Kartellamt öffnet Verfahren
Fernwärme-Kunden müssen tausende Euro nachzahlen: Reagiert die Politik?
Die Fernwärme soll eine wichtige Komponente auf dem Weg zur klimaneutralen Energieversorgung sein. Doch wie die Preise zusammengesetzt werden, ist ein ziemliches Mysterium.
Berlin – Die Fernwärme ist ein Hoffnungsträger der Wärmewende. Mit ihr besteht die Möglichkeit, tausende Haushalte mit klimafreundlicher Energie zu versorgen. Zwar ist die Erstellung des Wärmenetzes nicht ohne: Es müssen riesige Rohre unter der jeweiligen Siedlung vom Kraftwerk zu den einzelnen Haushalten gelegt werden, ein gigantisches Infrastrukturprojekt. Doch das Investment - sowohl finanziell als auch zeitlich - kann sich lohnen, wenn es dazu führt, dass Millionen Gas- und Ölheizungen abgeschaltet werden. Zumindest perspektivisch, aktuell werden noch viele Fernwärmekunden mit Energie aus Gaskraftwerken versorgt.
Allerdings hat die Fernwärme einen großen Nachteil, den Kunden aktuell besonders hart zu spüren bekommen: der Preis. In zahlreichen Medienberichten kann man derzeit von exorbitanten Nachzahlungen lesen, tausende Euro werden Fernwärmekunden in Rechnung gestellt. Wie der Preis zustande kommt, ist dabei nicht immer klar. Denn auch Kunden von Fernwärmeversorgern, die kein Gas verwenden, erhalten krasse Rechnungen. Da wird auch das Bundeskartellamt stutzig.
Natürliches Monopol der Fernwärmeversorger
Schon seit Jahren warnen Verbraucherschutzzentralen vor diesem großen Problem. Das Monopol der Energieunternehmen wird nämlich kaum reguliert.
Bei der Fernwärme handelt es sich um ein sogenanntes „natürliches Monopol“. Damit ist gemeint: Es gibt innerhalb einer Postleitzahl, wenn überhaupt, dann nur einen einzigen Anbieter für Fernwärme. Mehrere Netze zu bauen, wäre auch völlig unrealistisch und unwirtschaftlich. Doch das natürliche Monopol führt selbstverständlich dazu, dass es keinen Wettbewerb gibt, die Kunden können bei einer Erhöhung der Preise nicht zu einem günstigeren Anbieter wechseln. Sie sind, so beschreiben es Verbraucherschützende, „gefangene Kunden“. Es ist daher auch nicht unüblich, dass Verträge mit sehr lange Laufzeiten vereinbart werden, zum Beispiel über zehn Jahre.
Schon seit mindestens 2016 kritisieren Verbraucherzentrale, Deutscher Mieterbund und der Bundesverband Neue Energiewirtschaft genau diesen Umstand. Die Preise der Fernwärmeversorger müssten besser reguliert werden, um Verbraucher und Verbraucherinnen zu schützen. Zudem fordern sie, ebenfalls schon seit mindestens 2016, dass die Zusammenstellung der Preise im Internet abrufbar und nachvollziehbar aufbereitet werden. Seitdem sie ihre Forderung äußerten, hat sich politisch jedoch nichts getan.
Bundeskartellamt ermittelt gegen Energieversorger
Stattdessen ist das eingetreten, wovor die Verbraucherzentralen gewarnt haben: Die Energiekrise hat zu deutlich höheren Preisen geführt, über alle Energieträger hinweg. Es ist aber für Fernwärmekunden überhaupt nicht nachvollziehbar, wie die neuen, sehr hohen Preise zustande kommen. Und auch das Bundeskartellamt ist hellhörig geworden: Im November 2023 schrieb das Amt, dass es „Verfahren gegen insgesamt sechs Stadtwerke und Fernwärmeversorger wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von Januar 2021 bis September 2023 eröffnet.“
Weiter heißt es vonseiten des Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt: „Die Fernwärmepreise müssen sich an der Entwicklung der tatsächlichen Kosten der Versorger und der allgemeinen Preisentwicklung in der Wärmeversorgung orientieren. Es wirft zum Beispiel Fragen auf, wenn ein Unternehmen den Fernwärmepreis an die Entwicklung des Gaspreises angepasst hat, obwohl tatsächlich auch andere günstigere Alternativen für die Wärmeerzeugung verwendet wurden.“
Habeck prüft Anpassung der Fernwärmeverordnung - ein Balanceakt
Die Politik könnte aber, so berichtet es der Spiegel, jetzt aktiv werden. So hat das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) auf Anfrage bestätigt, dass man „zum Schutz von Kunden und Kundinnen“ über eine Anpassung der Fernwärmeverordnung nachdenke. Könnte also das, was Verbraucherschützer seit Jahren fordern, jetzt endlich eintreten? Vielleicht – viel konkrete Anhaltspunkte dafür gibt es aber nicht. Zwar sind sich die Ampel-Fraktionen dem Spiegel zufolge im Grunde darüber einig, dass sich die Transparenz verbessern müsse. Schließlich muss man die Kunden bei der Stange halten, damit sie sich auch für die Fernwärme und gegen den Einbau einer neuen Gas-Heizung entscheiden.
Gleichzeitig ist den Politikern und Politikerinnen auch bewusst, dass sie die Fernwärme für Energieunternehmen weiterhin attraktiv halten müssen – schließlich sollen sie nach Wünschen der Regierung in den kommenden Jahren massiv in den Bau weiterer Fernwärmenetze investieren. Das wird viel Geld kosten. Geld, das irgendwo herkommen muss. Die Investitionen müssen sich am Ende für die Versorger rechnen. Für die Politik ist es also ein Balance-Akt.
Kunden hingegen können darauf hoffen, dass der Preis zumindest kurzfristig wieder sinkt. Die aktuell ankommenden Rechnungen sind zumeist aus dem Jahr 2022, bevor es die Preisbremse für Fernwärme gab. Die nächste Rechnung dürfte also niedriger ausfallen.
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