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„Soll es ‚Armengeld‘ heißen?“

Geplante Änderung beim Bürgergeld: Ampel gibt Union und AfD wieder eine Steilvorlage

Im Disput um das Bürgergeld bleibt die SPD in der Defensive. Fachleute plädieren für Reformen. Doch die Sozialdemokraten sind anderer Meinung.

Berlin – Die SPD gerät im Streit um das Bürgergeld immer weiter unter Druck. Immer wieder schaffen es AfD, Union und auch der Koalitionspartner FDP, den Sozialdemokraten aus der Hartz-IV-Reform einen Strick zu drehen. Aktuell ist es der Streit um das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine, die die Gemüter erhitzen. Davor waren es die „Totalverweigerer“, davor war es die Erhöhung des Regelsatzes, über das sich viele in der Bundesrepublik echauffierten. In der Süddeutschen Zeitung gibt auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil zu: „Ja, wir sind in die Defensive geraten.“

Bürgergeld bei Jobcenter-Mitarbeitern unbeliebt

Die SPD steht dennoch weiter zum Bürgergeld – hat aber scheinbar keine Idee, wie sie das neue System besser verkaufen kann. Nicht mal denjenigen gegenüber, die sich damit am besten auskennen. Das zeigt eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), das die Beschäftigten aus sieben Jobcentern in NRW befragt hat, wie sie das neue Gesetz bewerten.

Die Ergebnisse: „Jobcenterbeschäftigte sehen neue Regeln mehrheitlich skeptisch und bewerten insbesondere höhere Regelsätze und neue Sanktionspraxis negativ“, so die Zusammenfassung des DIW. Und weiter: „Nur knapp jeder fünfte Jobcenterbeschäftigte sieht im Bürgergeld eine Verbesserung, ungefähr die Hälfte eine Verschlechterung“. Diejenigen, die also tagein, tagaus damit beschäftigt sind, halten viele Aspekte im neuen Bürgergeld für Murks.

SPD steht zum Bürgergeld und will stattdessen höheren Mindestlohn

Doch die SPD bleibt dabei: Das neue Bürgergeld ist eine gute Sache. „Das war eine notwendige Reform. Wir wollten die Menschen nicht mehr in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen parken, sondern sie konsequent auf den ersten Arbeitsmarkt bringen. Qualifikation und Weiterbildung werden massiv gestärkt“, sagt Lars Klingbeil im SZ-Interview dazu. Er wolle nicht Menschen, „die wenig haben, und Menschen, die wenig verdienen, gegeneinander aus[spielen]“. Deswegen setze sich die SPD jetzt auch für einen höheren Mindestlohn ein, auf 15 Euro pro Stunde. Also: Statt beim Bürgergeld zu kürzen sollen alle anderen mehr haben.

Dabei finden diese Arbeitsmarktpolitik wohl nicht einmal diejenigen gut, die von ihr mutmaßlich am ehesten profitieren. Das Wählerverhalten bei der Europawahl im Juni zeigt ganz eindeutig: Arbeiter und Arbeiterinnen wählten mehrheitlich die AfD, auf Platz zwei folgt die Union. Erst abgeschlagen auf Platz drei kommt die SPD. Größte Wählergruppe der Sozialdemokraten waren Rentner und Rentnerinnen.

Um das Image des Bürgergeldes zu verbessern, spekuliert die SPD nun darüber, ob das Problem vielleicht am Namen liegt. Das berichtet der Tagesspiegel. „Bürgergeld“, das klingt ja schon so nach Grundeinkommen, so der Tenor. „Blödsinn“, so der NRW-Fraktionschef Jochen Ott der Zeitung zufolge. „Soll es ‚Armengeld‘ heißen, damit die Distanzierung nach unten deutlicher wird?“

Bürgergeld-Kürzungen sind nicht so möglich, wie es die Union will

Fairerweise muss man auch sagen: Das Bürgergeld zu kürzen, so wie es aus der Opposition gefordert wird, geht gar nicht. Das hat das Bundesverfassungsgericht schon 2019 geurteilt: Damals ging es um die Sanktionen im Hartz-IV-System, die vom obersten Gericht gerügt wurden. Sanktionen dürften nicht unter das Existenzminimum gehen, das verletze die Menschenwürde.

Die SPD sitzt also in der Falle: Sie kann und will ihre große sozialpolitische Reform nicht kritisieren. Und schafft es aber auch nicht, das Bürgergeld als Erfolg zu verkaufen.

Bürgergeld soll jetzt noch einfacher beantragt werden: Nächste Steilvorlage für die Union

Die nächste Steilvorlage für Union und AfD liefert sie auch schon: Künftig soll das Bürgergeld per App beantragbar sein. Mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz sollen Jobcenter entlastet werden, die KI soll die Anträge prüfen und somit den Vorgang beschleunigen. Wann die App kommen soll, darüber gibt es keine Informationen. Heil kündigte sie im Frühjahr aber als Teil einer Digitalisierungsstrategie an.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil spricht bei einer Debatte im Bundestag.

Bürgergeld jetzt noch schneller und einfacher beantragen: Man kann den nächsten Angriff der Opposition schon hören. Gleichzeitig könnte man die App mit KI-Einsatz auch als Maßnahme sehen, die Kürzungen bei den Jobcentern ermöglichen soll. Schließlich wird gerade innerhalb der Ampel-Koalition um den Haushalt 2025 gerungen. Die Jobcenter und auch die Bundesagentur für Arbeit erwarten schon Kürzungen. Einem offenen Brief eines Netzwerks aus sozialen Trägern zufolge soll es auch schon eine Ziffer geben: 2,6 Milliarden Euro weniger soll im Etat für das Bürgergeld, speziell für die Eingliederungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose, gekürzt werden.

Das Verrückte: Solche Kürzungen, würden sie denn so kommen, würden ausgerechnet die Maßnahmen treffen, die der DIW-Studie zufolge am beliebtesten bei Jobcenterbeschäftigten sind. „Bei den erstmals gesetzlich verankerten Regelungen zur ganzheitlichen Betreuung und zum Aufbau der Beschäftigungsfähigkeit Langzeitarbeitsloser mithilfe von Coaches plädieren 88 Prozent der Jobcenterbeschäftigten für eine Beibehaltung“, heißt es dort.

Rubriklistenbild: © Hannes P. Albert/dpa

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