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Besuch bei Georg Höllbacher und seinen Herdenschutzhunden

Wolfsabwehr auf vier Pfoten: „Die Gesellschaft ist nicht bereit für Herdenschutzhunde“

Georg Höllbacher, ehemaliger Obmann des Züchterverbandes für Schafe und Ziegen mit seinen drei Herdenschutzhunden Jenny, Mascha und Paolo.
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Georg Höllbacher, ehemaliger Obmann des Züchterverbandes für Schafe und Ziegen mit seinen drei Herdenschutzhunden Jenny, Mascha und Paolo. Sie bewachen die 34 Schafe am Bauernhof bei Bad Vigaun.

Hundstage für den Wolf: Herdenschutzhunde werden seit Jahrhunderten eingesetzt, um Weidetiere vor großen Beutegreifern zu schützen. Bei uns in Bayern sind die Hunde allerdings selten anzutreffen. Dass Herdenschutzhunde ein effektives Mittel gegen Attacken von Wölfen und sogar Bären sind, stünde außer Frage, erklärt uns Georg Höllbacher, ehemaliger Obmann der österreichischen Schafzüchter. Im zweiten Teil unserer zweiteiligen Serie erfahren wir, warum der Schafbauer denkt, die Gesellschaft sei nicht bereit für diese mutigen Hunde.

Bad Vigaun - Erstaunlich, wie schnell das geht. Gerade noch stehen wir bei Georg Höllbacher vor dem Schafzaun und die drei Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde schmettern uns ihr lautes Bellen entgegen. Im nächsten Moment begreifen sie: Wir sind mit dem Herrchen da und sind somit keine Gefahr für ihre Schafe.

Im ersten Teil unserer zweiteiligen Serie beschreiben wir die beeindruckende Begegnung mit Jenny, Mascha und Paolo. Im zweiten Teil erzählt uns Höllbacher, wie er auf den Hund gekommen ist und welche Probleme sich stellen, wenn Weidetiere mit Herdenschutzhunden bewacht werden:

Wer glaubt, die Hunde liegen auf der faulen Haut, täuscht sich. Herdenschutzhunde arbeiten im Team. Sie beobachten permanent die Umgebung, um Gefahren schnell erkennen zu können. Das ist anstrengender als es aussieht. Deshalb sollten immer mindestens zwei Hunde, besser drei bis vier, eine Herde bewachen. So können die Herdenschutzhunde sich abwechseln. Beim Angriff eines Wolfes bleiben dann einige bei der Herde, während die anderen möglichst laut und bedrohlich den Eindringling vertreiben.

Wie Höllbacher auf den Hund kam: Gründung von nationaler Beratungsstelle Herdenschutz

Angefangen habe alles damit, dass Georg Höllbacher als Bundesobmann vom österreichischen Bundesverband für Schafe und Ziegen eingeladen wurde, sich an einem Beratungsgespräch zum Thema große Beutegreifer in Österreich zu beteiligen: „Und ja, das hat mich auch interessiert und es ist dann so gekommen, ich war Leiter der gegründeten nationalen Beratungsstelle Herdenschutz in Österreich.“ Im Zuge dieser Tätigkeit wollte Höllbacher ein Projekt mit Herdenschutzhunden starten. Nach einiger Zeit fanden sie dafür in Tirol ein geeignetes Terrain.

Rassebeschreibung Maremmano-Abruzzese (Quellen: Wikipedia; maremmanen.eu)

Herdenschutzhunde gelten als gefährlich, schwer erziehbar und unberechenbar. Am Beispiel des Maremmen-Abruzzenschäferhundes hier ein paar Fakten zu den eigentlich sensiblen, hochintelligenten Tieren:

Höhe: Rüden: 65 - 73 cm, Hündin: 60 - 68 cm

Gewicht:Rüden: 35 – 45 kg, Hündin: 30 – 40 kg

Fellfarbe: weiß

Herkunft Der Maremmen-Abruzzen-Schäferhund (kurz Maremmano) stammt aus dem Landstrich zwischen der westlichen Toskana (Maremma) und den Abruzzen. Diese Rasse wird in ihrem Ursprungsland Italien heute noch genauso wie früher zur Arbeit an den Schafherden eingesetzt. Ihre Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Herde zu bewachen und vor Wölfen, Bären oder anderen Raubtieren zu schützen.

Charakter
Der Maremmano-Abruzzese ist bei richtiger Haltung und guter Sozialisierung vom Welpenalter an ein sehr stolzer, gelassener, geduldiger und sensibler Hund, der selbst als Rüde außerhalb seines Reviers auf andere Hunde sehr freundlich reagiert. Im Umgang mit Familienmitgliedern ist er sehr sanft, Fremden gegenüber reagiert er zurückhaltend und misstrauisch. Da der Maremmano ein Arbeitshund ist, braucht er eine Aufgabe, die darin bestehen kann, Grundstück und Familie zu beschützen. Zwingerhaltung ist bei dieser Rasse ausgeschlossen, da sie ihren Freiraum brauchen.

