Brisanter Vorschlag
BSW will Zusatzbeiträge bei Krankenkassen abschaffen: „Loch von 45 Milliarden Euro“
Das BSW strebt vor den Bundestagswahlen nach der Zustimmung der Wähler. Die Partei stößt mit ihren Gesundheitsplänen auf heftige Kritik.
Berlin – Das Jahr 2025 wird teuer für die Bürgerinnen und Bürger. Unter anderem haben Krankenkassen eine Anhebung der Zusatzbeiträge angekündigt. Dieser soll um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozentpunkt in diesem Jahr steigen. Allerdings rechnen einige Krankenkassen bereits mit der nächsten Erhöhung. Die Zusatzbeiträge sind auch Teil des BSW-Wahlprogrammentwurfs. Kurz vor Beschließung ihres Wahlprogramms am 12. Januar 2025 für die vorgezogene Bundestagswahl im Februar entfacht eine hitzige Debatte.
Wagenknecht will Zusatzbeiträge abschaffen: Ökonomen bezeichnen Pläne als „Utopien“
Um ein Ende der „Zweiklassen-Medizin“ zu erreichen, will das BSW unter der Führung von Sahra Wagenknecht die Zusatzbeiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung abschaffen. „Wir fordern die Abschaffung der Zusatzbeiträge und die Einführung einer Bürgerversicherung, in die alle Bürger nach ihrem Einkommen einzahlen und grundsätzlich gleiche Leistungen auf dem Niveau der höchsten medizinischen Standards erhalten“, heißt es im Wahlprogrammentwurf. Notwendig sei zudem eine strengere Regulierung der Arzneimittelpreise, gerade für neue Medikamente mit Patentschutz.
Die Forderung, die Zusatzbeiträge abzuschaffen, stößt bei vielen Experten auf Unmut. Die Partei plane „Utopien“ zum Gesundheitswesen, kritisierte der Ökonom Tobias Hentze vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) gegenüber der Frankfurter Allgemeine Zeitung. „Das würde bei den Krankenkassen ein Loch von 45 Milliarden Euro reißen“, warnte Hentze. Die Vorhaben seien widersprüchlich und hätten mit Realpolitik nichts gemein.
Krankenkassen unter Druck – Abschaffung der Zusatzbeiträge würde wenig bringen
Auch Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), äußert sich kritisch: Die Zusatzbeiträge seien ein sinnvolles Instrument, um Wettbewerbsanreize für Krankenkassen zu schaffen. Sollte das BSW die Pläne umsetzen, stellt sich vor allem die Frage, wie die Krankenkassen sich finanzieren sollen.
Der Schätzerkreis der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ging zuletzt für 2025 von einer Finanzierungslücke in einer Größenordnung von 13,8 Milliarden Euro aus. Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2025 werden demnach mit 341,4 Milliarden Euro veranschlagt. Und trotz bereits erfolgter Beitragserhöhungen hat sich laut der Vorstandsvorsitzenden des GKV‑Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, für das zurückliegende Jahr in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit von 5,5 Milliarden Euro angehäuft.
Pläne zu Zusatzbeiträgen und Rente – was die BSW im Programmentwurf fordert
Das BSW hat neben der Abschaffung der Zusatzbeiträge folgende Forderungen für die Gesundheitsbranche vorgeschlagen:
- Krankenhausprivatisierungen stoppen
- Krankenhausreform von Karl Lauterbach (SPD) rückgängig machen
- Höhere Vergütung für Hausärzte
- Einführung einer Pflegevollversicherung, die überwiegend aus Steuermitteln finanziert wird
Auch die Rente kommt häufig im Wahlprogrammentwurf des BSW vor. Doch von den Plänen für die Rente halten die Ökonomen ebenfalls nicht viel. Würde die Wagenknecht-Partei ihr Programm durchsetzen, würde das „immense Verluste für den Staatshaushalt“ bedeuten, so Hentze.
Krankenkassen müssen Zusatzbeiträge anheben
Zum Hintergrund: Die Krankenkassen mussten die Zusatzbeiträge erhöhen, um die klaffende Finanzierungslücke zu stopfen. Höhere Ausgaben für medizinische Versorgung, Pflege und innovative Behandlungsmethoden belasten die Krankenkassen zunehmend. Der Zusatzbeitrag ermöglicht es, diese Kosten zu decken, ohne den allgemeinen Beitragssatz anzuheben.
Die konkrete Höhe des Zusatzbeitrags für 2025 für ihre Versicherten bestimmen die Kassen aber jeweils für sich. Der veröffentlichte Durchschnittswert dient dafür als Orientierung, die Kassen können je nach ihrer Finanzlage auch davon abweichen. Für 2024 liegt der durchschnittliche Zusatzbeitrag bei 1,7 Prozent. Der gesamte Beitrag, den sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen, umfasst daneben noch den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns. Erhöht eine Kasse ihren Zusatzbeitragssatz, haben die Mitglieder ein Sonderkündigungsrecht. (bohy mit Material der dpa)
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