Ungeklärte Unfälle und Cyber-Attacken
„Erhöhte Gefährdung“ durch Russland – Verfassungsschutz warnt Wirtschaft vor Sabotage
Von Russland geht immer mehr Gefahr aus. Das gilt auch für deutsche Unternehmen und Behörden. Der Verfassungsschutz warnt vor Sabotage.
Berlin – Die russische Bedrohung ist auch in Deutschland und Europa bereits spürbar: Aktuell häufen sich Berichte über mögliche russische Sabotageakte in westlichen Industrienationen. Schon Anfang Juli 2024 hatten die Vereinigten Staaten ihre im Ausland liegenden Stützpunkte in Alarmbereitschaft versetzt; über den Juli hinweg tauchten dann Berichte von Brandstiftung und Attentaten auf. Jetzt hat sich der Verfassungsschutz eingeschaltet.
Verfassungsschutz spricht deutliche Warnung aus – vor russischer Sabotage
Im „Sicherheitshinweis für die Wirtschaft“ warnte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die deutsche Wirtschaft vor russischer Sabotage. Darin gehen die Experten von der Abteilung Wirtschaftsschutz von einer „erhöhten Gefährdung in Bezug auf Sabotageaktivitäten beziehungsweise entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland aus“. Das Amt benannte konkret Russland als Treiber dieser Entwicklung.
Deutschland sei verstärkt das Ziel von Cyberangriffen, durchgeführt von „prorussischen Hacktivismus-Gruppierungen auf Websites deutscher Behörden und Unternehmen“, erklärte das BfV. Für Brandstiftung verlasse sich Russland auf sogenannte „Low-Level-Agents“, überwiegend junge, russischsprachige Täter, die ideologisch prorussisch agieren und am schnellen Geld interessiert sind. Soziale Medien und Messenger-Dienste würden als Rekrutierungs-Tools dienen.
Das BfV verwies auch auf bereits erfolgte Sabotage (oder versuchte Sabotage) im europäischen Ausland, hinter denen ebenfalls russische Nachrichtendienste stecken könnten. Außerdem warnte die Behörde davor, dass nicht nur Objekte mit „Bezug zur (militärischen Unterstützung) der Ukraine“ zur Zielscheibe werden könnten.
Russische Sabotage nicht nur online – Putin hat „viele Instrumente“
Auch aus anderen EU-Staaten kamen bereits entsprechende Warnungen. Bereits Anfang 2023 hatte Schwedens Inlands-Geheimdienst wegen einer „ernsthaften Bedrohung“ aus Russland Alarm geschlagen. Schon damals ging es um Sabotage und Einflussnahme. Im Sommer 2024 tauchten gehäuft Berichte von verdächtigen Bränden und anderen Unfällen auf. Beim Berliner Rüstungskonzern Diehl hatte es gebrannt, das Wall Street Journal hatte unter Berufung auf Sicherheitsbeamte vom Werk „erfahrener Profis“ berichtet. Deutsche Sicherheitsbehörden hatten dem allerdings widersprochen.
Im Keller eines Berliner Bundeswehrkrankenhauses kam es Anfang Juli zu einem weiteren Brand – noch ist unklar, wer dahintersteckt. Ende März war eine Lagerhalle in London einem Feuer zum Opfer gefallen, in Polen erwischte es das größte Einkaufshaus. Kurz vor dem Beginn der Olympiade in Paris war weitreichender Vandalismus am französischen Schienennetz vorgefallen, verschiedene Politiker schlossen Sabotage nicht aus. Außerdem berichteten mehrere Medien über ein geplantes Attentat auf den Rheinmetall-Chef Armin Papperger.
Für viele dieser Vorfälle gibt es noch keine Belege dafür, ob oder inwiefern Russland beteiligt war. Fest steht für die frühere lettische Außenministerin Sandra Kalniete jedoch, dass Russland „viele Instrumente“ zur Verfügung stünden, mit denen es die EU manipulieren könnte. Desinformation sei nur „der sichtbare Teil des Eisbergs“, warnte sie im Gespräch mit IPPEN.Media.
Russische Sabotage nimmt zu – Nachrichtendienste analysieren westliche Online-Profile
Laut dem Verfassungsschutz nehmen russische Sabotageaktivitäten in Europa deutlich zu. Die Behörde hat außerdem Hinweise darauf, dass russische Nachrichtendienste gezielt Social-Media-Profile von Mitarbeitern deutscher Unternehmen auswerten. „Ziel soll es gewesen sein, Personen zu identifizieren, die für russische Einflussnahme- oder Anbahnungsversuche empfänglich sein könnten“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur aus einem aktuellen Sicherheitshinweis des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Weiter seien zahlreiche Cyberangriffe von russischen Hackern auf Websites deutscher Behörden und Unternehmen sichtbar. Die Auswirkungen solcher Attacken sollen bislang meistens zeitlich begrenzt sein; betroffene Websites seien nur vorübergehend nicht zu erreichen.
Verfassungsschutz warnt – russische Sabotage soll Angst schüren
Bei alldem kann russische Sabotage auch Objekte treffen, „deren strategische Bedeutung für Russland sich nicht unmittelbar erschließt“, warnte die Abteilung Wirtschaftsschutz im eingangs erwähnten Warnhinweis. „Disruptive Maßnahmen“ wie Sabotageakte und Brandanschläge können Effekte wie Verunsicherung und Angst auslösen, sowohl in der Politik als auch in der Öffentlichkeit, erklärten die Fachleute.
In der Fachsprache heißen solche Angriffe „FUD-Attacks“ – vom Englischen „fear, uncertainty and disturbance“, also „Angst, Unsicherheit und Verstörung“. Experten zufolge sind diese ein klassisches Mittel der hybriden Bedrohung, wenn es zwischen zwei Staaten zu Spannungssituationen kommt. Welches Ausmaß die Gefahr russischer Sabotage in Deutschland und Europa annehmen wird, sei von der Lageentwicklung im Ukraine-Krieg sowie der Lage zwischen dem Westen und Russland abhängig.
„Bei uns in Deutschland wird bewusst sabotiert, gestört, verunsichert und eingeschüchtert“, hatte Stephan J. Kramer, Präsident des thüringischen Verfassungsschutzes, zur WirtschaftsWoche gesagt. Dabei komme es Russland vorrangig darauf an, Zweifel an der Regierung, den staatlichen Institutionen, dem transatlantischen Verhältnis und der Demokratie zu streuen. „Es geht darum, westliche Demokratien zu destabilisieren.“
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