„Das ist ein direkter Angriff auf Amazon“
Chinesische Amazon-Konkurrenz – Temu greift europäischen Markt an
Die chinesische Plattform Temu könnte in naher Zukunft seine Lieferzeiten für deutsche Kunden erheblich verkürzen, da sie nun europäische Verkäufer integriert. Parallel dazu muss Temu eine rechtliche Auseinandersetzung mit Shein bewältigen.
Frankfurt – Kunden in Deutschland mussten bislang häufig geduldig auf ihre Bestellungen bei Temu warten. Zwei Wochen Lieferzeit waren keine Seltenheit, was dem Online-Marktplatz aus China einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem Branchenprimus Amazon einbrachte.
Doch laut Informationen der F.A.Z. könnte sich das bald ändern: Temu soll seinen Marktplatz für europäische Verkäufer geöffnet haben, was für schnellere Lieferungen und ein größeres Angebot sorgen könnte. Schon seit Juli können Händler aus mehreren europäischen Ländern, darunter auch Deutschland, ihre Waren über die Plattform anbieten.
Billig-Marktplatz aus China: Der überraschende Erfolg von Temu
Temu war plötzlich überall. Jede Social-Media-Plattform war von Temu-Werbung überschwemmt. Doch was steckt hinter dem überraschenden Erfolg des chinesischen Billig-Marktplatzes? Temu ist eine Tochtergesellschaft von Pinduoduo, einem großen chinesischen E-Commerce-Unternehmen, berichtet Deutschlandfunk.
Pinduoduo soll demnach dafür bekannt sein, Kunden zu motivieren, gemeinsam mit anderen einzukaufen. Durch das Bilden von Gruppen können sie günstigere Preise bekommen, was den Einkauf zu einer sozialen Erfahrung macht.
Keine Grundgebühren und Verkaufsprovisionen: „Das ist ein direkter Angriff von Temu auf Amazon“
Jetzt soll dieses Kauferlebnis erweitert werden. Temu hat nun den Marktplatz auch für europäische Händler geöffnet. Die chinesische Plattform, die vor allem für ihre extrem günstigen Preise bekannt ist, bringt damit auch frischen Wind in den Wettbewerb.
Medienberichten zufolge sollen Verkäufer auf Temu aktuell noch von Grundgebühren und Verkaufsprovisionen befreit sein. Die Strategie scheint klar: Temu möchte möglichst viele Händler anziehen, um den Druck auf Amazon und andere Wettbewerber zu erhöhen. „Das ist ein direkter Angriff von Temu auf Amazon“, sagte Alexander Graf, Geschäftsführer der Softwarefirma Spryker, zur F.A.Z. Er glaubt, dass Temu das Potenzial habe, Amazon ernsthaft Konkurrenz zu machen.
Temus Geschäftsmodell: Der Preis als Wettbewerbsvorteil
Das Geschäftsmodell von Temu unterscheidet sich kaum von dem anderer Plattformen wie Amazon. Temu produziert keine eigenen Waren, sondern bietet Händlern eine Verkaufsplattform. Während Temu sich um den Kundendienst und die Vermarktung kümmert, bleibt Lagerung und Versand in der Verantwortung der Händler, heißt es in dem Bericht. Aber: Temu übernimmt wohl auch die Preisgestaltung für die europäischen Produkte, was den Händlern möglicherweise etwas Kontrolle entzieht, berichtet das Magazin t3n.
Bisher kamen die meisten Verkäufer aus China, was zu längeren Lieferzeiten führte. Mit der Öffnung für europäische Händler könnte sich dies ändern: Deutsche Kunden könnten in Zukunft deutlich schneller ihre Bestellungen erhalten, da die Waren bereits in europäischen Lagern vorrätig sind.
Billigimage schreckt große Marken nicht ab, sagt Experte
Der bisherige Preisvorteil von Temu, der sich laut Handelsfachmann Graf auf bis zu 40 Prozent gegenüber Amazon belief, könnte jedoch schrumpfen. Wenn Händler die Kosten für Lagerhaltung in Europa tragen müssen, reduziert sich der Preisvorteil möglicherweise auf nur noch fünf Prozent. Dennoch bleibt Temu weiterhin günstiger als Amazon – und kann zukünftig ähnlich schnelle Lieferzeiten bieten.
Auch bekannte Marken könnten dann auf Temu gekauft werden, prognostiziert Alexander Graf gegenüber der F.A.Z. Er hält das Argument, dass eine Marke wie Puma niemals auf einer Billigplattform vertreten sein würde, für wenig überzeugend: „Das haben Kritiker über Amazon auch lange behauptet.“
Temu im Rechtsstreit: Shein klagt wegen Design-Kopien
Während Temu sich in Europa-Expansion befindet, erreichte das Unternehmen eine Klage von Billig-Kaufplattform Shein, wie Business Insider berichtet. Der Fast-Fashion-Riese beschuldigt Temu, seine Designs kopiert zu haben und durch Nachahmungen, Betrug und Verletzungen geistigen Eigentums ein Geschäftsimperium aufgebaut zu haben.
Die Klage wurde demnach am Montag vor einem Bundesgericht in Washington, D.C., eingereicht. Ein Sprecher von Temu zeigte sich empört und erklärte, Sheins „Dreistigkeit sei kaum zu fassen“. Das Unternehmen, das selbst unter zahlreichen Klagen wegen Urheberrechtsverletzungen leide, „hat die Frechheit, Anschuldigungen gegen andere für genau das Fehlverhalten zu erfinden, für das sie wiederholt verklagt würden“, sagte der Sprecher.
Kritik an chinesischen Produkten in Europa und unfairer Wettbewerb
Beide Unternehmen stehen in Europa stark in der Kritik. Kunden und Behörden bemängeln, dass chinesische Produkte oft nicht die gleiche Sicherheit und Qualität bieten wie die Waren auf westlichen Plattformen. Laut Deutschlandfunk gibt es Berichte über minderwertige oder unsichere Produkte, die nicht den europäischen Vorschriften entsprechen.
Zusätzlich wird vorgeworfen, dass diese Produkte häufig absichtlich unter ihrem tatsächlichen Wert deklariert werden, um niedrigere Zölle oder Steuern zu umgehen. Dies verschafft chinesischen Verkäufern einen unfairen Vorteil gegenüber einheimischen Unternehmen, die sich an die lokalen Regeln halten müssen.
Bundesregierung fordert Konsequenzen wegen manipulativer Kaufanreize
Informationen von ZDF heute zufolge überprüft auch die Bundesregierung rechtliche Schritte gegen Temu und fordert konsequentes Vorgehen wegen des Vorwurfs manipulativer Kaufanreize. Häufig findet das in Form von Glücksrädern und der Chance auf Gutscheine in Höhe von 200 Euro, die auf mehrere Kaufprozesse verteilt und nur innerhalb einer kurzen Zeitspanne eingelöst werden können. Solche manipulativen Praktiken auf Online-Plattformen sind im Digital-Dienste-Gesetz (DDG) der EU verboten.
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