Studie von Roland Berger
Autozulieferer im Wandel: Das Ende der Wachstumsära
Die Gewinnmargen der Automobilzulieferer sinken. Besonders Europa und Südkorea sind betroffen. Welche Länder stehen besser da?
München – Die Automobilzulieferer in Deutschland haben zu kämpfen. Das zeigen nicht nur Meldungen über Werksschließungen und Stellenstreichungen - Bosch und ZF Friedrichshafen sind nur zwei Beispiele. Auch Studien belegen, dass es der Branche schlecht geht.
So sagte Constantin Gall, Marktexperte der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, unter Berufung auf eine Analyse der Beschäftigungs- und Umsatzentwicklung in der Automobilbranche, dass für die deutschen Zulieferer die „Luft immer dünner wird“. Die „Studie Automobilzulieferer“ von PwC Strategy& kommt zu dem Ergebnis, dass die deutschen Zulieferer kontinuierlich Weltmarktanteile verlieren.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: EBIT-Marge ist im Sinkflug
Doch nicht nur deutsche Unternehmen sind betroffen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Berylls wird das Jahr 2025 für die Zulieferer weltweit ähnlich existenzbedrohend wie die Pandemie-Krise. Zum gleichen Ergebnis kommt die Anfang Mai veröffentlichte Studie „Global Automotive Supplier“ der Unternehmensberatung Roland Berger und der US-Investmentbank Lazard, für die weltweit 600 Automobilzulieferer analysiert wurden.
Demnach nagen stagnierende Produktionsvolumina, geopolitische Unsicherheiten, zunehmender Wettbewerb und steigender Kostendruck an der Profitabilität der Unternehmen. Die EBIT-Marge lag 2024 nur bei 4,7 Prozent. Im Jahr davor waren es noch bei 5,3 Prozent und damit immer noch um zwei Prozentpunkte beziehungsweise ein Viertel niedriger als vor der Covid-Pandemie.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: Europa und Südkorea entwickeln sich unterdurchschnittlich
Allerdings gibt es länderspezifische Ungleichgewichte. So stehen chinesische Zulieferer mit einer EBIT-Marge von 5,7 Prozent noch vergleichsweise gut da. Europäische und südkoreanische Unternehmen kommen nur auf 3,6 beziehungsweise 3,4 Prozent und liegen damit unter dem Branchendurchschnitt. Nordamerikanische Zulieferer kommen auf 5,5 Prozent, japanische auf 5,3 Prozent.
Gründe für diese Entwicklung sind eine schwächere Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2024 und schwierige Preisverhandlungen mit den Automobilherstellern (OEMs). Da deren Profitabilität zwar noch höher, aber ebenfalls rückläufig ist, dürften die Margen der Zulieferer auch in den kommenden Jahren unter Druck bleiben.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: Stagformation macht Unternehmen zu schaffen
„Was wir derzeit vor allem in der europäischen und nordamerikanischen Automobilzulieferindustrie beobachten, lässt sich gut als eine Phase der ‚Stagformation‘ beschreiben“, sagt Felix Mogge, Partner bei Roland Berger. „Die Zulieferer erleben einerseits eine Stagnation beim Volumenwachstum und sind andererseits gleichzeitig mit einer Transformation konfrontiert, für die sie ihre Geschäftsmodelle dringend umgestalten müssen.“
Das hat dazu geführt, dass die Branche in den vergangenen Jahren im Vergleich zu anderen Sektoren unterdurchschnittlich abgeschnitten hat. „Die Zulieferer konnten zwar bei den Umsätzen seit der Covid-Pandemie langsam wieder zulegen, doch ihre Rentabilität ist strukturell gesunken, zumal ein guter Teil der Umsatzsteigerung durch die Inflation verursacht wurde, die auch bei den Kosten zugeschlagen hat“, so Mogge.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: Branche wird für Investoren uninteressanter
Die Studienautoren haben fünf Trends als Haupttreiber der derzeitigen Entwicklung bei den Automobilzulieferern identifiziert.
- Das weltweite Produktionsvolumen stagniert mit der Folge von Überkapazitäten, wobei Europa am meisten unter Druck ist. China und Südasien sind dagegen Haupttreiber eines bescheidenen, globalen Automobilwachstums.
- Die Umstellung auf Elektrofahrzeuge kommt in Europa und Nordamerika langsamer voran als geplant, dadurch kommen Skaleneffekte nicht wie erwartet zum Tragen.
- Der Trend zum Software-definierten Fahrzeug mit immer mehr Assistenz- und Konnektivitätsfunktionen ist eine große Chance, aber nicht für alle Zulieferer gleichermaßen, und sorgt für steigende Softwarekosten.
- Der Wettbewerb der OEMs verschärft sich weltweit, vor allem bei Elektroautos drängen neue Spieler in den Markt. Damit steigt der Kostendruck auf die Zulieferer weiter.
- Geopolitische Entwicklungen schaffen hohe Unsicherheit und verändern mit neuen Zöllen und Subventionen den globalen Handel sowie die Lieferketten.
Die sinkende Profitabilität hat Folgen, die über die reine Ertragslage hinausgehen. „Mehr als 40 Prozent der 25 größten Automobilzulieferer sind inzwischen als ‚Non-Investment-Grade‘ eingestuft“, sagt Christian Kames, Co-Head Investment Banking für die DACH-Region bei Lazard. Das bedeutet, sie sind für Investoren uninteressanter geworden.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: Ära des stetigen Wachstums ist vorbei
Das ist laut Kames ein deutlich höherer Anteil als in anderen Branchen: In der Medizintechnik oder im Industrials-Bereich etwa haben weniger als fünf Prozent ein so schlechtes Rating. „Damit steigen die Finanzierungskosten, und dies in einer Zeit, in der die Branche erheblichen Kapitalbedarf hat, um die nötigen Innovationen zu stemmen und die Transformation zu Elektromobilität, Software-definierten Fahrzeugen und mittelfristig zum autonomen Fahren zu bewältigen.“
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Für die Zukunft erwarten die Studienautoren wenig Besserung auf der Marktseite. „Wir gehen eher davon aus, dass die Ära des stetigen Wachstums zu Ende gegangen ist und ein volatiles Umfeld den Druck auf Erträge und Gewinne künftig weiter steigen lässt“, sagt Florian Daniel, Partner bei Roland Berger. Mit konsequenten Effizienzsteigerungsprogrammen, Partnerschaften zur Optimierung und Skalierung des Portfolios, einer Straffung des Produktportfolios und der Konzentration auf strategische Technologien könnten Zulieferer jedoch erfolgreich bleiben.
Automobilzulieferer-Studie von Roland Berger: Unternehmen müssen sich fokussieren
Christof Söndermann, Managing Director bei Lazard und Co-Autor der Studie, rät den Zulieferern, sich zu fokussieren. „In stagnierenden Märkten sind Skalenvorteile oft nur noch zu erzielen, in dem man Konsolidierung durch M&A-Aktivitäten beziehungsweise Partnerschaften verfolgt, was aktiveres Portfoliomanagement als in der Vergangenheit erfordert.“
Zulieferer sollten sich auf Produktsegmente und Technologien konzentrieren, in denen sie nachhaltig wettbewerbsfähig sein können, und gleichzeitig Aktivitäten einstellen, in denen sie realistisch kein „Right to Win“ haben. „Manche Marktteilnehmer werden sich möglicherweise auch komplett neu positionieren müssen, um zu überleben“, so Söndermann.
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