Kooperation mit Tibber
ADAC steigt jetzt ins Stromgeschäft ein – aber der Tarif ist nicht für alle
Wer Mitglied beim ADAC ist, kann ab heute ein neues Angebot nutzen: Der Automobilclub kooperiert mit dem Stromanbieter Tibber und bietet einen dynamischen Stromtarif an.
Berlin – Wenn es um die Energiewende geht, kommt in Deutschland der Ball langsam ins Rollen. Zwar muss noch viel getan werden, um die erneuerbaren Energien so auszubauen, dass die Stromversorgung auch in Zukunft ausreichend gedeckt sein wird. Doch schon jetzt gibt es Lösungsansätze, um nicht nur die Netze zu entlasten – sondern auch noch den Strompreis für Verbraucher und Verbraucherinnen zu drücken.
Eine Möglichkeit bieten dynamische Stromtarife, die in Deutschland immer mehr Anklang finden. Damit wird der Strom stündlich an der Börse eingekauft. Verbraucher und Verbraucherinnen können ihren Strombedarf dann so steuern, dass sie zu besonders günstigen Zeiten – zum Beispiel, wenn die Sonne stark scheint, der Wind weht oder in den Nachtstunden – ihren Stromverbrauch hochschrauben. Dann profitieren sie von den günstigsten Strompreisen.
Dynamische Stromtarife werden immer beliebter
Es gibt mittlerweile immer mehr Unternehmen, die solche dynamischen Modelle anbieten. Seit dem heutigen Dienstag (10. Oktober 2023) ist auch der ADAC in Kooperation mit der Firma Tibber dabei.
Dabei ist das Modell nicht nur an E-Auto-Fahrer gerichtet (was man beim ADAC vielleicht vermuten könnte), sondern im Grunde an alle, die einen digitalen Stromzähler zu Hause haben. Denn den Stromverbrauch anpassen können zu einem gewissen Grad auch alle: Die Waschmaschine muss ja nicht tagsüber, wenn der Strom teurer ist, laufen – sondern vielleicht auch nachts, wenn es günstig ist. Wer Börsenstrom nutzt, denkt neu über den eigenen Verbrauch nach.
Dennoch bieten sich die dynamischen Stromtarife besonders für diejenigen an, die eine Wärmepumpe haben, oder einen Batteriespeicher – oder eben ein E-Auto. „In einem durchschnittlichen Einfamilienhaus beträgt der Stromverbrauch 4000 Kilowattstunden pro Jahr. Wer noch ein E-Auto hat, muss mit ungefähr 2500 kWh zusätzlich rechnen. Da müssen wir uns fragen, wo der Strom herkommen soll“, sagt Sascha Coccorullo, Director Strategy & Innovation beim ADAC im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Wer mit einem Elektroauto einen dynamischen Stromtarif nutzt, könne erhebliche Kosten sparen. Zum Beispiel, indem das Auto nur noch nachts, wenn der Strom an der Börse besonders günstig ist, vollgeladen wird.
Deswegen habe der ADAC sich nun mit Tibber zusammengetan. „Für uns ist es wertvoll, uns mit einem Partner zusammentun zu können, dem so viel Vertrauen entgegengebracht wird“, sagt Merlin Lauenburg, Managing Direktor von Tibber Deutschland. Tibber ist schon seit 2016 in Norwegen und Schweden aktiv, wo dynamische Stromtarife bereits einen viel größeren Platz einnehmen, als es noch hierzulande der Fall ist.
Stromtarif von ADAC und Tibber nicht nur mit Smart Meter
Nach Angaben von Sascha Coccorullo hat sich der ADAC Tibber deshalb als Kooperationspartner ausgesucht, weil sie nicht nur – wie die meisten Anbieter aktuell – Personen, die einen Smart Meter haben, ansprechen. Der Smart Meter ist ein intelligenter Stromzähler, der den eigenen Stromverbrauch und den Börsenstrompreis abgleicht und so vollautomatisiert Strom einkaufen kann. Über den Smart Meter können dann auch Großgeräte wie E-Autos oder Wärmepumpen gesteuert werden.
Das Problem aktuell: In Deutschland besitzen noch sehr wenige Haushalte einen Smart Meter: 2021 waren es gerade mal 160.000. Zwar soll dieser Anteil schrittweise erhöht werden – die Ampel-Koalition hat dazu das Smart-Meter-Gesetz beschlossen, das einen flächendeckenden Einsatz bis 2032 vorschreibt. Doch bis dahin dauert es eben noch.
Viele Haushalte besitzen aber zumindest digitale Stromzähler. Und dafür hat Tibber eine Brückentechnologie, den Strom-Tracker Pulse, das den Zugang zu einem dynamischen Stromtarif ermöglicht. „Pulse kann von jedem Kunden selbst installiert werden“, verspricht Merlin Lauenburg. Der Pulse übermittelt sekündlich Zählerstände an die Tibber App und macht Live-Monitoring des Stromverbrauchs und des aktuellen Börsenstrompreises möglich. In der Regel kostet das Gerät einmalig 99,95 Euro. Für ADAC-Kunden gibt es aber einen Rabatt: Pulse kostet für sie nur noch 34,95 Euro.
Tibber: „Keiner unserer Kunden musste die Strompreisbremse nutzen“
Nach Angaben von Tibber können Kunden mit ihrem dynamischen Stromtarif viel Geld sparen. „Keiner unserer Kunden musste im vergangenen Jahr die Strompreisbremse nutzen“, sagt Lauenburg. Auch wenn in einzelnen Stunden die Preise pro Kilowattstunde auch mal über die 40 Cent stiegen, sei der Durchschnitt immer „deutlich günstiger“ gewesen. In den extrem günstigen Zeiten – das waren in der Regel Sommertage und Feiertage – haben Tibber-Kunden sogar von Negativpreisen profitiert. Dabei erhielten sie „bis zu 50 Cent pro Kilowattstunde“ für ihren Stromverbrauch, sagt der Deutschlandchef.
Die Kooperation mit dem ADAC soll zunächst für ein Jahr laufen. Danach wollen beide Seiten sehen, wie das Angebot angenommen wurde.
Dass dynamische Stromtarife in Zukunft eine sehr wichtige Rolle einnehmen werden, davon sind immer mehr Experten und Expertinnen überzeugt. Ab 2025 müssen deshalb auch alle Stromversorger dynamische Tarife anbieten. Laut der Verbraucherzentrale lag der Strompreis bei diesen Anbietern im September beispielsweise im Schnitt bei 10,07 Cent pro Kilowattstunde - ein Wert, der einen Beschaffungspreis beziffert, auf den noch die gesetzlichen Zuschläge hinzugerechnet werden müssen. Inklusive Mehrwertsteuer lag der Preis bei 27,5 ct/kWh. Der durchschnittliche Strompreis, den die Deutschen bezahlen, lag im Vergleich bei 39,6 ct/kWh für Bestandskunden und bei 30,4 ct/kWh für Neukunden.
Viele Verbraucher und Verbraucherinnen haben sich bisher allerdings noch nicht mit der Thematik befasst. Wie eine Verivox-Umfrage zeigt, haben 61 Prozent der Befragten noch nie von dynamischen Strompreisen gehört, 35 Prozent kennen dieses Modell. Knapp die Hälfte (49 Prozent) kann sich demnach grundsätzlich vorstellen, einen dynamischen Stromtarif in Zukunft zu nutzen.
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