„Rätsel der AfD“
„Brandgefährlich“ für deutsche Wirtschaft: Top-Ökonomen alarmiert wegen AfD-„Fantastereien“
Deutschland demonstriert aktuell gegen die AfD. Top-Ökonomen äußern sich überraschend deutlich und warnen vor den wirtschaftlichen Plänen der Partei.
Berlin/München – Tausende Menschen demonstrieren dieser Tage gegen einen Rechtsruck in Deutschland und gegen die AfD. Auslöser sind Berichte über ein Treffen mit Rechtsradikalen in einer Potsdamer Villa, bei der über die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wurde. Hintergrund ist aber auch, dass die AfD aktuell wohl so stark ist, wie nie zuvor. Laut Umfragen würde die rechte Partei in Sachsen, Thüringen und Brandenburg teils mit Abstand stärkste Kraft werden, würde schon jetzt gewählt. Viele in der deutschen Bevölkerung sind alarmiert. Und auch deutsche Top-Ökonomen beziehen erstaunlich offen Stellung.
Normalerweise halten sich die Wirtschaftsexperten mit politischen Einschätzungen eher zurück. Doch in der aktuellen Lage warnen gleich mehrere Ökonomen vor der AfD.
Deutsche Wirtschaft warnt vor AfD: „Echte Gefahr“
„Die AfD ist brandgefährlich: Für unsere Gesellschaft, unsere Demokratie – und auch für unsere wirtschaftliche Zukunft“, schreibt etwa Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, am Freitag via Linkedin. „Die Bilder tun gut“, meint er mit Blick auf die Demonstrationen. Mit seinem Beitrag will er aber besonders klarstellen, dass die AfD „auch für die Wirtschaft eine echte Gefahr“ sei.
Die Partei gebe sich marktliberal, fordere Steuerreformen und einen Bürokratie-Abbau. Viele Wähler kämen aus strukturschwachen Regionen und würden die Rechten auch mit der Hoffnung auf Besserung wählen. Doch, so Hüther: „Von der AfD können die Menschen keine überzeugenden Lösungen erwarten“.
AfD für Deutschlands Wirtschaft „brandgefährlich“ - Top-Ökonom warnt vor „Fantastereien“
Deutschlands Wirtschaft brauche „Offenheit statt Abschottung“. Einwanderer würden neue Ideen mitbringen. So gingen demnach mehr als zehn Prozent der Patentanmeldungen 2019 auf Menschen mit ausländischen Wurzeln zurück. Zudem würden nur offene Grenzen Deutschlands Wohlstand sichern. In diesem Zusammenhang prangert Hüther besonders die Euro-Ausstiegs-Ideen der AfD an, die er als „Fantastereie“ bezeichnet. „Ohne die EU steht das deutsche Exportmodell unmittelbar vor dem Kollaps“, so Hüther. Weiter meint er: „Wie wir angesichts unseres demografischen Problems ohne Zuwanderung auskommen, wird für immer Rätsel der AfD bleiben. Eine Partei, die das nicht versteht, verfügt nicht über Wirtschaftskompetenz.“
Auch Behauptungen der AfD, einflussreiche Unternehmen würden auf ihrer Seite stehen, schmettert der IW-Chef ab. Aus Verbands-Befragungen wisse man: „Die Wirtschaft traut der AfD nicht und lehnt sie ab“.
„Wirtschaftspolitischer Unsinn“: Ifo-Chef rechnet mit AfD-Plänen ab
Mit seiner Einschätzung ist Hüther nicht allein.
Clemens Fuest, Vorsitzender des Münchner Ifo-Instituts, sagte gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Nationalismus und Abschottung treffen das Herz des deutschen Geschäftsmodells, solche Forderungen sind wirtschaftspolitischer Unsinn“. Die AfD-Idee, die EU zu verlassen, halte er für „höchstproblematisch“. Auch ausländische Investoren und Fachkräfte würden sich einen Schritt nach Deutschland womöglich überlegen, wenn eine ausländerfeindliche Partei mehr Macht bekommen würde, meint er weiter.
Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte in einem Interview vom Samstag gegenüber der Rheinischen Post, die Gefahr, die durch die AfD für den Wirtschaftsstandort Deutschland entstehe. „Wir sind eine offene Gesellschaft, darauf gründet auch unser wirtschaftlicher Erfolg.“ Deutschland sei keine Insel. „Unsere Volkswirtschaft ist international vernetzt. Rassismus und Nationalismus können wir uns auch deshalb nicht leisten“, mahnte der SPD-Politiker. Jedem müsse klar sein, dass die AfD ein Standortrisiko sei, „eine Partei, die nicht nur unsere Demokratie angreift, sondern unserem Land auch wirtschaftlich und sozial schadet“, sagte Heil. „Qualifizierte Fachkräfte, die wir für Deutschland dringend gewinnen müssen, werden nur dann kommen, wenn sie sicher sein können, dass sie hier nicht ausgegrenzt oder gar bedroht werden.“
Vor einigen Tagen hatte auch der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, vor der AfD gewarnt. Deutschland als Exportland profitiere wie wohl kaum ein anderes von Weltoffenheit, internationaler Zusammenarbeit und Handel und der europäischen Einigung. „Dass in diesem Land eine starke politische Partei Raum gewinnt, die all dieses infrage stellt, das ist wirtschaftlich gefährlich“, sagte er. (rist/dpa)