Energiewende
Wirtschaftsweise prophezeit Ende der energieintensiven Produktion in Deutschland: „Wird so oder so kommen“
Mit einem Industriestrompreis und Förderungen will Wirtschaftsminister Habeck der schwächelnden deutschen Industrie unter die Arme greifen. Wirtschaftsweise Veronika Grimm hat andere Ideen.
Berlin – Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute. Anders als im Rest Europas erholt sie sich nur schlecht von den durch Corona-Krise und Ukraine-Krieg ausgelösten Tiefs. Wie die Regierung die Unternehmen stützen kann, ist hochumstritten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt auf einen staatlich subventionierten, niedrigeren Industriestrompreis bis Deutschland mehr Strom durch erneuerbare Energien erzeugt.
Industriestrompreis: Habeck dafür, Lindner dagegen
Doch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist kein Fan des Konzepts, Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt es ab. Denn man dürfte aus EU-rechtlichen Gründen nur die Industrie und nicht das Handwerk unterstützen. Nun hat sich auch die Wirtschaftsweise Veronika Grimm zum Industriestrompreis geäußert. „Wenn wir auf eine klimaneutrale Produktion umstellen, haben wir in einigen Bereichen schlicht keinen Standortvorteil mehr. Die Strompreise werden mittelfristig hoch bleiben, auch ein Industriestrompreis hilft nicht“, fasst die Ökonomin in einem Interview gegenüber Focus Online zusammen.
Denn: Der von Habeck gewünschte Industriestrompreis wird nach bisherigen Plänen mit sechs Cent je Kilowattstunde veranschlagt. Gute Standorte mit erneuerbaren Energien könnten aber unter zwei Cent bieten. „So oder so wird eine Verlagerung der energieintensiven Produktion kommen. Wir hätten also nur viel gezahlt und nichts gewonnen“, schlussfolgert Grimm.
Hohe Energiepreise: Chemieindustrie in Deutschland unter Druck
Gemeinsam mit der Chemieindustrie sollte man stattdessen überlegen, wie man Importe von energieintensiven Grundstoffen wie Ammoniak oder Methanol in großen Mengen anstoßen könnte, so die Ökonomen gegenüber dem Portal. Denn die energieintensive Chemiebranche treffen die hohen Strom-, Gas- und Ölpreise am härtesten. „Das Haus brennt“, sagt der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Markus Steilemann, Ende Juli gegenüber der Tagesschau. „Die Zahlen sind rot.“
Der weltgrößte Chemiekonzern BASF hat schon Konsequenzen gezogen: Während das Unternehmen massiv Stellen in Deutschland streicht, investiert es weiter in Produktionsauslagerungen nach China. Der BASF-Chef Martin Brudermüller sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Ich mache mir Sorgen um die chemische Industrie in Europa.“ Ein Industriestrompreis würde zwar helfen, doch er wandte auch ein: „Es kann nicht sein, dass der Staat immer subventioniert, wenn es ein großes Problem gibt.“ Brudermüller wünsche sich für grundlegende Probleme grundlegende Lösungen.
Wirtschaftsweise Grimm: „Politik muss langfristig attraktive Standortbedingungen schaffen“
Grimm fordert deshalb, dass die Politik sich nun vor allem um attraktive Standortbedingungen kümmern sollte. „Wir müssen raus aus dem Krisenmodus, einen kühlen Kopf bewahren und die Politik muss langfristig attraktive Standortbedingungen schaffen“, sagt die Ökonomin bei Focus Online. Es sei „geradezu kontraproduktiv, weiter kurzfristig Trostpflaster verteilen“.
Dabei sprach sie sich gegen viele Förderprogramme aus: „Diejenigen, die jetzt nach Hilfen schreien, sind vermutlich eher die, die große Zweifel an ihrer eigenen Wettbewerbsfähigkeit haben“, urteilt Grimm dem Portal gegenüber. „In diese Kerbe zu schlagen, würde eher Strukturen zementieren, die sich dauerhaft ohne Förderung nicht am Standort halten lassen.“ Sinnvoller wäre ihrer Meinung nach, mehr in Bildung und Digitalisierung zu investieren und fossile Subventionen abzubauen, „statt den Staat weiter aufzublähen und jedes Detail zu administrieren“.
Mit Material der dpa
Rubriklistenbild: © Henning Kaiser/dpa

