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„Enorme Ungerechtigkeit“ – Diese teure Falle lauert im Finanzpaket

Die Rekordschulden sind der bequeme politische Weg, den Menschen scheinbar nichts zuzumuten, mahnt ein Ökonom. Doch die Auswirkungen sind schon jetzt enorm – und könnten die Wirtschaft nur kurz ankurbeln.

Berlin – Was bedeuten die Hunderte milliardenschweren Schulden für Deutschland? Zwar mahnen manche Lasten für die kommenden Generationen – konkret werden die Auswirkungen aber selten angesprochen. Tim Lohse, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Berlin School of Economics and Law, erklärt, was die Rekordschulden von Bald-Kanzler Friedrich Merz schon jetzt machen – etwa den Neubau teurer und uns weniger streng auf Ausgaben blicken lassen.

Professor Lohse, viele Menschen haben das Gefühl, dass die Debatte rund um Staatsschulden und die Rückzahlung dieser von der Politik mit vielen Floskeln und sehr abstrakt geführt wird...
… Ja, und meine These dazu ist: Gerade, weil die Schulden für die Menschen so abstrakt sind, sind sie die bevorzugte Variante der Entscheidungsträger. Sie haben zwar direkte ökonomische Konsequenzen, aber die sind nicht unmittelbar der Fiskalpolitik zuzuordnen. Bei den anderen Arten, wie der Staat zu Geld kommt, sähe das anders aus.
Wie denn?
Die Alternativen wären für die Menschen unmittelbar und heftig spürbar. Entweder die Politik würde eine strikte Budgetkonsolidierung vornehmen, das wären dann etwa Leistungskürzungen beim Bürgergeld oder weniger Zuschüsse zur Rente. Oder die Steuern hätten deutlich erhöht werden müssen.

Staatsschulden werden nicht zurückgezahlt – doch Zinsen steigen

Wie läuft so eine Schuldenaufnahme überhaupt ab?
Die Bundesfinanzagentur besorgt das Geld am Kapitalmarkt und legt die Rahmenbedingungen fest, also beispielsweise fünf Milliarden Euro als Betrag bei einer Laufzeit von zehn Jahren. Die größten Käufer dieser Staatsanleihen sind Banken und Versicherungen, besonders Rentenfonds – weil diese Anlagen in der Regel sehr sicher sind. Diese Versicherer sind gesetzlich sogar verpflichtet, einen Teil ihrer Mittel in die Anleihen zu stecken – der Staat schafft sich also per Gesetz seine Abnehmer.
Deutsche Staatsanleihen sind verlässlich – geben sie den Investoren Zinsen?
Hier wird es spannend. Viele Jahre gab es Nullzinsen, da haben Anleger nicht viel verdient und der deutsche Staat musste entsprechend wenig für die Kredite zahlen. Mittlerweile ist das anders und durch die Vermeldung des Schuldenpaketes ist der Zinssatz binnen eines Nachmittags von 2,3 auf bis zu 2,8 Prozent durch die Decke gegangen. Wenn Kapitalanleger so viel Geld bereitstellen sollen, wollen sie dafür auch höhere Zinsen.
Bald-Kanzler Friedrich Merz hat eine Rekordsumme an Staatsschulden auf den Weg gebracht. Die Auswirkungen für die Menschen sind oft nicht direkt sichtbar – doch sie sind enorm.
Viele warnen durch die neuen Schulden nun vor hohen Kosten für die Tilgung. Haben sie recht?
Schulden werden fast nie getilgt. In der jüngeren deutschen Geschichte ist das nur mal unter Wolfgang Schäuble passiert. Normalerweise gibt es eine Anschlussfinanzierung von Staatsschulden. Wir tilgen eine alte 10-Jahresanleihe durch eine neue 10-Jahresanleihe. Das sehen wir auch beim Blick auf die absolute Schuldenlast – die steigt quasi immer.

