Neue Analyse zur Energiewende
Experten schlagen „Supernetz“ vor – Platzmangel für die Energiewende
Mehr Raum für Wind- und Solarenergie ist in Deutschland nötig. Das geht aus einer frischen Studie hervor. Allerdings existiert eine mögliche Lösung auf europäischer Ebene.
Berlin – Deutschland braucht mehr Land für Wind- und Solarkraft. Zu dem Schluss kam eine neue Analyse des European Environmental Bureau (EEB), die offenlegt, wie viel Platz die europäischen Länder tatsächlich für den Ausbau der erneuerbaren Energien haben. Europa als Ganzes hat durchaus genug verfügbare Fläche übrig – auch das zeigte die Studie – und zwar mehr als genug. Allerdings gibt es einige Länder, bei denen es eng wird.
Europa hat genug Platz für Windkraft – herrscht in Deutschland Platzmangel?
Konkret würden 2,2 Prozent der gesamten Fläche der EU-Länder ausreichen. Diese Fläche müssten die Staaten mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen bebauen, um den Kontinent bis 2040 erfolgreich zu dekarbonisieren. Ein weiteres Schlüsselergebnis: insgesamt hatte das Joint Research Center (JRC) ermittelt, dass 5,2 Prozent der EU-Fläche für den Ausbau von Wind- und Solarkraftanlagen geeignet seien. Die meiste verfügbare Fläche liegt in ländlichen Gegenden – in den Städten reicht der Platz dagegen nicht aus, um etwa die notwendigen Solaranlagen zu bauen.
„Wir gehen davon aus, dass bis 2030 rund 2,8 Prozent der Gesamtfläche Deutschlands erforderlich sind, um die Kapazitätsziele zu erreichen“, gab das EEB dazu an. Bis 2040 müssten es 4,4 Prozent sein. „Diese Zahlen sind signifikant höher als der EU-Schnitt.“ Außerdem würde die spezifische regulatorische und räumliche Planung Deutschland vor „Herausforderungen“ stellen. Besonders die enormen landwirtschaftlich genutzten Flächen Deutschlands (rund 60 Prozent) und die geschützten Flächen (15,44 Prozent) blockieren dabei jede Menge Platz. Dazu kommen weitere zwei Prozent, die künftig zum Naturschutz benötigt werden.
„Supernetz“ für Photovoltaik und Windkraft – Wie Rumänien die Energiewende retten könnte
Insgesamt rechnete der JRC damit, dass Deutschland eine Fläche von 0,66 Prozent für Onshore-Windkraft aufwenden kann, 0,62 Prozent für bodenmontierte Solarkraftanlagen und noch einmal 0,43 Prozent für Solarmodule auf Hausdächern. „Vergleicht man den Flächenbedarf von Erneuerbare-Energien-Anlagen mit den verfügbaren geeigneten Flächen, so stößt man in Deutschland auf Platzbeschränkungen für Onshore-Windparks“, erklärte das EEB. Es stehe genügend geeignetes Land für die benötigte Solar-PV-Kapazität, aber der Flächenbedarf für Onshore-Windkraftanlagen übersteigt die als geeignet markierte Fläche.
Eine Lösung für dieses Problem präsentiert die Studie ebenfalls: Solidarität zwischen den europäischen Ländern. Deutschland ist mit seinem Platzmangel keineswegs allein – auch Italien findet nicht genügend geeignetes Land für den Bedarf an erneuerbarer Energie. Die Lösung könnte ein „Supernetz“ sein, durch das Länder wie Spanien und Rumänien, die einen Überschuss an verfügbarem Land hätten, die Defizite in Deutschland und Italien ausgleichen würden. „Ein Supernetz wird von entscheidender Bedeutung sein, um 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen“, hielten die Studienautoren fest.
Zubau von Windkraft-Anlagen stockt – „Geschwindigkeit muss sich verzwanzigfachen“
Dass Deutschland bei der Windkraft hinterherhinkt, ist kein Geheimnis. Schon im Frühjahr hatte die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) der Ampel-Koalition ein denkbar schlechtes Zeugnis ausgestellt, was den Ausbau von Windkraft angeht. Jährlich peilt die Bundesregierung bei der Windkraft einen Zubau von zwölf Gigawatt an – pro Jahr schafft Deutschland aktuell 3,4 Gigawatt. Vor allem Bayern hat sich hier in den vergangenen Jahren als Bremsklotz herausgestellt. Stellenweise werden hier mehr Windkraftanlagen ab- als zugebaut.
„In Bayern muss sich die Geschwindigkeit beim Ausbau der Windenergie verzwanzigfachen“, erklärte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt dazu. Die Ziele der Bundesregierung stehen fest: Bis 2030 sollen Windkraftanlagen rund 115 Gigawatt an installierter Leistung beitragen. Im ersten Halbjahr ist der Ausbau bei der Windenergie ein wenig ins Stocken geraten. Zahlen des Bundesverbands Windenergie (BWE) zufolge verließen mehr Windräder das Netz als neue hinzukamen. Bundesweit entstanden 250 neue Windräder – 19 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
„Und es wäre dunkel“ – Risiken bei der Windkraft und Subventionen aus China
Allerdings gibt es auch abseits der Genehmigungen hohe Risiken für die deutsche Windkraft. „Der chinesische Staat subventioniert seine Firmen extrem“, hatte Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE) gegenüber n-tv gewarnt. „Das ist kein fairer Wettbewerb. Dagegen kommen europäische Windhersteller nicht an.“ In der Solarbranche hatten Hersteller schon die Produktion einschränken oder gar einstellen müssen, weil der Preisdruck aus Asien sie quasi erwürgt hatte. Europa müsse verhindern, dass dasselbe mit der Windkraft passiere.
Noch mehr Chaos könne China jedoch auslösen, wenn zu viele Windturbinen aus chinesischer Herstellung in Deutschland stünden. Potenziell hat jeder Hersteller Zugriff auf seine Windenergieanlagen. „Diesen Zugriff müssen Hersteller auch haben, denn die Anlage muss gewartet oder bei einem Engpass oder Störung abgeriegelt werden.“ Theoretisch könnte China bei einem Überangebot an Anlagen aus dem Reich der Mitte „roten Knopf drücken und es wäre dunkel“. Heidebroek hatte Mechanismen verlangt, um eine chinesische Dominanz in Europa zu verhindern.