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Interview

„Billige Energie hält die Wirtschaft am Laufen“: Was Unternehmen von der Politik jetzt wirklich brauchen

Mirco Wolf Wiegert ist der Gründer und Geschäftsführer von Fritz-Kola in Hamburg. Im Interview spricht er über die Plastiksteuer der Ampel und was die Wirtschaft jetzt wirklich ausbremst.

Mirco Wolf Wiegert, eigentlich wollten wir heute über die Plastiksteuer sprechen und über die Krisenstimmung in der Wirtschaft. Aber bevor wir damit anfangen, eine ganz andere Sache: Die Wirtschaft wacht langsam auf und realisiert, dass Rechtsextremismus ein Problem wird in Deutschland. Fritz-Kola als Unternehmen hat sich da ja schon lange klar positioniert. Planen Sie angesichts der neuen Lage eine neue Herangehensweise, eine neue Kampagne?
Wir denken darüber nach. Tatsächlich ist die Situation wirklich gerade sehr kompliziert. Wenn bis zu 30 Prozent in einer Region extrem rechts wählen möchten, da stelle ich mir schon die Frage, wie wir damit umgehen können. Also wie findet man einen Dreh, um die Menschen zurück in die demokratische Gemeinschaft zu holen? Da habe ich noch keine Antwort gefunden. Wir sind sehr aktiv auf den Demonstrationen, viele Leute, die hier arbeiten, engagieren sich und wollen darauf aufmerksam machen. Und ja, in der Wirtschaft kommt auch langsam an: Das wird nicht gut, das wird ein reines Desaster. Wir werden es nicht alleine lösen können, aber wir werden zumindest unseren Teil zur Lösung beitragen.
Apropos polarisieren: Die Ampel-Koalition scheint ja aktuell überall zu polarisieren. Im kommenden Jahr soll eine Plastiksteuer eingeführt werden. Gibt Ihnen das als Firma, die immer schon auf Glasmehrweg gesetzt hat, ein Gefühl von Bestätigung?
Ehrlich gesagt habe ich mich immer gefragt, warum Getränke überhaupt in Plastikflaschen abgefüllt werden. Mein Mitgründer und ich haben als Pfadfinder immer überall Verpackungsmüll gefunden: Dosen, Plastikflaschen, Zigarettenpackungen, Zigarettenkippen. Das hat uns so sehr geprägt, dass uns, als wir Fritz-Kola gegründet haben, klar war, dass wir das berücksichtigen müssen. Glasmehrweg ist übrigens die natürliche Getränkeverpackung. Wenn man historisch zurückgeht, gab es Tonkrüge und dann Glas, jahrzehntelang. Irgendwann sind Teile der Getränkeindustrie zu Einwegverpackungen übergegangen, das heißt, wir müssen eigentlich nur wieder lernen, zurückzukommen zur lokalen Produktion und zum ressourcenschonenden Umgang. Besser als Recyclen ist Glasmehrweg, noch besser als das, ist das Vermeiden. Es muss auch der Überkonsum von Getränken nachlassen. 
Sie plädieren als Getränkeverkäufer dafür, dass die Menschen weniger Getränke konsumieren? 
Ja naja, das ist ein Teil des Problems, der gerne vernachlässigt wird. Mit dem Rückgang von Glasmehrweg und der Zunahme an Plastikeinwegflaschen sind die Getränkeportionen immer größer geworden. Und jeder kennt das doch: wenn man die Chips aufmacht, dann isst man sie auch leer, egal wie groß die Packung ist. Und bei Limonaden ist das genauso, wenn ich die Flasche aufmache, ist sie am Ende auch leer. Bei so einer kleinen Mehrwegflasche konsumiere ich auch weniger, ich mache mir nicht noch zwei, drei weitere auf. Die Plastikflaschen führen also zu zwei Problemen: das Recycling-Problem und dieses Problem des Überkonsums. Deswegen treten wir bei fritz-kola für kleine Glas-Mehrwegflaschen ein, um eben beide Probleme zu adressieren.
Mirco Wolf Wiegert ist der Co-Gründer des Limonadenherstellers Fritz-Kola
Aber es ist doch für Sie gut, wenn die Leute viel konsumieren? Aus unternehmerischer Sicht. 
Das sehe ich anders. Ich denke, ich bin als Unternehmer und Inhaber einfach verpflichtet, nachhaltig zu arbeiten. Es gehört dazu, keinen Verpackungsmüll zu produzieren und es gehört auch dazu, dass ich mir über den Konsum an sich Gedanken mache. Wenn Leute zu viel von meinen Produkten trinken und dadurch Probleme kriegen, dann ist das nicht in meinem Sinne. Also ich verdiene eh Geld, ich muss jetzt nicht noch Geld damit verdienen, dass andere leiden.
Und eine Plastiksteuer kann diese Probleme wirklich angehen?
Es ist ein erster Schritt. Wir müssen halt noch aggressiver gegen Einwegverpackungen vorgehen, auch durch Verbote. Und die Plastiksteuer kann ein wunderbarer erster Schritt sein, um auch die Verpackung teurer zu machen und dadurch Glasmehrweg noch wirtschaftlicher machen. 