Schulden geben und nehmen politische Gestaltungsmöglichkeiten

Die deutsche Schuldenlast ist im internationalen Vergleich gering –  worin liegt denn dann überhaupt die Kritik dieser Schuldennahme?
Das Schlimme sind die jährlich anfallenden Zinszahlungen. Im vergangenen Jahr hat Deutschland knapp 37 Milliarden Euro nur für Zinsen gezahlt. Und wie wir eben festgestellt haben, steigt der Zinssatz durch die neuen Schulden so hoch wie er seit Jahren nicht mehr war. Wohin das führt, sehen wir in Frankreich oder Italien, wo die Budgets derart aus dem Ruder gelaufen sind, weil die Staaten gigantische Zinszahlungen begleichen müssen und andererseits keine Ausgaben kürzen.
Da sind wir beim Thema Generationengerechtigkeit – die einen sagen, die Zinsen sind ungerecht für kommende Generationen, die anderen sagen, eine kaputte Infrastruktur zu vererben ist das eigentlich Ungerechte.
Wenn wir von jährlich 50, 60 oder 80 Milliarden Euro nur für Zinsen ausgehen, haben die Menschen künftig weniger Gestaltungsmöglichkeiten – das ist eine enorme Ungerechtigkeit. Beim Thema Verteidigung geht das noch weiter: Wir haben jahrzehntelang nichts in die Bundeswehr investiert, die älteren Generationen haben von der Friedensdividende massiv profitiert. Und wegen der Schulden zahlen dafür nun die jungen Menschen auch noch die Rechnung.
Dass Deutschland investieren muss, ist unbestritten. Wie sieht Ihrer Meinung nach der gerechtere Weg dorthin aus?
Der Bundesetat ist im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit 2018 um knapp 50 Prozent gestiegen. Da muss man sich schon mal fragen: Wo ist denn das ganze Geld hingegangen? Denn auch nach den Rettungsmaßnahmen während der Pandemie ging es nicht mehr nach unten. Die Politik hat sich die Debatte übers Sparen gespart. Mehr Geld für die Sicherheit hätten wir auch über einen Verteidigungs-Soli bekommen können, mit einem Aufschlag auf Einkommens- und Körperschaftssteuer.
Was wäre daran besser?
Dadurch könnte man zum Beispiel 25 bis 30 Milliarden pro Jahr in die Verteidigung stecken und es wäre plötzlich eine ganz andere Aufmerksamkeit und damit öffentlicher Druck da: Wo begrenzte Steuergelder verwendet werden, schauen wir genauer hin, dass diese auch effizient genutzt werden. Bei unlimitierter Staatsverschuldung wie jetzt fällt dieser Druck weg.

Wirtschaftswachstum durch Schulden nur ein Strohfeuer?

Als Musterbeispiel für gelungene Investitionen durch Schulden wird immer die USA genannt. Joe Biden hat mit einem Billionen-Paket für einen ordentlichen Wirtschaftsaufschwung gesorgt.
Die zehn Jahre laufenden US-Staatsanleihen rangieren derzeit bei einem Zinssatz von 4,1 Prozent, das ist enorm. Als Versicherung würde ich – auch wegen der politischen Lage dort – gerade nicht unbedingt in die USA investieren wollen. Das Land ist massiv verschuldet. Und dann müssen wir schauen, wozu das Geld führt...
...zu Wirtschaftswachstum.
Natürlich hat das positive ökonomische Effekte, aber die Gefahr ist, dass es sich dabei um ein schuldeninduziertes Strohfeuer handelt. Der Wirtschaft geht es gut, solange das Geld hineingesteckt wird. Danach geht es bergab, so die Befürchtung. Das lässt sich auch auf Deutschland übertragen.
Und wie?
Die vereinbarten 500 Milliarden Euro für Infrastruktur können kurzfristig Jobs schaffen und die Nachfrage ankurbeln. Aber wenn die Investitionen nicht effizient umgesetzt werden oder nicht wirklich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern, dann verpufft der konjunkturelle Impuls, sobald die Projekte abgeschlossen sind. Staatliche Bauprojekte wie Stuttgart21 oder der Berliner Flughafen sind häufig schwierig. Und die geplante Aufstockung der Mütterrente verschlechtert eher unsere Rahmenbedingungen.
Was heißt das für den Wohnungsbau?
Das private Bauen wird durch die hohe staatliche Nachfrage teurer. Außerdem steigen durch die hohen Schulden jetzt auch noch die Bauzinsen massiv – die sind nämlich an die Zinsquoten von Staatsanleihen gekoppelt. Das ist eine völlig unterschätzte Folgewirkung. Wir haben schon jetzt zu wenig Neubau – das Problem von zu wenig Wohnraum wird sich verschärfen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/ phototek/ Mike Schmidt

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