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Bei den Munich Ravens

„6000 Menschen jubeln nur für dich“: Das erlebt ein Rosenheimer in Europas Football-Topliga

„Das war schon verrückt“: Jonas Gürntke (2. von rechts) spielt in Unterhaching vor 6000 Fans.
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„Das war schon verrückt“: Jonas Gürntke (2. von rechts) spielt in Unterhaching vor 6000 Fans.

Seit letzter Saison ist ein Rosenheimer Teil der European League of Football (ELF). Jonas Gürntke ist Free Safety bei den Munich Ravens. Warum es beinahe nie dazu gekommen wäre und was er im ersten Jahr erlebt hat, verrät er im Interview.

München – Eigentlich wollte Jonas Gürntke schon aufhören und in der zweiten Fußball-Mannschaft seines Heimatvereins zum Spaß kicken. Nun ist der American-Football-Spieler aus Rosenheim in der besten Liga Europas angelangt und bestreitet sogar Pflichtspiele in Barcelona. Der 23-jährige Gürntke spielt bei den Munich Ravens in der European League of Football (ELF) auf der Position des Free Safety. Er machte seine Anfänge in der U19 der Rosenheim Rebels und lief später für die Herrenmannschaft der Rosenheimer in der Bayernliga auf. Im Interview erzählt der Defensivspieler der Ravens, der aktuell im sechsten Semester Wirtschaftspsychologie in München studiert, über seine Anfänge, die erste Saison und warum diese für ihn frühzeitig geendet hat.

Free Safety bei den Munich Ravens: Jonas Gürntke.

Wie sind Sie zum Football gekommen?

Jonas Gürntke: Wie fast jeder Bub in Deutschland habe ich mit vier Jahren bei meinem Heimatverein SV Tattenhausen mit dem Fußballspielen begonnen. 2017 bin ich nach Rosenheim gezogen und habe im Fernsehen immer die NFL geschaut. Ich wollte eine neue Sportart ausprobieren und bin dann zu den Rosenheim Rebels ins Jugendtraining gegangen.

Wie sind Sie zu Ihrer Position gekommen?

Gürntke: Meine Stärke war schon immer die Schnelligkeit. Ich konnte mir dann anfangs aussuchen, ob ich in der Verteidigung oder im Angriff spielen will. Und habe mich für die Passverteidigung entschieden. Mein damaliger Trainer in Rosenheim hat selbst auf der Position des Cornerback gespielt und hat es mir beigebracht. In der Jugend bin ich später auf den Free Safety gewechselt, da wir auf dieser Position niemanden hatten. Bis heute bin ich dabei geblieben.

Haben Sie darauf hingearbeitet, Football auf Top-Niveau zu spielen?

Gürntke: Das war eher Zufall. Ich habe sogar wieder öfter Fußball bei meinem Heimatverein in der zweiten Mannschaft gespielt und war kurz davor, mit dem American Football aufzuhören. Dann wurde bekannt, dass in München eine ELF-Franchise gegründet wurde und Probetrainings stattfinden. Ich habe ein Highlight-Tape von mir zusammengeschnitten und zu den Ravens geschickt. Daraufhin wurde ich zum Probetraining eingeladen.

Wann und wie haben Sie erfahren, dass Sie bei den Ravens spielen werden?

Gürntke: Im November 2022 fanden im Münchener Olympiastadion die Tryouts der Ravens statt. 40-Yard-Sprints, laterales und vertikales Springen und so weiter. Das wurde alles gefilmt und anschließend ausgewertet. Dann habe ich den Anruf von unserem Sportdirektor bekommen, dass sie mich wollen.

Wie haben Sie die Mannschaft kennengelernt?

Gürntke: Bis April hatten wir zwei, drei Veranstaltungen als Team. Erst auf dem Trainingsplatz, als es richtig losging, haben wir uns alle kennengelernt. Das war alles neu und sehr überwältigend für mich. Die anderen kannten sich schon aus anderen Vereinen, ich war der einzige Spieler, der südlich von München wohnte. Ich habe mich dann aber relativ schnell eingelebt.

