Pflegeversicherung
Deckelung der Pflege-Kosten wegen Kosten-Explosion – Lauterbachs Idee könnte 127 Milliarden Euro kosten
Karl Lauterbach erwägt eine Deckelung für den Eigenanteil bei Pflegebeiträgen. Gegenwind kam von den Krankenkassen. Die Umsetzung könnte einen hohen Milliardenbetrag verschlingen.
Berlin – Die Pflege im Heim wird für Deutsche langsam aber sicher unbezahlbar. Während die Bevölkerung immer älter wird, haben sich die Pflegekosten zwischen 2010 und 2020 mehr als verdoppelt. Wer im Alter oder durch einen Unfall auf Pflege angewiesen ist, muss tiefer in die Tasche greifen. Die Verbände haben wiederholt vor dieser Entwicklung gewarnt. Vom Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kam nun eine entscheidende Idee.
Pflege wird immer teurer – Karl Lauterbach schlägt Limit vor
Das grundlegende Problem ist bekannt: Pflegebedürftige müssen für die Pflege im Heim immer mehr aus eigener Tasche bezahlen. Ihre Ausgaben steigen und die gesetzliche Pflegeversicherung deckt nur einen Teil der Kosten ab. Auch mit Teilübernahme der Pflegekosten durch die gesetzliche Pflegeversicherung bleibe für die Betroffenen eine Finanzierungslücke in der stationären Pflege von durchschnittlich 3.000 Euro im Monat. Das hatte der Branchenverband vdek ermittelt.
Gesundheitsminister Lauterbach hatte darum vorgeschlagen, die Eigenbeteiligung der Bewohner zu limitieren. Der Minister hatte aber noch nicht weiter ausgeführt, wie der Deckel konkret aussehen und wie die Finanzierung funktionieren soll. Wird die Pflegeversicherung die Kosten tragen oder übernimmt der Staat den Rest? Schon jetzt herrscht bei den Versicherungen Sorge um eine mögliche Kostenbelastung.
Das Wissenschaftliche Institut der Privaten Krankenversicherung (WIP) hat zu Wochenbeginn (22. Juli) eine ausführliche Berechnung darüber veröffentlicht, wie die Kostenbelastung für Deutschland aussehen würde, die dann entweder die Beitragszahler oder die Steuerzahler tragen müssten. Das Ergebnis: Bis 2030 sollen jährliche Kosten zwischen sieben und 18 Milliarden Euro für eine Deckelung anfallen.
Pflegekosten im Detail – darum ist Pflege so teuer
Wichtig dabei: Es geht bei der Berechnung nicht um einen Deckel der kompletten Summe, die Pflegebedürftige zahlen müssen. Das Institut hatte sich explizit auf den sogenannten Einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (EEE) bezogen, der nur einen Teil (wenn auch den größten) der Beiträge ausmacht.
Der Branchenverband vdek hatte zuletzt ermittelt, wie viel Bedürftige für ihre Pflege im Heim aus eigener Tasche zahlen müssen. Im Bundesdurchschnitt kostet sie das monatlich einen Eigenanteil von 2.871 Euro (im ersten Aufenthaltsjahr). Je länger sie im Pflegeheim bleiben, umso geringer werden die Kosten – trotzdem bedeutet das gegenüber der Erhebung von 2023 schon einen Anstieg um 211 Euro. Der Eigenanteil besteht aus diesen drei Teilen:
| Kosten für Unterkunft und Verpflegung\t | 955 Euro im Monat |
|---|---|
| Investitionskosten | 490 Euro im Monat |
| Einrichtungseinheitlicher Eigenanteil (EEE, beinhaltet auch die steigenden Kosten für das Pflegepersonal) | 1.678 Euro im Monat (alles Stand 1.7.2024, vdek) |
Deckel auf Pflegekosten – Verband fordert „mehr Eigenverantwortung und private Vorsorge“ in der Pflege
In Konsequenz einer Limitierung würden die Beitragszahler der gesetzlichen Pflegeversicherung massiv belastet, zeigte das WIP. Aufgrund des demografischen Wandels würden die Kosten bis 2030 dann auf 15,2 Milliarden Euro steigen. Zusammengerechnet würde sich die Summe, die an den Beitragszahlern hängen bleibe, im Schnitt auf etwa 80 Milliarden Euro belaufen. Schon eine „geringere“ Entlastung durch eine Obergrenze von 1.000 Euro pro Monat würde zusätzliche Kosten von 61,5 Milliarden Euro (bis 2030) verursachen. Das WIP hatte allerdings auch ein Worst-Case-Szenario berechnet, in dem insgesamt 108,5 bis rund 127 Milliarden Euro fällig würden.
„Die Zahlen machen einmal mehr deutlich: In Zeiten von Haushaltslöchern und rasant steigenden Sozialabgaben gibt es keinen Spielraum für zusätzliche Leistungen in der Gesetzlichen Pflegeversicherung“, zitierte die Deutsche Presse-Agentur dazu PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther. „Obergrenzen für die Eigenanteile sind Sozialpolitik mit der Gießkanne – weder zielführend noch bezahlbar. Die Kosten tragen die Beitrags- und Steuerzahler und vor allem die jüngeren Generationen, während davon auch Menschen mit Privatvermögen profitieren.“ Stattdessen forderte er „mehr Eigenverantwortung und private Vorsorge“, um die Sozialsysteme zu finanzieren.
Das WIP ging in der Kostenprognose davon aus, dass sich die Ausgaben in der Pflegeversicherung auf eine ähnliche Weise entwickeln wie in den letzten 20 Jahren – also etwa eine Steigerung um 5,7 Prozent pro Jahr verzeichnen. Der Einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) soll dabei von 1.678 Euro auf 2.340 Euro (2030) steigen. Für die weiteren Kosten gibt es keine Zuschussregelung. (Laernie mit dpa)
Rubriklistenbild: © Bernd Wüstneck/dpa