Erziehung
Seiner Bestimmung gemäß wird ein Arbeitshund mit den Schafen aufgezogen und beschützt dann seine Herde. Man kann diese Fähigkeit auch für jede andere Tierart (z. B. Rinder, Pferde, Geflügel) nutzen. Ist der Hund auf den Menschen geprägt, verhält er sich gegenüber seiner Familie wie ein aufmerksamer Beschützer. Durch jahrhundertelange Züchtung ist der Maremmano ein sehr selbstständiger, aufmerksamer und intelligenter Hund. Gerade durch seine Selbstständigkeit und Intelligenz lässt sich ein Maremmano, nicht, wie man es von anderen Hunderassen kennt, abrichten. Jedoch kann man durch ein gewisses Maß von Erziehung bestimmte Eigenschaften fördern. Dafür braucht man Einfühlungsvermögen, Geduld und Liebe, aber vor allem ausreichend Wissen über Hirtenhunde. Dann wird aus einem Maremmano ein zuverlässiger Begleiter.

Aufgabe Er lebt selbstständig, ohne Unterstützung des Hirten mit der Herde. Seine Aufgabe besteht nicht darin, die Herde zu treiben, sondern die Herde vor Raubtieren zu beschützen. Der Maremmano greift ein Raubtier nicht sofort an, sondern versucht durch tiefes Grollen oder Bellen und Drohgebärden zu zeigen, dass es sich hier nicht lohnt. Sollte das den Eindringling nicht abschrecken, reagiert der Maremmano mit entschlossener Gegenwehr. Nur im äußersten Notfall geht ein Maremmano eine blutige Auseinandersetzung ein. Wanderer, die genügend Abstand zur Herde lassen, werden aus der Ferne nur misstrauisch beobachtet und können ihren Weg fortsetzen.

Modellprojekt Herdenschutz in Tirol: Hirte und Hunde gesucht

Im Dorfertal in Osttirol sollten insgesamt 1200 Schafe inklusive Hirte und Herdenschutzhunde als Modellprojekt aufgetrieben werden und so zur Bewertung von Herdenschutz beitragen. Das Problem damals: Es fanden sich weder Hunde noch Hirten: „Das ist alles super vorbereitet gewesen. Das Einzige, wo wir völlig blank waren, war die Behirtung und das mit den Herdenschutzhunden.“ Auch bei den Schweizer Kollegen waren damals ausgebildete Herdenschutzhunde knapp. Man lud Höllbacher aber zu einer Studienreise ein: nach Italien, in die Abruzzen.

Jenny, Paolo und Mascha: immer auf der Lauer. Während Hütehunde wie Border Collie oder Australian Sheppert dafür zuständig sind, Schafherden zusammenzutreiben, obliegt die Sicherheit der Herde bei den Herdenschutzhunden.

Studienreise in die Abruzzen: Vier vierbeinige Italiener ziehen um

„Ich dachte, bei dieser Gelegenheit kann man sicherlich auch Herdenschutzhunde kaufen für dieses Projekt. Das haben wir dann gemacht und haben dann zwei Junghunde mit aufgenommen, mit einem Jahr ungefähr, die schon bei der Herde waren. Eine davon, die Hündin, die ist bei mir, die hat dann bei mir auch einen Wurf gehabt.“ Außerdem haben sie noch zwei Welpen aus der italienischen Bergregion mitgenommen. Und so waren für das Projekt vier Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde gefunden. Eine davon wohnt mittlerweile bei Georg Höllbacher: die zehnjährige Jenny, Mutter von Mascha und Paolo.

Modellprojekt Herdenschutz in Tirol scheitert: Bauern und Hirte im Konflikt

Die Probleme, die Höllbacher damals mit seinem Projekt hatte, stehen teilweise stellvertretend für die Hürden, die sich beim Thema Herdenschutz noch immer stellen: Nachdem Hunde gefunden waren, gab es Probleme, einen Hirten für die große Herde zu einzustellen. Selbst in Italien, erzählt uns Höllbacher, seien die Schafbauern auf Hirten aus Rumänien angewiesen. Zu wenige wollen den anstrengenden Job machen. Für das Projekt in Tirol konnte letztlich ein versierter Hirte gefunden werden. Mit 800 Schafen ging es in die Berge. Aber dann waren einige Schafe krank, was der Hirte bei den Besitzern anmahnte. Das missfiel vielen Bauern und so kippte das Projekt letztlich.

„Man nennt es Populismus“ - Leere Versprechen zum Thema Wolf seitens der Politik?

