Befragung unter Reinigungskräften
Keine Lust auf Arbeit wegen Bürgergeld-Erhöhung? Umfrage lässt aufhorchen
Ab kommenden Jahr wird das Bürgergeld kräftig erhöht, aber der Mindestlohn steigt kaum. Eine Umfrage legt nahe, dass Menschen im Niedriglohnsektor durchaus überlegen, ob sich dann Arbeit noch lohnt.
Berlin – Das Bürgergeld wird im kommenden Jahr um zwölf Prozent erhöht. Für allein lebende Erwachsene bedeutet dies 61 Euro mehr im Monat, ihr Regelsatz beträgt dann insgesamt 563 Euro. Der Mindestlohn steigt dagegen im kommenden Jahr nur von zwölf Euro auf 12,41 Euro. Arbeitgeber-Verbände fürchten deshalb darum, dass Menschen im Niedriglohnsektor dann lieber Bürgergeld beziehen, als Geld zu verdienen.
So nannte der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, erst vor kurzem die Bürgergeld-Erhöhung in der Bild am Sonntag einen „kapitalen Fehler“: „Je nach individueller Situation kann es sich in der Metall- und Elektroindustrie beispielsweise dann in den zwei unteren Gehaltsstufen nicht mehr lohnen, jeden Tag arbeiten zu gehen. Der Abstand zum Bürgergeld, ohne arbeiten zu müssen, ist dann einfach zu gering“, so Wolf.
Umfrage: Reinigungsfirmen machen sich Sorgen wegen Bürgergeld
Eine neue Umfrage zeigt, dass die Befürchtung der Arbeitgeber-Verbände offenbar kein Hirngespinst ist: Der Bundesinnungsverband des Gebäudereinigerhandwerks (BIV) hat seine 2500 Mitgliedsunternehmen zum Thema befragt, die Ergebnisse liegen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vor. Mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Unternehmer haben demnach schon die Erfahrung gemacht, dass Beschäftigte kündigen und dies damit begründen, dass sie Bürgergeld beziehen können.
So hätten bereits bei 28,4 Prozent der Unternehmen „mehrere Beschäftigte mit konkretem Verweis auf das Bürgergeld gekündigt oder eine Kündigung in Aussicht gestellt“, zitiert die FAZ den Verband. Weitere 40 Prozent sprechen noch von Einzelfällen, bestätigten aber den Trend. Ein Drittel der teilnehmenden Unternehmen konnte eine solche Entwicklung demnach aber nicht bestätigen. Zudem gaben viele befragte Firmen an, große Sorgen zu haben, dass das Bürgergeld ein Konkurrent zu ihrem Lohnangebot sei.
Das deutsche Reinigungsgewerbe zählt laut FAZ 700.000 Beschäftigte, viele davon im Niedriglohnsektor: Beim Gehalt für Gebäudereiniger beträgt die Untergrenze für einfache Hilfskräfte 13 Euro und steigt zum 1. Januar 2024 auf 13,50 Euro. Fachkräfte sowie Beschäftigte in der Glas- und Fassadenreinigung erhalten einen höheren Stundenlohn.
Bürgergeld: Kühnert sieht Arbeitgeber bei Löhnen am Zug
Die Union kritisiert deshalb die Bürgergeld-Erhöhung. Diejenigen, die arbeiten, müssten am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche haben als diejenigen, die soziale Transferleistungen bekommen, argumentiert Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Kevin Kühnert, der Generalsekretär der SPD, sieht stattdessen die Arbeitgeber am Zug: „Ich finde, das kann nicht das letzte Wort sein – angesichts der aktuellen Situation“, sagte Kühnert kürzlich dem ARD-Mittagsmagazin. „Und ich fordere die Arbeitgeberverbände auf, dazu Stellung zu beziehen und sich zu äußern, warum sie Arbeit anbieten, von der man nicht leben kann.“
Der Generalsekretär der SPD verwies dabei auf die bereits zwei Millionen unbesetzten Stellen, die es inzwischen in Deutschland gebe. Sie seien das Ergebnis schlechter Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne. Arbeitnehmer würden deswegen zunehmend „das Weite suchen“, sagte Kühnert. „Ich glaube, Arbeitgeber müssen ein Eigeninteresse daran haben, Arbeitsbedingungen herzustellen – das ist nicht nur Lohn, aber eben auch -, die dazu geeignet sind, dass Beschäftigte ihrem Unternehmen auch treu bleiben.“ (Mit Material der dpa)