LCOLC statt LCOE
Der Mythos vom billigen Öko-Strom – Wirtschaftsweise warnt vor Mehrkosten
Erneuerbare Energien sind langfristig billiger – so argumentieren Politik und Klima-Lobby seit Jahren. Dabei ignorieren sie jedoch einen wichtigen Punkt. Eine Wirtschaftsweise klärt auf.
Berlin – Der Preisschock scheint vorüber. Langsam aber sicher zahlen Endverbraucher weniger für Gas und Strom. Langfristig könnten sie dennoch auf einem hohen Niveau bleiben, zeigte eine neue Studie eines Teams um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien im Zuge der Energiewende soll nicht im gewünschten Maße zu einer langfristigen Preissenkung führen. Grimm weist dabei auf einen gravierenden Denkfehler hin.
Ist die Politik zu sehr auf Gestehungskosten fixiert?
„Bei erneuerbaren Energien sind die Grenzkosten sehr gering – zum Teil bei null, da beispielsweise Sonne und Wind kostenlos zur Verfügung stehen“, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in seinem Internetauftritt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) stellte im Mai 2023 ein Arbeitspapier vor, in dem er deutlich fallende Strompreise in Aussicht stellte. Es gebe ja immer mehr Wind- und Solaranlagen, die billige Elektrizität produzieren.
Ab 2030 sei eine Zukunft mit „niedrigen erneuerbaren Strompreisen und ohne Subventionen“ vorstellbar. Bis dahin brauche die Industrie allerdings noch Zuschüsse. „Um Industrieunternehmen den Zugang zu kostengünstigen erneuerbaren Energien zu ermöglichen, soll Strom aus neuen EE-Anlagen zu Preisen nahe an den Gestehungskosten an die Industrie weitergereicht werden“, erklärte Habeck.
Der große Fehler steckt darin, dass Habeck die Gestehungskosten als Referenzwert benutzt. Ein Team von Ökonomen von der Technischen Universität Nürnberg (UTN) und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) weist darauf hin, dass die Gestehungskosten keine Grundlage für die Einschätzung künftiger Stromkosten seien.
Gestehungskosten bilden nicht die ganze Wahrheit ab
Dabei sind die Gestehungskosten sowohl bei Politikern als auch bei Vertretern der Klima-Lobby eine beliebte Größe, um Argumente zu untermauern. Wie die Welt berichtete, gilt der Wert als „Maßstab für Energiekosten schlechthin“. Auf wissenschaftlicher Ebene heißen die Gestehungskosten Levelized Cost of Electricity (LCOE) und beschreiben die gesammelten Kosten, die je nach Energieträger nötig ist, um zum Beispiel aus Gas oder Wasserkraft Strom zu gewinnen.
Von der Investmentbank Lazard gibt es regelmäßig Berichte darüber, wie sich die LCOE global entwickeln. 2023 zum Beispiel stufte sie die LCOE (ohne Regierungszuschüsse) von Solaranlagen, die auf Hausdächern angebracht sind, höher ein als beispielsweise die von Atomstrom oder Gasenergie. Onshore-Windkraftanlagen hatten die niedrigsten Gestehungskosten, dicht gefolgt von großangelegten Solarparks.
Allerdings, so warnen die Nürnberger Forscher um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, hat der Wert LCOE nicht mehr viel mit den Kosten zu tun, die am Ende durch den produzierten Strom bei den Verbrauchern ankämen. Gerade bei den erneuerbaren Energien würden die Endkosten „erheblich“ von den reinen Herstellungskosten abweichen. Die Forscher schlagen vor, statt der Größe der Herstellungskosten (LCOE) lieber die „Levelized Cost of Load Coverage“ heranzuziehen, die LCOLC. Diese könne detaillierter und wahrheitsgemäßer darüber informieren, welche Kosten am Ende beim Kunden landen, wenn sie sich für erneuerbare Energien entscheiden.
Erneuerbare Energien brauchen zusätzliche Technologie
Das liegt vor allem daran, dass erneuerbare Energien nicht im selben Maß steuerbar sind wie traditionelle Kraftwerke. Auch die moderne Meteorologie kann nicht langfristig vorhersagen, wann es ausreichend Wind oder Sonnenstunden gibt, um die entsprechenden Kraftwerke zuverlässig zu versorgen. Wenn etwa die Windkraftanlagen im Norden der Nation einen Überschuss erzeugen, müssen die Stromnetzbetreiber im Süden Notfallmaßnahmen ergreifen.
Wind- und Solarkraft brauchen zusätzliche Technologien, um im selben Maße zu wirken wie konventionelle Energie. Zum Beispiel Speicher oder Reservekraftwerke, die dann aushelfen, wenn aus den Erneuerbaren zu wenig oder zu viel Strom kommt. „Die Investitionskosten dieser Anlagen und ihres Betriebs müssen in die Berechnung der Kosten zur Befriedigung der Nachfrage eingehen“, erklärt das Team um Grimm. Statt der bloßen Erzeugungskosten seien für die Verbraucher die Gesamtkosten entscheidend.
Zum Vergleich: Der Bundesverband Solarwirtschaft geht bei der Anschaffung eines durchschnittlichen Heimspeichers (Solarenergie) von einem Preis von bis zu 10.000 Euro aus. Ein pauschaler Kostenvoranschlag sei allerdings nicht möglich, da die Kosten sowohl von der Größe des Speichers als auch von seiner Leistung und Speichertechnologie abhänge. Eine durchgeführte Testreihe habe offenbart, dass Wind- und Solarstrom zwar sehr billig sein können, aber die tatsächlichen Kosten lägen oft weit über dem Optimalwert.
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