Aktuell leben wir in Zeiten von sehr teurer Energie – und die Glasproduktion ist sehr energieintensiv. Wie bekommen Sie das zu spüren?
Die Flaschen sind teurer geworden. Wir hatten zeitweise sogar eine Verdreifachung der Kosten. Jetzt sind wir bei einer knappen Verdopplung angekommen, verglichen mit der Zeit vor der Ukraine-Krise. Die Situation hat sich also etwas entspannt. Trotzdem sind natürlich hohe Energiekosten ein Problem, weil die Glashütten noch mit Gas betrieben werden. 
Müssen Sie die gestiegenen Preise an Kunden weiterreichen?
Ja, wir haben die Preise deutlich erhöht. Wir hatten zwei Preiserhöhungen, das war sehr schmerzhaft für uns und für unsere Kunden. 
Es wird gerade viel öffentlich darüber diskutiert, wie man Unternehmen entlasten kann, wie die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Was würde Ihnen denn am meisten helfen? Was brauchen Sie von der Politik?
Bei uns ist die Stimmung gar nicht so schlecht, weil es gut bei uns läuft. Trotzdem gibt es Dinge, die ich mir wünschen würde: Zum einen muss der Rahmen geschaffen werden für billige Energie. Billige Energie hält die Wirtschaft am Laufen. Einer unserer Partner versucht seit fünf Jahren eine Windkraftanlage zu bauen und kriegt es nicht genehmigt. Eine Windkraftanlage zu finanzieren ist dabei noch relativ leicht, aber das dann auch wirklich genehmigt und gebaut zu kriegen, das ist schon ein Megathema. Das zweite ist, dass Unternehmen, die mit dieser multiplen Krise zu kämpfen haben, an anderer Stelle entlastet werden müssen. Und ich spreche nicht von Subventionen, wir wollen kein Geld. Was wir wirklich brauchen, ist eine bürokratische Entlastung. Ich bin jetzt seit zwei Jahren damit beschäftigt herauszufinden, wie wir mit dem Werbeverbot für Süßigkeiten - was auch uns betreffen wird - umgehen müssen. Oder wenn Mitarbeiter ins EU-Ausland für uns fahren, dann muss das bei der Krankenkasse durch einen ganzen Prozess durch. Völlig bizarre Prozesse, bizarre Vorgehensweisen. Es ist also dringend notwendig, dass die Politik, aber auch die öffentliche Hand generell, da endlich Fortschritte macht und diese Bürokratie signifikant zurückfährt. Die Arbeit, die ich jetzt beschrieben habe, damit sind bei uns zwei sehr teure Vollzeitkräfte beschäftigt. Das sind Kosten, die sind eigentlich unnötig. 
Limonaden der Marke fritz-kola werden im Supermarkt verkauft.
Ich nehme an, die Digitalisierung….
…die nicht vorhanden ist…
… spielt da eine erhebliche Rolle? 
Wie überall, ein völliger Wahnsinn. Und Dinge passieren einfach nicht, es ist für ein mittelständisches Unternehmen nicht möglich, so viele Ressourcen an Personal und an Geld vorzuhalten, um alle Auflagen zu erfüllen. Ausgeschlossen. 
Gut, da könnte man jetzt sagen, dass die Plastiksteuer, die Sie ja befürworten, genau das ist: Eine neue Auflage, die kontrolliert werden muss. 
Ja. Ich weiß auch nicht, welcher Weg der Beste ist: Plastiksteuer oder einfach konsequent die Mehrwegquote hochfahren. Es gibt nicht so viel Mehrwegplastik, das wäre also auch ein Weg. Eine dieser Routen kann man wählen, um Einwegverpackungen zu reduzieren. Und das müssen wir unbedingt tun. 
Das Thema Verpackungsmüll ist nur eines von vielen Themen, wenn es um die Transformation der Wirtschaft geht. Wie läuft es bei Fritz-Kola sonst auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Wir sind gerade in dem Prozess mittendrin. Wir messen unseren CO₂-Footprint mit einer externen Firma, die ein ökonomisches Climate Impact Modell (XDC) entwickelt haben. Und da wir keinen eigenen Abfüllbetrieb haben, sind unsere Scope-1-Emissionen relativ undramatisch [siehe Infokasten, Anm. d. Red.]. Wir haben unseren kompletten Fuhrpark auf E-Mobilität umgestellt, sind da jetzt fast fertig. Der größte Hebel liegt bei uns bei den Scope-2- und Scope-3-Emissionen. Unsere Partnerbetriebe nutzen noch viel Gas und Öl, haben noch nicht die Möglichkeit, auf Wasserstoff umzustellen. Das dauert also noch. Was wir aber schon gemacht haben, ist, wir haben zwei neue Werke ans Netz genommen. Dadurch haben wir den Wasser- und Energieverbrauch alleine durch neue Maschinen signifikant reduziert. 