Haben Sie als neu gegründetes Team schnell zusammengefunden?

Gürntke: Als neues Team ist das immer etwas schwierig. Im April durften nur die Homegrown-Spieler am Mannschaftstraining teilnehmen. Die Importspieler kamen erst im Mai dazu. Es hat bis zum Auswärtsspiel in Barcelona gedauert, bis wir alle eine Einheit wurden. So eine Auswärtsfahrt über drei Tage mit Flug schweißt schon sehr zusammen.

Haben Sie einen großen Unterschied zwischen der Bayernliga (4. Liga) und der ELF gemerkt?

Gürntke: Der Unterschied hat meine Vorstellungen übertroffen. Die ersten Trainingseinheiten waren von der Geschwindigkeit komplett anders, aber auch vom Coaching. In Rosenheim hatten wir einen oder zwei Trainer für die Verteidigung. In München haben wir fünf bis sechs Coaches nur für die Defensive und einen Trainer nur für die Position, auf der man spielt. Das war überwältigend.

Ihre große Stärke ist neben der Schnelligkeit die Übersicht. Ist das in der ELF schwieriger?

Gürntke: Auf jeden Fall. Im Vergleich zu Rosenheim ist das Spiel viel komplexer, schneller und physischer geworden. In den unteren Ligen konntest du in den Augen des Quarterbacks sehen, wo er hinwirft. In der ELF ist das ganz anders. Die Quarterbacks schauen links, schauen rechts und werfen dann doch ganz wo anders hin. Das Spiel zu lesen ist um einiges schwieriger geworden.

Keine dritten Chancen

Sie waren ja nicht sofort in der Startformation und haben sich gegen einen Importspieler durchgesetzt. Wie gelang Ihnen der Sprung ins Team?

Gürntke: Ich habe im Training immer alles gegeben und hart an mir gearbeitet. Zu Beginn der Saison startete ein Spieler aus Dänemark auf meiner Position. Im ersten Spiel gegen Innsbruck lagen wir im zweiten Viertel mit 28:38 hinten. Der Coach kam kurz vor der Halbzeit zu mir und hat gesagt, dass ich spielen werde. Und dann das erste Mal mit unserer Verteidigung auf dem Platz zu stehen, war ein tolles Gefühl.

Der Erfolgsdruck scheint groß zu sein auf diesem Niveau!

Gürntke: Man bekommt vielleicht eine zweite Chance, aber eine dritte halt nicht. Da ist immer jemand, der deinen Platz haben will. Da muss man immer zu 100% Prozent da sein. Der Konkurrenzkampf ist auf jeden Fall da. Gegen Importspieler ist es schwer. Die Amerikaner bekommen eine Wohnung und manchmal ein Auto vom Verein, das heißt, sie müssen spielen. Gegen Europäer kann man sich schon eher durchsetzen.

Jubel von über 6000 Menschen

Gab es besondere Momente während ihrer ersten ELF-Saison?

Gürntke: Das erste Mal in Unterhaching rauslaufen, 6000 Menschen jubeln in dem Moment nur für dich. Für mich war das ja das erste Mal vor so vielen Zuschauern, das war schon verrückt. Dann der Moment, als der Coach zu mir kam und gesagt hat, dass ich jetzt spielen werde. Das war ein besonderer Moment für mich. Das Spiel gegen Rhine Fire vor 8000 Zuschauern im Stadion des MSV Duisburg war auch speziell. Da wurde ich so hart getackelt wie noch nie!

Was ist da passiert?

Gürntke: Das war ein Laufspielzug und ich hatte den Runningback im Blick. Auf einmal kommt der Fullback von der Seite. Ich wurde noch nie so blindside aus dem Leben geschossen! Mein Mundschutz ist rausgeflogen und ich musste erst einmal meinen Helm richten. Da hat es ordentlich eingeschlagen!

