Industriestrategie
Habeck will Arbeit im Alter stärker belohnen – mit Prämien von über 9.000 Euro
Wirtschaftsminister Habeck will die schwächelnde deutsche Industrie mit massiven Hilfen stärken. Auch Anreize fürs Arbeiten im Alter sind vorgesehen – mit mehreren tausend Euro im Jahr.
Berlin – Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will die deutsche Industrie aufpäppeln – und hat dafür massive Hilfen in Aussicht gestellt. Der Grünen-Politiker präsentierte diese Woche eine 60-seitige Industriestrategie, die allerdings nicht mit den Koalitionspartnern SPD und FDP abgestimmt ist. Dabei ging es in dem Papier auch um Arbeit im Alter.
Habecks Industriestrategie: „Wir tun aus meiner Sicht noch nicht genug“
Habeck sagte in Berlin, die allermeisten Pläne seiner Industriestrategie seien schon in Umsetzung oder in der Ampel unstrittig. Differenzen gibt es aber weiterhin bei der von Habeck geplanten Subventionierung des Strompreises für besonders energieintensive Industriebetriebe sowie Investitionen über die Schuldenbremse hinaus. Die Industrie reagierte überwiegend positiv auf das Papier, mahnte aber eine schnelle Umsetzung an.
Schon im vergangenen Herbst hatte der Wirtschaftsminister ein Jahr der Industriepolitik ausgerufen. Das zeigte sich bisher vor allem in Milliardenförderungen für Chipfabriken. Jetzt unterlegt der Grünen-Politiker das Ganze strategisch. Die Analyse: Die deutsche Wirtschaft habe eine gute Struktur, aber aktuell schlechte Bedingungen. „Wir tun aus meiner Sicht noch nicht genug“, sagte Habeck.
Später in Rente? Habeck will stärkere Anreize fürs Arbeiten im Alter setzen
Neben zahlreichen Maßnahmen für bessere Standortbedingungen nimmt der Wirtschaftsminister ein weiteres gravierendes Problem in den Blick, mit dem sich die deutsche Wirtschaft in den kommenden Jahren auseinandersetzen muss: den Fachkräftemangel. Die Arbeitskräftelücke drohe bis zum Ende des Jahrzehnts zu dem Wachstumsproblem für Deutschland zu werden, warnt Habeck.
Abhilfe schaffen sollen Senioren und Seniorinnen: „Gerade auf das Wissen, Können und die Erfahrung von älteren Menschen sollten wir nicht verzichten“, steht in dem Papier des Wirtschaftsministers. Er plädiert deshalb für gezielte Anreize: Wer übers Rentenalter hinaus im Job bleibe, könne etwa den Arbeitgeberbeitrag zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung direkt ausbezahlt bekommen. „Alternativ dazu wäre ein steuerlicher Freibetrag für sozialversicherungspflichtige Beschäftigte oberhalb der Regelaltersgrenze denkbar“, heißt es in der Strategie.
Rechenbeispiele zeigen: So viel Geld würden Beschäftigte im Alter erhalten
Was würde das in der Praxis bedeuten? Zwar müssen Menschen, die nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeiten, auch jetzt schon keine Beträge in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung mehr einzahlen – allerdings haben die Arbeitgeber weiter ihren Anteil an die Sozialkassen zu zahlen. Mit Habecks Vorschlag würde der Arbeitgeberanteil stattdessen an die betroffenen arbeitenden Senioren ausgezahlt.
Doch wie viel Geld wäre das? Der Arbeitgeberanteil beträgt momentan vom jeweiligen Bruttoeinkommen 9,3 Prozent für die Rentenversicherung und 1,3 Prozent für die Arbeitslosenversicherung – also insgesamt 10.6 Prozent. Dazu gibt es eine Bemessungsgrenze für die Beiträge, die bei 7300 Euro im Westen und 7100 Euro im Osten liegt.
Wenn wie bei Habecks Vorschlag dann 10,6 Prozent nicht mehr vom Arbeitgeber an die Sozialkassen abgeführt, sondern an die älteren Beschäftigten ausgezahlt würden, sind dabei für Spitzenverdienende unter Berücksichtigung der Bemessungsgrenze im Monat etwa 773,80 Euro im Westen und 752,60 Euro im Osten drin. Aufs Jahr gerechnet sind das etwa 9285,60 Euro bzw. 9031,20 Euro zusätzlich.
Aber auch für Durchschnittsverdiener kommt ordentlich Geld zusammen. So ergab sich laut Handelsblatt im Gehaltsreport für 2023 ein Medianeinkommen von knapp 44.000 Euro für ganz Deutschland, also ein Monatsgehalt von etwa 3667 Euro. Wer damit übers Eintrittsalter in die Rente hinausarbeitet, würde dann laut Habecks Vorschlag etwa 389 Euro im Monat und 4664 Euro im Jahr erhalten.
Industriestrategie von Habeck: Entscheidung der Regierung noch offen
Ob dieser Vorschlag allerdings so umgesetzt wird, ist noch unklar. Einige von Habecks Thesen im Strategiepapier könnten absehbar für neuen Stress in der Ampel-Koalition sorgen. Es gebe Punkte, in denen seien sich die Akteure noch nicht einig, räumte der Minister ein. Das betreffe auch die finanziellen Möglichkeiten. Klar, denn die Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP. Lindner pocht darauf, sie in den nächsten Haushalten wieder einzuhalten.
Die Strategie sei jedoch nicht gegen jemanden gerichtet, sondern solle die Konflikte noch einmal herausarbeiten, sagte Habeck. Der Industrie gehe es schlecht, da „sollte man nicht nur beschreibend klagen, sondern auch die politischen Entscheidungen treffen.“ Wann die Bundesregierung eine Entscheidung über seine Industriestrategie treffe, sei jedoch offen.
Mit Material von Reuters und der dpa