Was sind Scope-1-, Scope-2- und Scope-3-Emissionen?

Mit der Scope-Einteilung werden die verschiedenen Formen von Treibhausgasemissionen kategorisiert. Damit sollen nicht nur die Emissionen, für die das Unternehmen direkt verantwortlich ist, abgebildet werden, sondern auch die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette. 

Scope 1: Direkte Emissionen, die von dem Unternehmen selbst ausgestoßen werden. Dazu gehören zum Beispiel Fuhrparks oder die Energie, die am Unternehmensstandort verbraucht wird. 

Scope 2: Indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie, also zum Beispiel die Energie zur Strom- oder Wärmeversorgung. (Ausnahme: Wenn das Unternehmen selbst Energieerzeuger ist, dann zählen diese zu Scope 1)

Scope 3: Indirekte Emissionen, die auf Partnerunternehmen zurückzuführen sind oder außerhalb des Unternehmens ausgestoßen werden. Dabei wird die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt. 

Eine letzte Frage: Würden Sie heute noch raten, ein Unternehmen zu gründen?
Auf jeden Fall, immer. Die Zeiten sind immer herausfordernd. Als ich mich 2003 selbstständig machte, da war Deutschland der kranke Mann Europas. Und wir haben uns in der Zeit selbstständig gemacht, weil es einfach auch neue Chancen gab. Und jetzt haben wir neue, herausfordernde Zeiten und es gibt neue Chancen, die man finden muss, suchen muss und nutzen muss. Das ist die Aufgabe von Unternehmern. Die Zeiten sind, wie sie sind. Man muss sich durchkämpfen. 

Rubriklistenbild: © fritz-kola

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