Rasanter Aufstieg
Auf den Spuren von Bredow-Werndl: Erstes Weltcup-Finale für Raphael Netz und Great Escape Camelot
Der 25-jährige Dressurreiter Raphael Netz und sein Wallach Great Escape Camelot sind im Weltcup-Finale. Deshalb hat damit niemand gerechnet.
Aubenhausen – Damit rechnete niemand, nicht einmal Raphael Netz selbst. Mit gerade mal 25 Jahren qualifizierte sich der mehrmalige Jugend-Europameister in seiner ersten Weltcup-Saison für das Finale in Riad/Saudi-Arabien. „Es war nicht einmal knapp. Wir sind Siebte der Weltcup-Rangliste. Die besten neun Paare der Westeuropa-Liga kommen in die Endrunde“, berichtete er stolz am Telefon. Mit dem 13-jährigen niederländischen Wallach Great Escape Camelot vertritt er nun das „Team Aubi“ beim bedeutendsten Hallenchampionat der Welt.
Rasanter Aufstieg
Jessica von Bredow-Werndl erklärte schon frühzeitig ihren Verzicht auf die Titelverteidigung, um sich mit der 17-jährigen TSF Dalera BB ganz auf die Olympischen Spiele konzentrieren zu können. Neben Netz werden zwei weitere Deutsche reiten. Isabell Werth, Führende der Westeuropa-Liga, wird bei ihrem 25. Weltcup-Finale mit DSP Quantaz starten, Matthias Alexander Rath ist zum zweiten Mal dabei und wird Destacado satteln. Am Mittwoch findet der Grand Prix statt, am Freitag die entscheidende Grand Prix-Kür.
Netz‘ Qualifikation ist umso erstaunlicher, da er seinen vierbeinigen Partner erst seit knapp eineinhalb Jahren kennt. Die Schweizer Olympiateilnehmerin Estelle Wettstein hatte den leichtfüßigen Dunkelbraunen bis zum Grand Prix ausgebildet. Jetzt steht Netz der Wallach dank seiner Sponsorin Sonja Krall langfristig zur Verfügung. In der Weltrangliste liegt das Paar aktuell auf dem 18. Platz, ein rasanter Aufstieg. 2022 sah Netz‘ sportliche Zukunft ungewiss aus. Damals ging der langjährige Mitarbeiter der Geschwister Werndl ein hohes Risiko ein. Nach dem Gewinn von insgesamt zehn Medaillen bei europäischen Meisterschaften beendete er vorzeitig seine U25-Karriere und wagte den Sprung in die Altersklasse der Reiter. Umso mehr freut er sich jetzt. „Ich hätte nicht gedacht, dass es gleich so gut läuft.“
Zweiter Teamplatz in den Niederlanden
Vor einem guten Jahr absolvierte der Berufsreiter mit Great Escape Camelot einen ersten nationalen Grand Prix im österreichischen Stadl-Paura. Einige Wochen später folgte das internationale Debüt beim Drei-Sterne-CDI in Hagen. Die Fünf-Sterne-Premiere bei der Pferd International in München verlief so erfolgreich, dass Netz bei Bundestrainerin Monica Theodorescu anfragte, ob er „vielleicht mal eine kleine Weltcup-Station reiten dürfte“, so erzählte er. Erst einmal standen für das Paar allerdings die ersten Deutschen Meisterschaften in Balve und der erste Nationenpreis-Einsatz auf dem Programm. In Rotterdam/Niederlande trugen Netz und Great Escape Camelot zum zweiten Teamplatz bei.
„Ich musste Camelot nichts Neues beibringen“
Danach ging es immer weiter bergauf. Beim ersehnten Weltcup-Einstand in Polen gelang dem Duo auf Anhieb der Sieg im Grand Prix und der zweite Platz in der Kür. Danach sammelte es Weltcup-Punkte bei Starts in Herning, Stuttgart, Mechelen und Neumünster. In seiner Kür zu Filmmusik aus „Drachenzähmen leicht gemacht“ kam das Paar schon zweimal über die magische 80-Prozent-Marke.
Ganz mühelos und geradlinig verlief die gemeinsame Karriere anfangs nicht. Der Prozess des Zusammenwachsens erfordert immer viel Einfühlungsvermögen, Geschick und Arbeit. „Ich musste Camelot nichts Neues beibringen, aber ihn in der Reitweise etwas umstellen. Dabei habe ich versucht, ihm zuzuhören und dass er mir zuhört. Sein Charakter war der größte Pluspunkt“, erläuterte Netz. Der Wallach sei sehr lernwillig und ein kleiner Workaholic. Ein abwechslungsreiches Training und das richtige Arbeitsmaß waren Bausteine des Erfolgs. Auch am Management, von der Fütterung über den Koppelgang bis zum Schmied, tüftelte Netz‘ Team lange. „Camelot muss glücklich sein“, lautet die Maxime.
Frech und munter wie immer
Zur Vorbereitung aufs Weltcup-Finale ritt Netz einmal wöchentlich die Grand Prix-Aufgabe komplett durch, ansonsten verfolgte er seinen regulären Ausbildungsplan zielstrebig weiter. Seit ein paar Tagen ist das Paar in Riad. Great Escape Camelot hat den Flug gut überstanden und ist nach Aussage seines Reiters „frech und munter wie immer“. Durch die Teilnahme an vier U25-Europameisterschaften kennt Netz die Rahmenbedingungen internationaler Championate. Aufregung und (Vor-)Freude halten sich bei ihm die Waage. „Jetzt geht es darum, uns locker und fit zu halten, uns auf die Prüfungen zu konzentrieren und dort unser Bestes zu geben“, weiß er.
Zusätzliche Sicherheit gibt ihm, dass neben Camelots Pflegerin Natalie Lutz, seine Freundin Selina Söder, seine Mutter Janet Netz und die beiden Pferdebesitzerinnen Sonja Krall und Therese Boss in Riad live die Daumen drücken werden. Der erste Eindruck von der Organisation, den Ställen und Reitplätzen sowie dem Stadion ist nach Netz‘ Worten gewaltig. „Das ist definitiv ein fantastisches erstes Weltcup-Finale für uns.“
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