Trümmerteil stürzt auf die Erde
Weltraumschrott im Anflug: Warum man den genauen Absturzort und -zeitpunkt nicht weiß
Ein Stück Weltraumschrott soll auf die Erde stürzen – doch keiner weiß, wann und wo genau. Das hat gleich mehrere Gründe. Eine Analyse.
Frankfurt – Irgendwann zwischen Mittag des 8. März und Mittag des 9. März soll ein Stück Weltraumschrott in die Erdatmosphäre eintreten. Ein Großteil davon wird verglühen – doch nicht alles, denn das Objekt ist zu dicht und zu groß dafür. Fachleute gehen davon aus, dass Fragmente des Batterieblocks, der vor drei Jahren von der Internationalen Raumstation ISS abgeworfen wurde, den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen. Er rechne damit, dass etwa 500 bis 700 Kilogramm des 2,6 Tonnen schweren Trümmerteils in Fragmenten auf die Erde stürzen, erklärt der Astrophysiker Jonathan McDowell gegenüber fr.de von IPPEN.MEDIA.
Warnungen über die Apps NINA und Katwarn sorgten dafür, dass ganz Deutschland nun auf ein Trümmerteil blickt, das der Erde entgegen taumelt. Doch wann genau tritt es in die Erdatmosphäre ein, wo genau kann man mit dem „Batterie-Regen“ rechnen? Ein genauer Eintrittszeitpunkt und Absturzort lassen sich erst kurz vorher benennen – womöglich kann man auch erst nach dem Absturz sagen, wann und wo es geschah. Das hat mehrere Gründe.
Wann fällt der Weltraumschrott auf die Erde? Eine Vorhersage ist schwierig
Der Hauptgrund dafür ist, dass der Absturz des Weltraumschrotts unkontrolliert stattfindet. Das heißt: Niemand kann beeinflussen, wann etwas passiert. Keine Raumfahrtorganisation kann Triebwerke zünden und dafür sorgen, dass das Trümmerteil zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer festgelegten Stelle herunterkommt. So wird es mit großen Raumschiffen gemacht – beispielsweise soll die Raumstation ISS 2031 gezielt über dem „Raumschifffriedhof“ an Point Nemo zum Absturz gebracht werden. Dabei handelt es sich um eine Stelle im Meer, an der weit und breit kein Land in der Nähe ist. Auch der große Esa-Satellit „Aeolus“ wurde so im vergangenen Jahr aus dem Erdorbit geholt.
Die wichtigsten Fragen zum Weltraumschrott
Wo befindet sich der Weltraumschrott gerade? Eine Karte zeigt das ISS-Trümmerteil live.
Wer haftet, wenn Weltraumschrott mein Haus trifft? Für Trümmerteile aus dem Weltall ist die Haftung geklärt.
Welche Gefahr geht von Weltraumschrott für die Erde aus? Tatsächlich ist die Gefahr für die Raumfahrt größer als für die Erde.
Doch der Weltraumschrott, der derzeit von vielen beobachtet wird, lässt sich nicht steuern. Man weiß, wie schwer das Trümmerteil ist (etwa 2,6 Tonnen) und man weiß, welche Maße es hat (2x4x1,5 Meter). Dazu ist bekannt, woraus es besteht, nämlich aus ausrangierten Batterien von der Internationalen Raumstation ISS. Nachdem der Batterieblock im März 2021 von der ISS abgeworfen wurde, hatte er erst einmal eine Zeit lang eine ähnliche Umlaufbahn wie die Raumstation. Die umkreist die Erde einmal innerhalb von 90 Minuten und überfliegt dabei alle Regionen unseres Planeten, die sich zwischen 51,6 Grad nördlicher und 51,6 Grad südlicher Breite befinden.
