Heute fällt die Entscheidung
EU-Zölle auf Chinas E-Autos: Scholz spricht Machtwort – und könnte Baerbock so bloßstellen
Heute entscheidet sich, ob die EU-Zölle auf Elektroautos aus China kommen. In der Ampel-Koalition ging es zu dem Thema bis zuletzt hoch her. Nun hat Bundeskanzler Scholz offenbar ein Machtwort gesprochen.
Brüssel – Deutsche Autobauer fürchten erhebliche Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell, während auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor wirtschaftlichen Schäden in Europa warnt. Der Hintergrund dieser Befürchtungen sind die geplanten EU-Zölle auf chinesische Elektroautos.
Chinas Einfluss auf den europäischen Elektroautomarkt wächst
Brüssel wirft China vor, seine Autobauer übermäßig zu subventionieren und ihnen so einen unfairen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Laut einer Untersuchung der EU-Kommission, die Präsidentin Ursula von der Leyen initiierte, werden die Weltmärkte zunehmend von günstigeren chinesischen Elektroautos „überschwemmt“.
Chinesische Hersteller wie BYD und SAIC haben ihren Marktanteil auf dem europäischen Elektroautomarkt in den letzten zwei Jahren auf etwa acht Prozent erhöht. Ein noch größerer Anteil entfällt auf Autos, die von BMW, Volvo oder Tesla in China gefertigt werden. Diese internationalen Autobauer arbeiten in der Regel über sogenannte Joint Ventures mit chinesischen Partnern zusammen, was ihre Abhängigkeit von China verdeutlicht.
EU sieht Wettbewerbsverzerrung
Wie Deutschlandfunk berichtet, geht die EU davon aus, dass China die gesamte Wertschöpfungskette bei der Produktion von Autobatterien und Elektroautos subventioniert. Dadurch können chinesische Hersteller ihre Fahrzeuge zu deutlich niedrigeren Preisen anbieten und sich auf dem Weltmarkt einen erheblichen Vorteil sichern.
Die EU sieht darin eine Verzerrung des Wettbewerbs und einen Verstoß gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO), die in solchen Fällen das Verhängen von Importzöllen gestatten.
Scholz spricht ein Machtwort – Deutschland könnte am Freitag gegen die Zölle stimmen
Aktuell sieht es danach aus, als würde Deutschland am heutigen Freitag (4. Oktober) in Brüssel gegen die EU-Strafzölle auf Elektroautos aus China stimmen. Aus Koalitionskreisen war zuletzt zu hören, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen wolle. Das heißt: Er nimmt das letzte Wort in Anspruch, das ihm als Kanzler zusteht.
Am Mittwoch noch hatten sich sowohl der Bundeswirtschaftsminister Habeck als auch Außenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) für die Zölle ausgesprochen – Finanzminister Christian Lindner (FDP) war dagegen. Wegen Unstimmigkeiten hatte sich Deutschland schon bei einer früheren Abstimmung enthalten. Der Bild zufolge brodelt es innerhalb der Ampel-Koalition: Scholz, Lindner und der Arbeitsminister Hubertus Heil sollen auch mit Baerbock aneinander geraten sein. Das Blatt berief sich dabei auf Regierungskreise.
Baerbock sei dafür gewesen, für die Strafzölle zu stimmen, um ein Zeichen gegen das chinesische Regime zu setzen und mehr Härte gegen das Land zu zeigen. Lindner soll demnach mit den Interessen der Industrie dagegen argumentiert haben. Ein Argument, das auch Kanzler Scholz stützt. Der Kanzler habe in den letzten Monaten mit deutschen Autobauern gesprochen, die allesamt die geplanten Strafzölle abgelehnt haben sollen. Die Befürchtung, Chinas Gegenmaßnahmen könnten sich vor allem gegen deutsche Luxusautos wenden, sei zu groß gewesen.
Welche Zölle werden eingeführt und ab wann gelten sie?
In ihrem letzten Vorschlag an die Mitgliedsländer passte die Kommission die Zollsätze laut einem Sprecher noch einmal leicht nach unten an. Der Höchstsatz liegt nun bei 35,3 Prozent - zusätzlich zum bisherigen Zollsatz von zehn Prozent. Das träfe etwa den chinesischen Hersteller SAIC. Für den Konzern Geely werden zusätzliche 18,8 Prozent fällig, für den Hersteller BYD ein günstigerer Zollaufschlag von 17 Prozent.
Autobauer wie BMW, Volkswagen und ihre chinesischen Joint-Venture-Partner müssen mit einem Aufschlag von 20,7 Prozent rechnen, wenn sie aus China in die EU exportieren. Der Hersteller Tesla handelte in Brüssel den niedrigsten Zollsatz von 7,8 Prozent aus. Betroffen sind jeweils nur ganze Fahrzeuge, nicht Einzelteile wie Batterien.
Fällig würden die Zölle ab dem 4. November, teilte der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), mit. Auch danach hält sich die Kommission die Möglichkeit für Gespräche mit Peking offen - bislang hatten die Verhandlungen aber keinen Erfolg.
Olaf Scholz: EU dürfe sich nicht „selbst schädigen“
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) kritisiert die Ausgleichszölle als ungeeignet, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Automobilindustrie zu stärken. Die von China gezahlten Subventionen seien zwar eine Herausforderung, die potenziellen Schäden durch die Zölle jedoch größer als ihr Nutzen.
Auch Christian Lindner verlangt, dass Deutschland deutlich gegen die Einführung der Zölle Stellung beziehen solle. „Im Zweifel wird der Bundeskanzler hier auch selbst eine klare Ansage machen müssen.“ Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte im Gespräch mit dem Handelsblatt, dass Deutschland die Autozölle „unbedingt ablehnen“ müsse.
Bundeskanzler Scholz hat sich ebenfalls wiederholt gegen die Strafzölle positioniert, Unterstützung bekommt er etwa aus Spanien und Ungarn. Noch am Mittwoch warnte er, die EU dürfe sich nicht „selbst schädigen“.
Unterschiedliche Positionen innerhalb der EU
Während Deutschland, Spanien und Ungarn die Zölle ablehnen, unterstützen Länder wie Frankreich und Italien eine härtere Gangart gegenüber China. Ihre Autobauer sind weniger in China vertreten und sehen in den Zöllen eine Chance, die europäische Industrie zu schützen. Angesichts dieser Meinungsverschiedenheiten ist es jedoch unwahrscheinlich, dass die EU-Länder die Zölle noch stoppen werden.
Chinas Reaktion: Strafzölle auf europäische Lebensmittel
China hat bereits im August auf die geplanten EU-Zölle reagiert und den Streit vor die Welthandelsorganisation (WTO) gebracht. Zudem droht Peking mit eigenen Strafzöllen auf europäische Produkte wie Milch und Schweinefleisch. Auch Brüssel hat angekündigt, den WTO-Streit zu eskalieren, falls Peking Vergeltungsmaßnahmen ergreift.
Experten erwarten jedoch, dass China angesichts seiner schwächelnden Wirtschaft vorsichtig agieren wird. Dennoch wird ein gewisser Vergeltungsschlag als sicher angesehen. Mit Material von AFP.
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