Billig-Produkte fluten EU-Markt
EU-Zölle gegen Russland-Produkte – gezielte Maßnahmen gegen Putins Wirtschaft
Die EU will russische Düngemittel-Importe höher verzollen. Branchenverbände haben bereits davor gewarnt. Was bedeutet das für den Markt?
Brüssel – Russland verdient durch Exporte nach Europa immer noch Millionen. Einerseits reagiert die EU darauf mit verschärften Sanktionen, andererseits mit Strafzöllen. Erst in der Woche vom 19. Mai legte die EU neue Sanktionen fest, die unter anderem die russische Schattenflotte und den Finanzsektor betrafen. Nur wenige Tage später könnten drastische Zollerhöhungen folgen.
EU-Parlament entscheidet über höhere Zölle – und könnte Stickstoff-Düngemittel verteuern
Am Donnerstag (22. Mai) will das Europaparlament über die Einführung von Zöllen auf russische und weißrussische Düngemittel abstimmen. Dabei entscheiden die Abgeordneten über einen Vorschlag der EU-Kommission, Strafzölle auf stickstoffbasierte Düngemittel und weitere Agrarprodukte zu erheben. Das Ziel dieser Zölle ist es, die Einnahmen für Russlands Wirtschaft zu mindern, so gut es nur geht.
Derzeit importiert die EU erhebliche Mengen Düngemittel aus Russland. Allein im Jahr 2024 soll rund ein Viertel der Einfuhren der betroffenen stickstoffbasierten Düngemittel aus Russland gekommen sein. Das entsprach einer Menge von etwa 6,2 Millionen Tonnen. Vonseiten der Landwirtschaft kam bereits Kritik: Der europäische Bauernverband Copa-Cogeca hatte dazu gesagt, die europäische Produktion könne die so wegfallenden Einfuhren nicht kompensieren.
„Wir werden überschwemmt“ – Russland flutet EU-Markt mit Düngemitteln
Diese Düngemittel bergen jedoch – neben dem Umstand, dass ihr Verkauf Millionen in die Kriegskasse des Kremls spült – zwei besondere Risiken. Eines davon betrifft auch die europäischen Hersteller. Zwar gibt Copa-Cogeca an, ohne die Importe nicht auszukommen, allerdings haben sich die europäischen Düngemittelerzeuger bereits über die zu niedrigen Preise der russischen Ware beschwert. „Wir werden derzeit von Düngemitteln aus Russland überschwemmt, die wesentlich billiger sind als unsere Düngemittel“, zitierte die Financial Times Petr Cingr, Geschäftsführer der SKW Stickstoffwerke Piesteritz.
Warum? Hier kommt der russische Gas-Stopp ins Spiel. Im Vergleich zu europäischen Herstellern zahlen die Russen „Peanuts“ für Erdgas. Cingr warnte mit drastischen Worten: Sollte die Politik nicht handeln, könnte Europas Produktionskapazität verschwinden. SKW Piesteritz gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Herstellern von Stickstoff-Düngemitteln in Europa.
Sprengstoff über Düngemittel-Firmen? – Wie Russland Sanktionslücken nutzt
Das zweite besondere Risiko betrifft die Einkäufe von nicht sanktionierten russischen Düngemittel-Firmen. Laut Informationen des Nachrichtenportals Bloomberg hat ein russischer Sprengstoffhersteller diese Sanktionsfreiheit genutzt, um Chemikalien von in Europa liegenden Düngemittel-Firmen zu kaufen. Die bestellten Chemikalien sollen unter anderem bei der Herstellung von Dynamit und Schießpulver zum Einsatz kommen – und bei anderen Sprengstoffen, die Russland im Ukraine-Krieg benutzt.
Letzteres Risiko lässt sich mit den höheren Zöllen, die der Europa-Rat nun entscheiden könnte, zwar nicht verhindern. Dafür aber könnten russische Düngemittel um einiges teurer werden, was am Ende den heimischen Herstellern hilft.
Milliarden für die Kreml-Kasse – so viel Düngemittel exportiert Russland
Besonders wichtig sind die russischen Düngemittel für die USA. Wie das Observatory of Economic Complexity (OEC) mitteilte, beliefen sich die russischen Exporte von Stickstoff-Düngemittel in die USA auf 1,4 Milliarden Euro (2023). Dazu kamen Kalidünger (388 Millionen US-Dollar) und chemische Düngemittel (127 Millionen US-Dollar). Deutschland wiederum hatte für chemische Düngemittel aus Russland etwa 61,9 Millionen US-Dollar bezahlt und für Stickstoff-Düngemittel 193 Millionen Dollar (ebenfalls 2023).
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