Gefährliche Abhängigkeit von Peking?
Bald keine Antibiotika? „Hängen am Tropf von China“ – Deutschland kämpft mit Medikamenten-Problem
Werden uns lebenswichtige Arzneimittel ausgehen? In Deutschland drohen Lieferengpässe für bestimmte Medikamente. Grund ist ein neues chinesisches Gesetz.
Berlin – Keine Medikamente mehr – was dann? Derzeit wächst in Deutschland die Sorge vor Engpässen bei Arzneimitteln, besonders kritisch ist offenbar die Lage bei Antibiotika. 90 Prozent dieser Medikamente kommen laut Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) inzwischen aus China. Diese Abhängigkeit könnte gefährlich werden. „Wir hängen am Tropf von China“, warnt der Herstellerverband ProGenerika gegenüber der Welt. Doch es gibt neben der Abhängigkeit noch ein anderes Problem.
Engpässe bei Antibiotika in Deutschland: Gefährliche Abhängigkeit von China?
Zum Hintergrund: Gemäß Arzneimittelgesetz führen die zuständigen Behörden der Länder Inspektionen bei Pharmaherstellern in der Volksrepublik China durch. Doch seitdem China das Anti-Spionage-Gesetz verschärft hat, haben mehrere deutsche Bundesländer laut der Welt Probleme, diese sogenannte GMP-Inspektion in China durchzuführen.
Was ist GMP?
Unter GMP (aus dem Englischen „Good Manufacturing Practice“ = Gute Herstellungspraxis) versteht man den Teil der Qualitätssicherung, welcher gleichbleibende Qualitätsstandards bei der Produktion und Prüfung von Arzneimitteln oder Wirkstoffen sicherstellt. Diese hohen Qualitätsansprüche müssen während der Herstellung, Verarbeitung, Verpackung und Lagerung von Arzneimitteln erfüllt werden.
Sorge um Medikamentenmangel in Deutschland: Chinas Gesetz verunsichert Inspektoren
Im Jahr 2023 hatte China das Anti-Spionage-Gesetz geändert, um nicht mehr nur Staatsgeheimnisse, sondern auch sehr vage definierte „nationale Interessen“ zu schützen, hieß es. Der Schutz vor Spionage bezieht sich künftig auch auf „alle Dokumente, Daten, Materialien und Artikel, die nationale Sicherheit und Interessen betreffen“, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua 2023 berichtete. Die Paragraphen sind laut der Pharmazeutischen Zeitung bewusst vage gehalten, sodass sie geeignet sind, jede Form der Informationsbeschaffung unter Strafe zu stellen.
Für die Arzneimittelversorgung in Deutschland ist das ein Problem. Seit der Verschärfung des Gesetzes wächst die Angst in Deutschland vor Festnahmen und weiteren Repressalien. Die zuständigen Inspektoren machen laut der Welt deshalb seit Monaten keine Kontrollreisen nach China. Ohne die Kontrollen könnte es zum Stillstand in den Lieferketten der betroffenen Unternehmen kommen, was wiederum die Medikamentenversorgung in Deutschland belasten würde. Chinesische Vertreter beteuerten laut dem Handelsblatt stets, dass sich niemand Sorgen machen müsse, der sich an chinesische Gesetze halte.
Betriebe müssen weltweit die GMP-Vorschriften befolgen, um eine Herstellungserlaubnis zu bekommen. Beim Import von Arzneimitteln und Wirkstoffen nach Deutschland ist eine regelmäßige GMP-Kontrolle notwendig. In der Regel müssen diese Kontrollen laut Arzneimittelgesetz alle drei Jahre erfolgen.
Lieferengpässe bei Medikamenten in Deutschland: Verbände schlagen Alarm
Bereits im Jahr 2023 schlug der Apothekerverband Alarm wegen drohender Lieferengpässe für Medikamente. Von Lieferengpässen für bestimmte Medikamente waren nach Einschätzung des Apothekerverbands Nordrhein täglich rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland betroffen. Das sagte der Verbandsvorsitzende Thomas Preis vergangenen Herbst im ARD-„Morgenmagazin.“
„Manchmal steht die Versorgung wirklich auf der Kippe“, betonte er mit Blick etwa auf Antibiotika. In Deutschland handele es sich bei den verschriebenen Arzneimitteln zu 80 Prozent um die vergleichsweise günstigen sogenannten Generika, also Medikamente, für die die Patente abgelaufen seien. Eine BR24-Datenauswertung zeigte zudem im Januar 2024, dass sich die Lage ohnehin nochmals deutlich verschlechtert hat. 2023 stieg die Anzahl der Lieferengpässe der Arzneimittel demnach um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (bohy mit dpa)
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