Teil 1 - Ankunft in Oberstdorf
Vierschanzentournee-Tagebuch: Zwei magische Momente - Und diese verflixte Skepsis
Im Tagebuch zur Vierschanzentournee gibt Wintersport-Reporter Tobias Ruf exklusive Einblicke hinter die Kulissen. Hier gibt es das Skispringen-Highlight aus einem anderen Blickwinkel. Im ersten Teil geht es um die Ankunft in Oberstdorf.
Liebe Vierschanzentournee-Fans,
Ich freue mich, dass Ihr mich auf meinem Weg von Oberstdorf bis Bischofshofen begleitet. In meinem Tagebuch möchte ich euch ein Sportevent näherbringen, das mir ganz besonders am Herzen liegt.
Seit vielen Jahren mache ich mich am 28. Dezember auf den Weg. Von meinem Elternhaus, wo ich traditionell das Weihnachtsfest verbringe, geht es nach Oberstdorf. Es ist ein Ort, den ich schon unzählige Male besucht habe. Der aber trotzdem in jedem Jahr etwas in mir auslöst.
Es ist dieser erste magische Moment, wenn ich Oberstdorf erreiche und von meinem Parkplatz am Langlaufstadion die Schattenbergschanze sehe. Spätestens jetzt ist Weihnachten vergessen. Jetzt kommen viele Erinnerungen, viele Gefühle und noch größere Hoffnungen in mir hoch.
Ich muss gestehen, dass ich während der zehn Tage von Oberstdorf bis Bischofshofen meine journalistische Objektivität nicht immer halten kann. Zu groß ist die Sehnsucht nach einem deutschen Sieg bei der Vierschanzentournee - 23 Jahre ist eine verflixt lange Zeit. Als Teenager habe ich mit Sven Hannawald gejubelt. Als 40-Jähriger warte ich noch immer auf seinen Nachfolger.
Das Auto ist geparkt, mit dem Shuttlebus geht es ins Zentrum von Oberstdorf. In der kleinen, malerischen Berggemeinde schlägt das Herz der Vierschanzentournee. Die engen Gassen sind zum Jahreswechsel prall gefüllt mit Wintersportfans aus aller Welt. An keinem Austragungsort ist die Tournee so allgegenwärtig, wie es in Oberstdorf der Fall ist.
Im Oberstdorf-Haus, dem zentralen Veranstaltungsort der südlichsten Gemeinde Deutschlands, hole ich meine Akkreditierung ab. Den Stellenwert der Vierschanzentournee erkennt man hier sehr deutlich. Es gibt kaum ein Wintersportevent, bei dem der Presseandrang so groß ist.
Neben vielen deutschen und österreichischen Journalisten treffe ich hier Kollegen aus aller Welt. Die meisten Mitstreiter kommen aus Polen, aber auch viele slowenische, norwegische und Schweizer Reporter sind zugange - und dann ist in jedem Jahr eine kleine Presse-Mannschaft aus Japan mit dabei.
Mit dem Shuttlebus geht es für uns Journalisten nach oben an die Schanze. Während die Fans auf die Tribünen strömen, geht es für uns nach unten - in den Bauch der Schanze. Im Presseraum sollte man früh dran sein. Die Plätze sind begrenzt und gerade zum Tourneestart heiß begehrt.
Wir nähern uns dem zweiten magischen Moment. Zunächst wird der Laptop abgestellt, dann werden die Kollegen begrüßt. Es hat etwas von einem Klassentreffen. Viele Gesichter sind seit Jahren mit dabei. Man kennt sich und hat über all die Jahre viel gemeinsam erlebt. Wenn alles Organisatorische erledigt ist, geht es über den Innenraum nach oben.
Wir laufen auf den goldenen Adler zu. Die Trophäe, um die sich die kommenden zehn Tage alles drehen wird. Jetzt haben wir den magischen Moment erreicht. Auch wenn es längst Routine sein sollte, überkommt mich immer wieder Gänsehaut am ganzen Körper, wenn die Fans auf den Tribünen so richtig Alarm machen und es endlich wieder losgeht.
In diesem Moment ist auch die Skepsis vergessen, die ich schon beim Einsteigen ins Auto mit auf die Reise nehme. Wird der deutsche Tournee-Fluch endlich ein Ende haben? Ist Pius Paschke stark genug, oder wird der Druck zu groß? Und was ist mit Andi Wellinger? Die kommenden Tage werden es zeigen. Ich bin in diesem Jahr ungewöhnlich zuversichtlich.
In diesem Sinne,
Viel Spaß mit dem Start in die Vierschanzentournee! Euer Tobias Ruf
In der kommenden Ausgabe blicke ich dann auf den Start in Oberstdorf zurück und habe weitere spannende Einblicke mit dabei.
Gibt es etwas, was Ihr schon immer über die Vierschanzentournee wissen wolltet? Schreibt mir gerne eine Mail unter tobias.ruf@ovbmedia.de. (Quelle: chiemgau24.de, truf)
