Prozess
Grundsteuerreform: Klagen sind eingereicht - Kippt am Ende das ganze System?
In Zeiten der massiven Inflation umtreibt die Deutschen auch die Grundsteuerreform, die Experten zufolge ungerecht ist. Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer.
Berlin/München - Das Thema Grundsteuer versetzt in ganz Deutschland Immobilienbesitzer in Aufruhr. Doch nun kommt Bewegung in die angespannte Gesamtlage, über den Gerichtsweg könnte die Neuregelung womöglich kippen.
Die Wirtschaftswoche berichtet über die Klage eines Betroffenen beim Berliner Finanzgericht, mithilfe der Unterstützung des Eigentümerverbands Haus & Grund (H&G) sowie dem Bund der Steuerzahler (BdSt). Ausschlaggebend seien mehrere Untätigkeitsklagen, sodass einige Finanzämter nach längerem Ignorieren letztlich Einsprüche ablehnten - wodurch jetzt der Weg frei für Klagen ist.
Grundsteuerreform 2025 könnte in Karlsruhe gekippt werden
Der Hintergrund: Nach Ansicht der Verbände bestehen wegen extrem hoher Miet- und Bodenwerte begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Bundesmodells zur neuen Grundsteuer-Berechnung ab 2025.
Dabei handelt es sich jedoch nicht um die ganze Bundesrepublik: Das kritisierte Modell soll in insgesamt elf Bundesländern angewendet werden. Das erklärte Ziel: Vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe soll die Grundsteuerreform gekippt werden. In Bayern ist derweil ein eigenes Modell im Hinblick auf die Immobiliensteuer geplant.
Warum Klagen gegen die Grundsteuerreform erst im Herbst 2023 möglich werden, wird in dem Bericht mit einer „offenkundigen Verzögerungstaktik“, aber auch „Überforderung“ der Finanzverwaltung erklärt: Zwar gebe es viele Einsprüche gegen die vorliegenden Bewertungsbescheide, doch würden die sich bei den Behörden unbearbeitet stapeln. Der Klageweg sei aber erst dadurch ermöglicht worden, als die ersten Finanzämter anfingen, Einsprüche abzulehnen.
„Millionen Einsprüche gegen Grundsteuerwertbescheide werden von den Finanzämtern seit über einem halben Jahr nicht bearbeitet“, erklärten die Verbände H&G sowie BdSt übereinstimmend. Der Verfassungsrechtler Gregor Kirchhof hatte im Auftrag der beiden Verbände ein Rechtsgutachten erstellt, wonach die Bewertungsmethode nach dem Bundesmodell aus gleich mehreren Gründen verfassungswidrig sei. „Da dies letztlich nur das Bundesverfassungsgericht feststellen kann, ist der Klageweg unumgänglich“, erläuterten die Verbände.
Grundsteuerreform: Modell von Finanzminister Scholz wackelt
Bei dem kritisierten Grundsteuer-Modell ab 2025 geht es um das Konzept des Bundesfinanzministeriums, das der damalige Ressortchef Olaf Scholz (SPD) mit dem Versprechen ankündigte, dass es „nicht zu einem höheren Steueraufkommen kommt”.
Experten kritisieren den heutigen Bundeskanzler für die Aussagen: Dass die Kommunen den Steuersatz bei der Grundsteuer so anpassen, dass es für die Hausbesitzer trotz Reform nicht teurer wird, hat sich dem Vernehmen nach mehrheitlich als falsch erwiesen. Durch die pauschalen Beurteilungen der Grundsteuer komme es zu „gravierenden Ungerechtigkeiten“, führt Haus & Grund-Expertin Barent gegenüber der Wirtschaftswoche aus.
Angesichts der Tatsache, dass die Bodenrichtwerte der Grundsteuer von Gutachterausschüssen erstellt werden und für Außenstehende nicht nachvollziehbar, spricht der Eigentümerverband von einer „Black Box mit vorprogrammierten Ungerechtigkeiten“.
Allerdings soll es wenig Hoffnung geben, dass eine Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht schon im kommenden Jahr bekannt wird. „Dann müssen die Immobilienbesitzer erst einmal die Grundsteuer nach den neuen Regeln zahlen“, rät Barent. Wer gegen den Grundsteuerbescheid Einspruch (Musterschreiben) eingelegt hat, solle bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung aus Karlsruhe warten. Helfen könne der Antrag auf ein Ruhen des Verfahrens.
Grundsteuermodell in Deutschland veraltet - Neuregelung geplant
Der Anstoß der geplanten Grundsteuerreform: Das jahrzehntealte System ist verfassungswidrig – stellte das oberste deutsche Gericht 2018 fest. Denn die verwendeten Werte gelten als veraltet. Daher wird ab Januar 2025 eine Grundsteuerreform durchgeführt. In den meisten Bundesländern erfolgt dies nach dem sogenannten Bundesmodell, in anderen - darunter Bayern - nach eigenen Modellen, die sich stärker nach Flächengrößen oder Bodenwerten richten. Aus den neu ermittelten Grundsteuerwerten, einer Steuermesszahl sowie dem kommunalen Hebesatz ergibt sich der zu zahlende Betrag.
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Derweil ist die Grundsteuer in Deutschland bereits vor der Reform vielerorts angestiegen. Vor allem beim baden-württembergischen Modell droht vielen Eigentümern offenbar eine Vervielfachung der Kosten. (PF)
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