ISS-Trümmerteil sinkt unaufhaltsam der Erde entgegen
Auch von Deutschland aus kann man die ISS gelegentlich am Himmel beobachten – und auch der Weltraumschrott fliegt über Deutschland und könnte theoretisch dort abstürzen. Praktisch gesehen ist das jedoch eher unwahrscheinlich. Fachmann McDowell rechnet mit einer Wahrscheinlichkeit von nur einem Prozent für einen Absturz über Deutschland und auch in den Warnungen des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt es, die „Wahrscheinlichkeit des Auftreffens von Trümmerteilen in Deutschland ist nach jetzigen Informationen als sehr gering einzuschätzen“.
Im Laufe der drei Jahre, die der Batterieblock die Erde nun schon umkreist, ist seine Umlaufbahn immer weiter abgesunken. Schuld daran ist die Gravitation der Erde, die alles in ihrer Umlaufbahn anzieht. Das gilt nicht nur für unkontrollierten Weltraumschrott, sondern auch für aktive Satelliten oder die Internationale Raumstation. Deren Umlaufbahn wird regelmäßig durch Triebwerke wieder angehoben.
Wie schnell Weltraumschrott absinkt, kann man nicht vorhersagen – die Sonne ist schuld
Das Problem: Wie schnell die Umlaufbahn eines Satelliten oder von Weltraumschrott absinkt, kann man nicht genau vorhersagen. Es hängt nämlich auch damit zusammen, wie sich die Sonne verhält. Gibt es starke Sonnenaktivitäten – etwa einen Sonnensturm, der auf die Erde zurast – verändert sich die Erdatmosphäre. Sie wird dichter – alles, was sich in einer niedrigen Erdumlaufbahn befindet, sinkt so schneller ab. Das kann auch Satelliten zum Verhängnis werden, wie das private Raumfahrtunternehmen SpaceX vor einiger Zeit feststellen musste: Gleich 40 gerade erst gestartete „Starlink“-Satelliten stürzten nach einem Sonnensturm ab.
Die Sonnenaktivität ist nicht langfristig vorherzusagen, deshalb bleibt es auch für Fachleute ein Rätsel, wie viel Einfluss sie auf den Weltraumschrott hat. Fest steht nur, dass die Sonne sich derzeit am Beginn ihres Sonnenfleckenmaximums befindet und derzeit aktiver ist, als sie es in den vergangenen Jahren war.
Weltraumschrott aktuell: Kein genauer Absturzort bekannt
Nimmt man nun die Geschwindigkeit des Weltraumschrotts zusammen mit der Ungenauigkeit, die durch die Sonnenaktivität und die Beschaffenheit der Erdatmosphäre entsteht, ist klar, warum es keine genauen Prognosen zum Absturzort oder -zeitpunkt geben kann: Niemand kann derzeit genau vorhersagen, welche Umlaufbahn des Trümmerteils die letzte ist und wann der Weltraumschrott so tief absinkt, dass er verglüht. Und weil das niemand genau vorhersagen kann, kann auch niemand sagen, wo sich der Weltraumschrott befinden wird, wenn er abstürzt. Doch je näher der Absturz kommt, desto genauer dürften auch die Prognosen werden.
Wann der Weltraumschrott über welche Teile Deutschlands fliegt
17.51-17.52 Uhr: Eifelkreis – Gießen – Erfurt – Leipzig – Dresden – Görlitz – hier sind Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet im gefährdeten Korridor
19.22-19.23 Uhr: Ruhrgebiet – Nordhessen – Leipzig – Dresden – Görlitz – hier ist Kassel im gefährdeten Korridor
20.54-20.54 Uhr: Breisgau – Hochschwarzwald – Oberallgäu
Quelle: Überflugkarte des BBK
Sicher ist nur: Der Batterieblock wird bald auf die Erde stürzen und dabei sehr wahrscheinlich nicht komplett verglühen. Berücksichtigt man, dass die Oberfläche der Erde zu mehr als 70 Prozent von Wasser bedeckt ist und auch die Flugbahn des Trümmerteils häufig über Wasser führt, scheint es eher unwahrscheinlich, dass ausgerechnet Deutschland vom Weltraumschrott getroffen wird. Wo das Trümmerteil abstürzt, wird letztendlich die Zeit zeigen. (tab)
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