Was sind denn neben dem Mangel an bezahlbaren Hirten Gründe, warum so wenig Bauern bei uns Herdenschutzhunde einsetzten? „Es ist ja nicht so, dass ich jetzt sage, du, der Bauer, der ist einfach engstirnig, man kaut dem ja Dinge vor, wo ich sage, ja, man nennt es halt Populismus.“ Die Politik verspreche den Bauern schnelle und einfache Lösungen durch den Abschuss der Wölfe, erklärt Höllbacher. Darauf verließen sich dann viele und sehen keinen Grund für die Anschaffung von Herdenschutzhunden. Es gibt aber auch noch andere Faktoren:

Sie sehen aus wie flauschige Eisbären: Die Maremmen-Abruzzen-Schäferhunde. Weißes Fell, schwarze Lefzen und Augen. Sie haben ein freundliches Wesen, beim Beschützen ihrer Herde sollte man sie aber nicht stören. Wanderer verhalten sich oft trotz Warnschildern falsch und nähern sich der Herde.

„Bei uns nicht Usus, sich auf Almweiden entsprechend zu Verhalten“ - Herdenschutzhunde polarisieren

„Erstens einmal gibt es irrsinnig viele Leute, die haben Angst vor dem Hund. Bauern wie Touristen. Und da muss man sagen, für die ist es eine riesige Herausforderung, wenn ich jetzt sage, sie werden ständig mit Hunden konfrontiert.“ Weil es eben, im Gegenteil zu Italien, bei uns nicht Usus sei, so Höllbacher, sich auf den Almweiden entsprechend zu verhalten: „Bei uns ist es schön idyllisch, mit Kälbern auf der Alm und Mutterkühen, man kann die Kinder auf die Kuh setzen und so weiter. Das ist idyllisch, ja, entspricht aber nicht dem, wie eine Tierherde im alpinen Raum zu schützen ist.“

Nicht anlocken, nicht füttern, nicht berühren. Verhaltensregeln für Wanderer in Sachsen-Anhalt, wo der Wolf bereits wieder heimisch ist. Laut Höllbacher sei es ein großes Problem, Touristen und Wanderern den richtigen Umgang mit Weidetieren und dazugehörigen Herdenschutzhunden zu vermitteln.

„Wenn ich in die Herde mitten reinlaufe, bin ich ein Eindringling“

Ist es denn so schwer, den Leuten zu vermitteln, einfach eine Herde großräumig zu umgehen und somit auch nicht mit Herdenschutzhunden in Konflikt zu geraten? Höllbacher nennt ein Beispiel, wie er es schon oft erlebt hat: „Da kommt einer daher, fast im Laufschritt, die Schafe sind da auf dem Steig rundherum und die Hunde sind auch da. Er geht mittendurch. Weil da ist der Steig, da gehe ich. Da habe ich das Recht. Und kein Verständnis dafür, dass der Herrenschutzhund seine Herde beschützt, dass er dafür da ist. Und wenn ich in die Herde mitten reinlaufe, dann bin ich ein Eindringling.“

Außerdem sei das laute Gebell der Herdenschutzhunde, die im Normalfall Eindringlinge akustisch in die Flucht schlagen, ohne anzugreifen, schon gewöhnungsbedürftig. Georg Höllbacher fasst die Problematik der Nutzung von Herdenschutzhunden bei uns in der Region mit einer Gegenfrage zusammen:

„Wieviele sind bereit, sich an die Regeln zu halten?“

„Wie viel von der öffentlichen Gesellschaft, glauben Sie, wäre da bereit, sich dann an Regeln zu halten? Weil die Bären zurückkommen, die Wölfe zurückkommen. Dass ich gewisse Bereiche schützen muss, wie zum Beispiel Nutztiere, dass aber auch der Mensch in einer gewissen Weise geschützt werden muss und der Mensch sich darauf einstellen muss, dass er geschützt wird?“

Herdenschutzhunde als Familienmitglied? Die Tierheime sind randvoll mit abgegebenen Herdenschutzhunden. Wer sich einen Herdenschutzhund ins Zuhause holt, sollte sich mit der Rasse auseinandersetzten: Bedingungslosen Gehorsam sollte man nicht erwarten. Die Herdenschützer wurden gezüchtet, um eigenständig Entscheidungen zu treffen. Wer sich mit der Rasse auseinandersetzt, kann aber in einem Herdenschutzhund einen treuen Begleiter finden. Hier sieht man: Die 8-jährige Nina Fischer aus Mainz und „ihr“ Herdenschutzhund haben eine gute Bindung und besuchen zusammen die Rassehunde-Ausstellung in Erfurt.

Herdenschutz im Zuge der Rückkehr des Wolfes: „Gesellschaft nicht bereit“

Die Rückkehr des Wolfes, wie sieht das Georg Höllbacher? Es seien spannende Tiere und er sei da auch sehr interessiert. Persönlich habe er nichts gegen die Rückkehr der großen Beutegreifer, als Schafhalter findet er das natürlich nicht so gut. Aber Sorgen um seine Tiere mache er sich nicht, sagt er, und lächelt zufrieden. Klar, Jenny, Mascha und Paolo machen ihren Job gut: „Herdenschutzhunde sind die Wahl beim Schutz von Herden, aber die Gesellschaft müsste umdenken. Die Gesellschaft ist nicht bereit für Herdenschutzhunde.“

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