Energiemarkt
Strompreise steigen massiv: Kunden zahlen bald etwa elf Prozent mehr für Netzentgelte
Die Stromkosten für Privatkunden und Industrie steigen – allein die Netzentgelte klettern im kommenden Jahr um rund elf Prozent. Eine Antwort der Ampel-Regierung steht noch aus.
Berlin – Die Energiepreisbremsen für Gas und Strom sollten die rasanten Preisanstiege infolge des Ukraine-Kriegs abmildern. Am 31. Dezember 2023 laufen die Maßnahmen jedoch aus. Gerne würde die Bundesregierung bis April 2024 verlängern, muss dafür aber noch auf das OK aus Brüssel warten. Tiefer in die Tasche müssen Stromkunden im kommenden Jahr wohl in jedem Fall greifen, denn die Netzentgelte steigen voraussichtlich 10,6 Prozent an, wie laut Rheinische Post aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine kleine Anfrage der Unions-Bundesfraktion hervorgeht.
Netzentgelte 2024: Durchschnittshaushalt zahlt 377 Euro netto statt 341 Euro
Netzentgelte steigen im kommenden Jahr voraussichtlich um 10,6 Prozent oder 1,03 Cent pro Kilowattstunde. „In der ausgewerteten Stichprobe zahlt ein Haushaltskunde mit 3.500 Kilowattstunden Jahresverbrauch im Jahr 2023 ein durchschnittliches Netzentgelt in Höhe von 341 Euro netto, im Jahr 2024 in Höhe von 377 Euro netto“, hieß es in der Antwort des Ministeriums. Endverbraucher zahlen die Entgelte an die Netzbetreiber, damit diese den Strom durch das Versorgungsnetz leiten. Vergleichbar sei dies mit einer Briefmarke als Porto für einen Versand unabhängig von der genauen Entfernung, hieß es dazu von der Bundesnetzagentur. Nur für das Durchleiten des Stromes schlagen im kommenden Jahr für einen Durchschnittshaushalt in Deutschland also 36 Euro mehr zu Buche.
Das Vergleichsportal Check24 hatte zuvor für 2024 für einen Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 5.000 Kilowattstunden Mehrkosten für Strom in Höhe von 47 Euro errechnet. Dabei gab es deutliche regionale Unterschiede: In Bayern seien die Netzkosten im kommenden Jahr um 17 Prozent höher als 2023, in Brandenburg indes fünf Prozent niedriger, so das Vergleichsportal in seiner Berechnung. „Bei den Netzentgelten 2024 gibt es wie im Vorjahr eine finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die großen Übertragungsnetzbetreiber in Milliardenhöhe“, sagt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei CHECK24. „Dennoch steigen die Stromnetznutzungsentgelte für Verbraucherinnen voraussichtlich im Schnitt um elf Prozent.“ Die Netzentgelte machen bereits fast ein Viertel der gesamten Stromkosten aus.
Höhere Netzentgelte belasten auch Industrie
Die Zahlungen des Bundes an die Übertragungsnetzbetreiber sollen im kommenden Jahr 5,5 Milliarden Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds betragen, hieß es in der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf die kleine Anfrage. Dies begrenzt jedoch nur die bundesweit einheitlichen Gebühren für die vier großen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW. Der Betrag liegt zudem 2024 um etwa 300 Millionen Euro niedriger als 2023, so die Antwort des Ministeriums weiter.
Allein die Redispatch-Kosten machen demnach im kommenden Jahr 27 Prozent der gesamten Netzentgelte aus. Das Ministerium rechnet hier mit drei Milliarden Euro – ein neuer Rekordwert. Im Energiemarkt bezeichnet Redispatch Eingriffe in die Erzeugungsleistung von Kraftwerken, um Netzüberlastungen zu vermeiden. Die hierfür anfallenden Kosten tragen die Stromkunden – egal ob privat oder gewerblich.
Strompreisbremse und Co.: Verlängerung der Zuschüsse ungewiss
Seit Beginn der Corona-Krise war es EU-Mitgliedstaaten möglich, deutlich einfacher staatliche Unterstützung an Unternehmen und Haushalte auszuzahlen. Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll dies bis 2027 beibehalten werden. Doch insbesondere kleinere EU-Staaten sehen die massiven Hilfen kritisch und sprechen von Wettbewerbsverzerrung. Grünes Licht aus Brüssel für eine Verlängerung steht also noch aus.
Verbraucherschützer und die Energiewirtschaft dringen seit Wochen auf eine Entscheidung. „Privathaushalte müssen auch im kommenden Winter vor hohen Preisen bei Strom, Gas und Fernwärme geschützt werden“, sagte etwa die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Ramona Pop. Die Unternehmen fordern vor allem Klarheit – sonst drohe Chaos (bme mit AFP).