schnell in Arbeit vermittelt werden.
Bayerischer CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek fordert „grundsätzliche Debatte“ über den Sozialstaat
CSU-Politiker Holetschek forderte gegenüber IPPEN.MEDIA zudem eine „ganz grundsätzliche Debatte über die Rolle des Sozialstaates“. Wir müssten uns fragen: „Was muss dieser Sozialstaat leisten, was kann er noch leisten, wo ist es notwendig und wo ist mehr Eigenverantwortung gefragt.“ Es brauche „eine Priorisierung auf die wichtigen Themenbereiche“.
Rubriklistenbild: © Markus Weißenfels/Christian Marquardt/Imago