Jonas Gürntke stoppt den Lauf des Runningbacks Ali Khalife (vorne) von den Milano Seamen.

Wie oft trainieren Sie mit dem Team?

Gürntke: Während der Vorbereitung im April haben wir immer drei Mal die Woche trainiert und im Mai hatten wir immer Freitag, Samstag und Sonntag eine Art Trainingcamp mit Übernachtungen. Unter der Saison fanden entweder am Samstag oder am Sonntag die Spiele statt, am Montag hatten wir Pause zur Regeneration und am Dienstag Videoanalyse. Am Donnerstags dann wieder normales Training. Freitag oder Samstag wieder Meetings, je nachdem, an welchem Tag gespielt wurde.

Da bleibt wenig Zeit für anderes, oder?

Gürntke: Ja. Beim Spiel in Innsbruck in der siebten Woche habe ich schon gemerkt, wie es an die Substanz geht. Da kam dann die Verletzung. Ich glaube, es war gar nicht die Ermüdung, sondern einfach Pech.

„Ich will in der Nationalmannschaft spielen“

Und für Sie war die Saison beendet!

Gürntke: Ich habe mir die Schulter ausgekugelt und dadurch die Bänder gerissen. Manche lassen sich bei so einer Verletzung nicht operieren, sondern lassen es einfach verheilen. Ich habe mich dann aber für die OP entschieden. Zur Zeit noch in der Reha bei Sports Innovated in Rimsting und habe meinen eigenen Trainer, der mir einen Trainingsplan zusammenstellt.

Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?

Gürntke: Über den Winter noch mehr Masse aufbauen, da ich gemerkt habe, dass mir noch fünf bis zehn Kilo fehlen für das Niveau, auf dem ich spiele. Im nächsten Jahr will ich an meine Leistungen in dieser Saison anknüpfen und unbedingt wieder die Nummer eins auf der Position des Free Safety sein. Auf lange Sicht, also in zwei bis drei Jahren, will ich in der Nationalmannschaft spielen.

Das ist die European League of Football

Die European League of Football (ELF) existiert seit 2020, die erste Saison wurde 2021 gespielt. In der laufenden Spielzeit gehen 16 Organisationen aus neun Ländern auf die Jagd nach Yards und Touchdowns. Gespielt wird in Deutschland (Berlin Thunder, Cologne Centurions, Frankfurt Galaxy, Hamburg Sea Devils, Munich Ravens, Rhein Fire, Stuttgart Surge), Spanien (Barcelona), Ungarn (Szekesfehervar), der Schweiz (Zürich), Italien (Mailand), Polen (Breslau), Frankreich (Paris), Tschechien (Prag) und Österreich (Innsbruck und Wien). Bisherige Sieger waren Frankfurt und die Vienna Vikings, das Finale der aktuellen Saison steigt am Sonntag in Duisburg zwischen Rhein Fire und Stuttgart Surge. Die Munich Ravens wurden in ihrer Premierensaison Dritter in ihrer Conference. Wie beim großen Vorbild aus den USA, der NFL, gibt es in der europäischen ELF keinen Auf- und Abstieg. Die begrenzte Anzahl an Import-Spielern aus den USA und dem europäischen Ausland soll den sogenannten Homegrown-Spielern (Eigengewächsen) die Chance geben, sich auf hohem Niveau zu beweisen.

Was ist ein Free Safety?

Ein Free Safety agiert meist im Hintergrund der Defensive. Free Safetys haben die komplette Offensive des Gegners im Blick und können so den Spielzug genau beobachten. Die Hauptaufgabe eines Free Safetys ist es, dem Ball zu folgen. Da er meist keinem gegnerischen Passempfänger zugeteilt ist, hat er dabei viele Freiheiten. So kann er auch seine Mitspieler beim Verteidigen von tiefen Passversuchen unterstützen. Free Safetys können auch eingesetzt werden, um extra Druck auf den Quarterback auszuüben, das nennt man „Safety Blitz“.

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