Städte und Gemeinden haben viel Macht
Heizen mit Wasserstoff: Neues Gutachten wirft Fragen auf
Die Debatte um das Heizen mit Wasserstoff in Deutschland nimmt an Fahrt auf. Ein neues Gutachten stellt die Sinnhaftigkeit dieser Option in Frage. Die Auswirkungen könnten weitreichend sein.
Hamburg – Seit Inkrafttreten des neuen Wärmeplanungsgesetzes (WPG) und des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), über die im vergangenen Jahr politisch heftig diskutiert wurde, gibt es klare Vorgaben darüber, was Immobilienbesitzer künftig bei der klimafreundlicheren Energieversorgung beachten müssen. Besonders im Fokus ist dabei die Rolle von Gas in Heizkörpern. Zwar sind Gasheizungen weiter in Deutschland erlaubt – müssen aber besondere Vorgaben erfüllen. Allerspätestens 2045 soll Heizen in Deutschland klimaneutral sein, bis dahin müssen Gasheizungen ersetzt werden oder mit einem klimaneutralen Gas laufen. Für letzteres wurde in den beiden neuen Gesetzen daher auch die Möglichkeit des Heizens mit Wasserstoff eingeräumt.
Das sorgt allerdings für Kontroversen. Während der Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sowie auch der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) das Verwenden von Wasserstoff in der Heizwende grundsätzlich als valide Option betrachten, sehen das Wissenschaftler und Umweltverbände ganz anders. Ein vom Umweltinstitut München in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten soll diese Position nun stützen.
Kommunen müssen Wärmepläne erstellen – und zwar „fehlerfrei“
Das Rechtsgutachten wurde von der Kanzlei Günther aus Hamburg erstellt und liegt dieser Redaktion vor. Die Anwälte betonen dabei, dass es ihnen bei der Bewertung um die rechtlichen Mittel bei der Wärmeplanung ging und nicht darum, ob die Wärmeversorgung mit Wasserstoff irgendwann realistisch ist. Vielmehr gehe es also darum zu prüfen, ob es innerhalb der genannten Fristen und im Hinblick auf bekannte Kosten sinnvoll ist. Dem Gutachten zufolge geht es um die „Vermeidung eines verschwenderischen Einsatzes von planerischen Ressourcen“.
Im Fazit schreiben die Autoren und Autorinnen des Gutachtens, dass die Kommunen bei der Erstellung von Wärmeplänen „verpflichtet“ seien, „fehlerfreie Entscheidungen zu treffen“. Denn viele Eigentümer und Eigentümerinnen warten auf die Wärmeplanung in ihrer Gemeinde, bevor sie eine Entscheidung für ihre Heiz-Zukunft treffen. Wenn die Wärmeplanung am Ende fehlschlägt – zum Beispiel, weil die Kommune die Kosten oder die Dauer der Umsetzung nicht korrekt berechnet hat – dann hat das laut Gutachten „rechtliche Wirkungen für Gebäudeeigentümer“. Denn diese müssen sich dann um eine andere klimafreundliche Heizungslösung kümmern, wenn die kommunale Wärmeplanung doch nicht so kommt, wie erwartet. Doch die Kosten dafür zahlt die Kommune, schließlich wird sie dann für die fehlende Wärmeversorgung im Zweifel verantwortlich gemacht.
Wasserstoff-Heizungen: Enger Zeitplan macht H2-Lösungen für Gemeinden unrealistisch
Dass das im Fall eines Wasserstoffnetzes passiert, ist der Kanzlei zufolge auch nicht unwahrscheinlich, da die Gemeinden ihre Wärmepläne bis spätestens 2028 (größere Kommunen schon bis 2026) vorlegen müssen. Bis dahin wird es vielen Netzbetreibern nach Ansicht der Kanzlei nicht möglich sein, realistische und verbindliche Fahrpläne zum Wasserstoffnetz für Haushaltskunden vorzulegen.
Die Anwälte sind daher der Meinung, dass eine Wärmeplanung mit Wasserstoff für Haushaltskunden nur in Ausnahmefällen sinnvoll ist. Es sei „nur gerechtfertigt, wenn die Vereinbarung eines Fahrplans konkret und verbindlich in Aussicht steht“.
Wasserstoff in der Energiewende
Während die Verwendung von Wasserstoff in der Wärmeversorgung und im Transportsektor kontrovers diskutiert wird, gilt das „Allround-Talent“ als Schlüsselelement der Energiewende in der Industrie. Im Frühjahr hatte beispielsweise der Energie-Gigant Uniper mit dem Stahlunternehmen Salzgitter einen Vertrag für die Lieferung von 20.000 Tonnen grünem Wasserstoff pro Jahr unterzeichnet. Damit soll ab 2028 begonnen werden. Bis 2030 will der Konzern schon 20 Prozent des deutschen Bedarfs an Wasserstoff abdecken.
Mit dem Gutachten hat die Kanzlei Günther auch die Rolle der Gemeinden hervorgehoben: So haben diese im Wesentlichen die Macht darüber, wie die Wärmeversorgung in ihrem Gebiet aussehen soll. Laut Wärmeplanungsgesetz dürfen sie alle wichtigen Entscheidungen treffen: Welche Gutachter, Planungsdienstleister, Studien und Positionen zurate gezogen werden, die Gemeinden dürfen mit Netzbetreibern und Versorgern verhandeln – oder auch nicht. Damit haben Kommunen viel Macht in dieser Frage – und viel Verantwortung.
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