Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Gastbeitrag Ludovic Subran

Trotz Corona und Ukraine-Krieg – Die deutsche Wirtschaft wird sich langsam erholen

Ludovic Subran
+
Ludovic Subran ist Chef-Volkswirt der Allianz.

Allen düsteren Prognosen zum Trotz: Die deutsche Wirtschaft wird sich in den kommenden Jahren langsam erholen, schreibt Ludovic Subran, Chef-Volkswirt der Allianz, im Gastbeitrag. Und erklärt, warum die Zinswende dabei eine große Rolle spielen wird.

München - Auch wenn die eher düsteren Vorhersagen eine andere Sprache zu sprechen scheinen: Der wirtschaftliche Ausblick für die nächsten Jahre steht im Zeichen der langsamen Normalisierung. Nach den extremen Ausschlägen der letzten Jahre, bedingt durch die COVID-19 Pandemie und den Krieg in der Ukraine, dürfte die Weltwirtschaft wieder in ruhigeres Fahrwasser gelangen. Wobei ruhig durchaus wörtlich zu verstehen ist: Das Wachstum wird eher sehr gering ausfallen. Angesichts der vielen strukturellen Verwerfungen, die Unternehmen, Haushalte und Staat zu bewältigen haben, ist dies kaum verwunderlich. Die Anpassung an die neuen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen fordert ihren Tribut.

Am augenfälligsten sind dabei vielleicht die geopolitischen Umwälzungen, wie sie sich in der zunehmenden Rivalität zwischen den USA und China zeigen. In diesem Zusammenhang sind „De-Globalisierung“ und „De-Coupling“ allerdings eher Kampfbegriffe, die die Lage unnötig dramatisieren; sie gehen an der Realität (zumindest der nächsten Jahre) vorbei. China bleibt weiterhin – sowohl als Produzent zahlreicher Vorprodukte als auch als Konsument von westlichen (Luxus)Gütern – zentral für die Weltwirtschaft.

Aber ohne Frage steht eine Neuordnung der globalen Lieferketten auf der Agenda, zusätzlich getrieben von den Erfordernissen der grünen Transformation und nationalen Sicherheitsinteressen. Aber auch wenn das viel beschworene „Nearshoring“ zu einigen (hoch subventionierten) Investitionen in Industrieländern führen dürfte, ist eine weniger vernetzte Welt zugleich eine ärmere. Die Produktivitätsgewinne durch internationale Arbeitsteilung haben über Jahrzehnte enormen Wohlstand geschaffen, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern. Und nicht ausreichendes Wachstum der bevölkerungsreichsten Weltgegenden wird letztlich auch wieder auf die Industrieländer zurückwirken.

Stimme der Ökonomen

Klimawandel, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg: Wohl selten zuvor war das Interesse an Wirtschaft so groß wie jetzt. Das gilt für aktuelle Nachrichten, aber auch für ganz grundsätzliche Fragen: Wie passen die milliarden-schweren Corona-Hilfen und die Schuldenbremse zusammen? Was können wir gegen die Klimakrise tun, ohne unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel zu setzen? Wie sichern wir unsere Rente? Und wie erwirtschaften wir den Wohlstand von morgen?

In unserer neuen Reihe Stimme der Ökonomen liefern Deutschlands führende Wirtschaftswissenschaftler in Gastbeiträgen Einschätzungen, Einblicke und Studien-Ergebnisse zu den wichtigsten Themen der Wirtschaft – tiefgründig, kompetent und meinungsstark.

Zinswende kann Finanzmärkte dramatisch verwerfen

Kurz- bis mittelfristig die stärksten Auswirkungen aufs Wachstum dürfte jedoch die Zinswende haben, eventuell dramatische Verwerfungen auf den Finanzmärkten miteingeschlossen. Die jüngsten Bankenturbulenzen haben darauf einen Vorgeschmack gegeben. Nach Jahren der Nullzinsen und grenzenlosen Liquidität haben sich auf den Märkten zahlreiche nicht-nachhaltige, hoch-gehebelte Geschäftsmodelle herausgebildet, deren Risiken erst jetzt, mit steigenden Kreditkosten, ans Tageslicht kommen.

Der Fall der Silicon Valley Bank und Credit Suisse ist nur einer in der Reihe von „Unfällen“ in jüngster Zeit – von Greensill Capital zu Archegos –, die die Anpassungsschwierigkeiten der Finanzmärkte an das neue Zinsparadigma belegen. Bisher hat sich das Bankensystem als Ganzes jedoch als robust erwiesen, auch dank der deutlich schärferen Regulierung seit der letzten großen Finanzkrise. Es wäre jedoch fahrlässig, darauf für alle Zukunft zu vertrauen. Die offenkundig gewordenen Schwachstellen in der Regulierungsarchitektur gilt es vielmehr zügig zu beseitigen. Dies gilt vor allem für den Euroraum: Ohne eine gemeinsame Einlagensicherung bleibt die Bankenunion unvollendet; auch unzureichende Kapitalanforderungen für Staatsanleihen stellen ein Risiko dar – beide Lücken sollten schnell geschlossen werden.

