Baukrise und Wohnungsnot
Keine Förderungen für Neubau mehr: Ampel verspielt „das letzte Quäntchen Vertrauen“
Die Baubranche erlebt gerade ein Déjà-vu: Von jetzt auf dann stoppt das Bauministerium die Förderung für Klimafreundlichen Neubau. Die Mittel seien ausgeschöpft. Die Branche tobt.
Berlin – Das Bundesbauministerium hat überraschend das sofortige Ende des Förderprogramms „Klimafreundlicher Neubau“ (KFN) angekündigt. Bereits ab Donnerstag (14. Dezember) „können aufgrund der ausgeschöpften Mittel keine neuen Anträge für das KFN-Programm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau gestellt werden“, teilte das Ministerium mit. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) erklärte, neue Anträge könnten gestellt werden, „sobald der Bundeshaushalt 2024 in Kraft tritt“. Das wird voraussichtlich im Februar 2024 sein. Bis dahin steht es also still.
Klimafreundlicher Neubau: Fördermittel komplett ausgeschöpft
Das Zinsverbilligungsprogramm KFN war im März gestartet. Zusammen mit dem im Juni gestarteten Programm „Wohneigentum für Familien“ (WEF) standen 1,98 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung. Ende November hatte es noch geheißen, dass trotz der weitgehenden Haushaltssperre nach dem Verfassungsurteil zur Aufstockung des Klima- und Transformationsfonds genug Mittel für die Neubauförderung zur Verfügung stünden. „Die Neubauförderung in diesem Jahr ist gesichert“, sagte Geywitz erst vor drei Wochen.
Am Donnerstag erklärte die Ministerin nun, die Nachfrage habe „unsere Erwartungen noch übertroffen“. Bis Mittwoch seien mehr als 18.000 Förderzusagen erteilt und damit rund 46.000 klimafreundliche Wohneinheiten gefördert worden. Das Bauministerium erklärte, für das WEF-Programm könnten weiter Anträge eingereicht werden.
Damit muss die kriselnde Bauwirtschaft schon zum zweiten Mal innerhalb dieser Legislaturperiode erleben, wie Förderungen plötzlich und ohne Vorwarnung auf Eis gelegt werden. So hatte die Ampel-Koalition im Herbst 2021 entschieden, dass das beliebte Förderprogramm KfW 55 im Januar 2022 auslaufen würde. Für die Bauwirtschaft kam die Entscheidung wie aus dem Nichts, und damit ging viel Vertrauen verloren.
„Das letzte Quäntchen Vertrauen verspielt“: Baubranche sauer
Entsprechend reagiert nun auch die Bauwirtschaft auf die neue Ankündigung. Peter Hübner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie, erklärte, die Regierung beweise mit dem Aussetzen der Neubauförderung, „dass sie aus den Fehlern des dramatischen Förderstopps des letzten Jahres nichts gelernt hat“. Die große Nachfrage zum Jahresende sei kein Erfolg, sondern zeige „die große Unsicherheit am Markt“, argumentierte Hübner. „Niemand weiß, wie es weitergeht und jeder versucht, sich die letzten Reste zu sichern.“
Der hessische Baupräsident Thomas Reimann reagiert auf Nachfrage ebenfalls empört: „Ist jetzt das letzte Quäntchen Vertrauen verspielt?“, sagt er zu Ippen.Media. Neben dem Förder-Stopp sind auch andere von der Politik zur Belebung der Baubranche beschlossenen Maßnahmen noch immer nicht umgesetzt. So wurde das Wachstumschancengesetz der Ampel im Bundesrat blockiert – die steuerlichen Entlastungen für die Baubranche hängen also fest. „Und nun auch noch die gestrige Entscheidung für das Aus für einen großen Teil der beim Baugipfel beschlossenen Ausweitungen im BEG [Bundesförderung für effiziente Gebäude, also die Förderprogramme für Sanierungen und Heizungstausch, Anm. d. Red]. Das bedeutet, den Geschwindigkeitsbonus gibt es nicht mehr, die Sanierungsförderung ist gestrichen und es kommt nun das Förderende zum klimafreundlichen Neubau“, listet Reimann auf.
„Diese Entscheidungen sorgen bei Investoren nicht für die seit Monaten eingeforderte Verlässlichkeit. Ich bin mir inzwischen nicht mehr sicher, ob man uns in Berlin noch hören möchte, ob man uns mit unseren vernünftigen Empfehlungen überhaupt noch versteht“, sagt der Baupräsident weiter.
Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) zeigte sich „bestürzt“ über den Antragstopp „über Nacht“. Dieser treffe viele Unternehmen in einer „ohnehin schon wirtschaftlich herausfordernden Lage“, erklärte BFW-Präsident Dirk Salewski und sprach von einem „Vertrauensverlust in die Politik“. Der Wohnungsmangel werde nun weiter anwachsen, prophezeit Salewski. Auch der Zentralverband Deutsches Baugewerbe zeigte sich „völlig überrascht“ von dem KFN-Förderstopp. Er erwarte, dass mit dem Haushalt 2024 wieder Anträge gestellt werden können, erklärte Hauptgeschäftsführer Felix Pakleppa. Er warnte vor einem „Förderchaos“, das zu weniger Neubauten führen würde.
Auch die Opposition reagierte am Donnerstag mit harscher Kritik auf die Förderstopp-Ankündigung. Der baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jan-Marco Luczak, sprach von der größten Wohnungsbaukrise in Deutschland seit Jahrzehnten. „Aber anstatt entschlossen gegenzusteuern und die Abwärtsspirale zu durchbrechen, streitet die Ampel und verschleppt wichtige Entscheidungen, um das Bauen schneller und kostengünstiger zu machen. Nun kippt auch noch die Förderung für den klimafreundlichen Neubau.“ Das sei ein Schlag ins Gesicht der Unternehmen und privaten Bauherren.
Mit Material von AFP und dpa
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