Vor allem wegen China
Experte geht mit VW, BMW und Mercedes hart ins Gericht - „arrogante deutsche Autohersteller“
Über Jahre haben VW, BMW und Mercedes dank China satte Gewinne eingefahren. Doch diese Zeiten sind vorbei. Ein Wirtschaftsexperte macht den Autobauern schwere Vorwürfe.
Brüssel/München - Der Wind hat sich gedreht: Nachdem speziell deutsche Autobauer über Jahre hinweg auf dem boomenden Automarkt China prächtig verdient haben, sind die Vorzeichen mittlerweile anders: Elektromobilität und der technologische Quantensprung chinesischer Hersteller haben dafür gesorgt, dass die Verkaufszahlen von VW, BMW und Mercedes im Reich der Mitte stagnieren bzw. nach unten gehen. Damit neigen sich jene Zeiten dem Ende entgegen, als man sich dort eine goldene Nase verdiente.
Umgekehrt nehmen Anbieter aus der Volksrepublik die hiesigen Märkte ins Visier. Die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sorgte diesbezüglich für Aufsehen, als sie nun die Öffentlichkeit über die Untersuchung von möglicherweise unzulässigen Subventionen für chinesische Autobauer unterrichtete. Dass sich diese auch westliche Autobauer wie BMW oder Tesla richten könnten, ist eine Sache. Die andere, dass deutsche Konzerne, zu denen neben den Münchnern auch VW und Mercedes gehören, eine gehörige Mitschuld an der angespannten wirtschaftlichen Lage haben. Diese Meinung vertritt William Todts, Geschäftsführer der NGO Transport and Environment (T&E).
Deutsche Hersteller und die Gefahr aus China: „VW und Co. investieren zu wenig“
Die Organisation setzt sich für nachhaltigen Verkehr in Europa ein und die zügige Abkehr von Autos mit Verbrennermotor. Todts gilt als harter Gegenspieler der Autoindustrie, dessen Vereinigung (zu der mitunter der Verkehrsclub Deutschland gehört) sich für CO₂-freien Autoverkehr und E-Mobilität starkmacht. Der Belgier kritisiert die Gewinnsucht deutscher Hersteller und bezichtigt sie einer falschen Prioritätensetzung im Hinblick auf Entwicklung und Innovationen.
Statt Geld in modernere und umweltfreundlichere Antriebstechnologien zu investieren, hätten die ihre „Rekordgewinne“ lieber in Lobbyarbeit, Dividenden und Aktienrückkäufe gesteckt. Das Mutterland des Automobils habe sich zu lange auf den Lorbeeren ausgeruht, während die Konkurrenz aus Asien innovationsfreudig zu Werke ging: „Während chinesische Automobilhersteller Innovationen hervorbrachten, die Kosten senkten und zum Aufbau einer Weltklasse-Batterieindustrie beitrugen, erzielten deutsche Hersteller und deren Zulieferer Rekordgewinne, betrogen und hielten sich dann widerwillig an die Umweltgesetze.“
Selbst jüngst auf der IAA habe sich BMW-Chef Oliver Zipse für den Erhalt des Verbrennermotors starkgemacht und das „Null-Emissionen-Ziel“ der EU ab 2035 infrage gestellt. Dabei darf aus wirtschaftlicher Sicht angezweifelt werden, dass für deutsche Autobauer die sofortige Abkehr von Benzinern und Diesel - also deren Kernkompetenz - ratsam wäre. Auch „E-Fuel“-Ambitionen sind dem Verantwortlichen von T&E ein Dorn im Auge. Stattdessen sollten Volkswagen und Co. lieber bei E-Mobilität nachlegen: „EU-Automobilhersteller investieren im Vergleich zu Tesla und den Chinesen zu wenig“, so seine Meinung.
Aus dem Hause BMW kam kürzlich jedoch eine Meldung, dass E-Autos von MINI künftig in Europa statt China produziert werden.
Handelsstreit zwischen EU und China: „Verdient eine arrogante Branche Schutz?“
Der Belgier warnt, dass mögliche Zölle auf chinesische Importe aufgrund der EU-Untersuchungen eine „Reihe von Eskalationen und Vergeltungsmaßnahmen“ erzeugen könnten. Dies habe das Potenzial, die Handels- und Industriepolitik der EU grundlegend zu verändern. „Verdient eine arrogante und kurzsichtige Branche Schutz?“, fragt Todts und wirft deutschen Autobauern vor, dass man nach wie vor hauptsächlich an den Verkauf von SUV mit Verbrennermotor denke. Ihm zufolge gehe es jedoch um weit mehr als nur die Konkurrenzfähigkeit gegenüber China.
Im Zuge der angespannten geopolitischen Lage sei wichtig, dass die europäische Wirtschaft nicht nur vor der Konkurrenz aus China geschützt werden müsse, sondern auch aus den USA: Es sei unglaubwürdig, China unfaire Subventionen vorzuwerfen, den US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) jedoch zu ignorieren. Und dieser hat in den vergangenen Monaten bereits für massive Investitionen auch deutscher Konzerne in den Vereinigten Staaten gesorgt, dem Land damit zu einem enormen Konjunkturaufschwung verholfen.
Dennoch müsse man sich auch vor China in Acht nehmen: Die Volksrepublik sei laut Todts eine „Orwellsche Diktatur“ und beabsichtige, den Westen als weltweit führende Wirtschafts- und Technologiemacht abzulösen. „Wir müssen eine Zukunft vermeiden, in der alle unsere Kathoden, Batteriezellen und Elektroautos in China hergestellt werden und Hunderttausende Arbeitsplätze in Europa verloren gehen“, so der Experte.
VW, Mercedes und BMW in China: „Erfolgsbilanz, zu wenig zu spät zu tun“
William Todts fordert mehr Eigenständigkeit von Europa und hat daher für die Vorgehensweise von der Leyens Lob parat. Die Untersuchungen würden jene Versäumnisse aufarbeiten, welche sich deutsche Autobauer in China auch aufgrund ihres Shareholder-Systems geleistet hätten. Strafzölle würden ausländische Autobauer wie Tesla, Nio oder BYD nicht davon abhalten, nach Europa zu kommen. Vielmehr müssten Entscheidungsträger in Wirtschaft und Politik verstärkt die heimische Entwicklung und auch Produktion von E-Autos ankurbeln.
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„Die europäische Automobilindustrie hat eine jahrzehntelange Erfolgsbilanz darin, zu wenig zu spät zu tun. Automobilmanager können den gordischen Knoten, den sie durch ihre Abhängigkeit von China geschaffen haben, nicht lösen“, lautet seine These. Stattdessen sei Todts zufolge die 2023 beschlossene Neuregelung der CO₂-Flottengrenzwerte eine „perfekte Gelegenheit“, die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Europa deutlich anzukurbeln. Dies sei eine Steilvorlage für hiesige Hersteller, den Fokus auf E-Autos zu richten, flankiert von protektionistischen Maßnahmen der Politik. (PF)