„Politisch heikel“
Reiche stärker zur Kasse bitten: Höhere Erbschaftssteuer wäre „wirtschaftlich tragbar“
Die Erbschafts- und Vermögenssteuer wird zum Wahlkampfthema. Während die Union eine Senkung der Steuer für Eigenheime anstrebt, plant die SPD eine umfassendere Reform. Experten sprechen über die wirtschaftliche Tragbarkeit einer Umverteilung.
Berlin - Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr nimmt der politische Diskurs an Fahrt auf. Ein Thema, das dabei kontroverse Meinungen hervorruft, ist die Erbschafts- und Vermögenssteuer. Die Union setzt sich für eine Senkung der Erbschaftssteuer bei Eigenheimen ein, während die SPD eine umfassendere Reform anstrebt, die vor allem sehr reiche Personen stärker besteuern soll. Experten sehen in der Erbschaftssteuer ein sinnvolles Instrument, „mit dem wir uns dringend beschäftigen müssen.“ Aber wie tragbar ist die Umverteilung für die deutsche Wirtschaft?
SPD spricht sich für eine höhere Steuer von „sehr reichen“ Menschen aus
Bis 1997 wurde in Deutschland eine Vermögenssteuer erhoben. Diese wurde jedoch vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt, da es eine ungleiche Bewertung von Immobilien und anderen Vermögenswerten gab. Laut einer Forsa-Umfrage für den Stern im Juli befürwortet die Mehrheit der Deutschen die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer für Privatpersonen und Unternehmen. Rund 62 Prozent der Befragten sprechen sich dafür aus, Vermögen ab einer Million Euro zu besteuern.
Dieses Thema ist auch Teil des Wahlkampfprogramms der SPD. Laut einer Mitteilung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) plant die Partei, das Einkommen und Vermögen sehr reiche Menschen stärker zu besteuern. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Achim Post erklärte im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND), dass eine „gerechte Erbschaftssteuer, eine neue Vermögenssteuer und eine grundlegende Reform der Schuldenregel“ angestrebt werden.
Post betonte zudem, dass es hohe persönliche Freibeträge geben werde, damit die Steuerlast vor allem sehr reiche Personen treffe, während die Substanz von Betrieben geschützt bleibe. Diese Pläne sind auch Teil eines Strategiepapiers der SPD zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Flaute, das vor mehr als einer Woche auf einer Klausurtagung in Berlin beschlossen wurde. In dem Papier wird eine Reform der Einkommenssteuer vorgeschlagen, die 95 Prozent der Steuerzahler entlasten und die obersten ein Prozent der Einkommen stärker belasten soll. Parteichefin Saskia Esken nannte in diesem Zusammenhang in der dpa-Mitteilung Verdienste von mehr als 15.000 Euro monatlich.
Immobilien steuerfrei vererben: Das ist das Wahlkampfprogramm der Union-Partei
Das Wahlkampfprogramm der CDU/CSU zeichnet hingegen ein anderes Bild: „Die Erbschaftsteuern für Eigenheime sind zu hoch. Die Menschen haben Angst davor, dass Immobilien nicht vererbt werden können, weil ihnen der Staat zu tief in die Tasche greift“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gegenüber der Bild.
Im Falle eines Wahlsiegs plant die Partei daher, die Erbschaftssteuer auf Immobilien zu senken, sodass diese steuerfrei an die nächste Generation übergehen können, vorausgesetzt, die Immobilie wurde mindestens 10 Jahre lang bewohnt oder vermietet. Erstmals wurde dieser Vorschlag in einem Papier der CSU-Landesgruppe im Juli 2023 für die Klausurtagung im Kloster Andechs bei München, das der dpa vorliegt, erwähnt.
Auch die bayerische Landesregierung drängt auf eine Reform der Erbschaftssteuer und fordert eine Anhebung der Freibeträge, die seit 2008 trotz Inflation und steigender Immobilienpreise nicht mehr angepasst wurden. Zudem soll die Erbschaftssteuer regionalisiert werden, sodass die einzelnen Bundesländer mehr Einfluss auf deren Gestaltung bekommen.
Wirtschaftlich tragbar: Expertinnen sprechen sich für höhere Erbschaftssteuer aus
Im Hinblick auf die Umverteilung in Deutschland hält Nicola Fuchs-Schündeln, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), eine höhere Erbschaftssteuer sowie eine breitere Bemessungsgrundlage für sinnvoll. Allerdings räumt sie im Interview mit der Zeit ein, dass dies „politisch heikel“ sei: „Viele Menschen empfinden das als ungerecht, selbst dann, wenn sie wegen hoher Freibeträge gar nicht betroffen sind. Hinzu kommen die lauten Klagen der Familienunternehmen, dies schade der Wirtschaft.“ Dennoch zeigt die Forschung laut Fuchs-Schündeln, dass Familienunternehmen in Deutschland ausreichend Rücklagen haben, um eine solche Steuer zu verkraften. Besonders, wenn die Steuer zeitlich gestreckt würde, ist sie ihrer Einschätzung nach wirtschaftlich tragbar.
Die „Crazy Rich“-Autorin Julia Friedrichs, die sich intensiv mit der wohlhabenden Oberschicht auseinandergesetzt hat, weist in ihrem Buch darauf hin, dass jährlich etwa 250 bis 400 Milliarden Euro vererbt werden, von denen der Staat jedoch nur etwa zehn Milliarden Euro an Steuern einnimmt. In einem Interview mit der dpa bezeichnet sie die Ungleichheit beim Vermögen daher als zentrales Thema, „mit dem wir uns dringend intensiver auseinandersetzen müssen.“
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