Aber auch wenn es (hoffentlich) nicht zu einer größeren Finanzkrise kommt, die sichtbar gewordenen Bruchstellen haben bereits jetzt Auswirkungen auf das Verhalten der Finanzmarktteilnehmer, zuvorderst der Banken: Alle Indikatoren – von „harten“ Kreditdaten bis hin zu „weichen“ Umfrageergebnissen – deuten auf eine deutliche Verlangsamung des Kreditflusses, wenn nicht gar auf eine Kreditklemme hin (zumindest in einigen Bereichen des Marktes). Dies werden besonders die Staaten zu spüren bekommen, die nach den – von den Umständen diktierten – höheren Ausgaben der letzten Jahre wieder auf eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik umstellen müssen; an einer nachhaltigen Konsolidierung der Staatsfinanzen führt kein Weg vorbei.

Zentralbanken werden Zinsen weiter anheben müssen

Dass diese Form der Risiko- und Ausgabenreduzierung das Wachstum in nächster Zeit dämpfen wird, versteht sich von selbst. So paradox es aber klingen mag: In gewisser Weise liegt in dieser Entwicklung auch etwas Gutes. Sie hilft den Zentralbanken in ihrer Politik der Inflationsbekämpfung. Bis zu den jüngsten Bankenturbulenzen herrschte die durchaus berechtigte Sorge vor, dass angesichts einer Wirtschaft, die sich recht unbeeindruckt von der Zinswende zeigte, die Zinsen noch viel stärker steigen müssten, um die gewünschte Dämpfung der Nachfrage zu erreichen. Diese Befürchtung dürfte jetzt vom Tisch sein. Der Rückgang der Kreditvergabe gibt den Zentralbanken mehr Spielraum; sie können jetzt vorsichtiger und abwartender agieren, das heißt sich mehr Zeit nehmen, die Auswirkungen ihrer Politik auf die Realwirtschaft zu analysieren. 

Kampf gegen Inflation ist noch nicht gewonnen

Dies ist allerdings nicht gleichbedeutend mit einem Ende der Zinswende. Angesichts der Hartnäckigkeit der Inflation – vor allem der Kerninflation ohne Energie und Nahrungsmittel – ist vielmehr mit weiteren Zinserhöhungen dies- und jenseits des Atlantiks zu rechnen. Der Kampf gegen die Inflation ist noch nicht gewonnen. Dies heißt jedoch auch, dass die Realeinkommen der Haushalte noch für geraume Zeit unter Druck bleiben werden, mit den entsprechenden Folgen für den privaten Konsum. Gift (Inflation) und Gegengift (Zinsen) lasten derweil noch gleichzeitig auf der wirtschaftlichen Entwicklung.

Die Wachstumszahlen fallen daher ausgesprochen niedrig aus. Mit einem Wachstum von gerademal 0,1 Prozent dieses Jahr ist die deutsche Wirtschaft wieder so groß wie vor der Coronakrise — dies bedeutet aber auch vier Jahre Stagnation. Die Zuwachsraten fallen in anderen Wirtschaftsräumen ebenfalls eher bescheiden aus; dies gilt selbst für China, zumindest verglichen mit früheren Raten (siehe Grafik).

Lichtblick Arbeitsmarkt

Aber es gibt auch einen Lichtblick: Entgegen früheren Rezessionen dürfte der Anstieg der Arbeitslosigkeit nur sehr gering ausfallen. Dies ist natürlich in erster Linie der demographischen Entwicklung geschuldet, die in vielen Bereichen bereits zu eklatanten Arbeitskräftemangel geführt hat. Aber es liegt auch in der veränderten Reaktionsfunktion der Unternehmen begründet: Statt mit Entlassungen auf einen Rückgang der Nachfrage zu reagieren, wird Arbeit „gehortet“, das heißt nicht die Anzahl der Mitarbeiter, sondern die der geleisteten Arbeitsstunden wird angepasst. Die damit einhergehenden Produktivitätsverluste sind Europas Preis für eine geringe Arbeitslosigkeit. Für manche dürfte dies eine beruhigende Aussicht sein. Dynamisches Wachstum geht aber anders.

Zum Autor: Ludovic Subran ist Chef-Volkswirt der Allianz SE und von Allianz Trade/Euler Hermes. Vor seinem Eintritt in die Allianz Gruppe arbeitete er für renommierte Institutionen wie das französische Finanzministerium, die Vereinten Nationen und die Weltbank. Er unterrichtet außerdem Wirtschaftswissenschaften an der HEC Business School.

Kommentare