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In den Rosenheimer Kinos spielt Beppo Brem im „Jäger von Fall“ und Terrence Hill und Bud Spencer prügeln sich in „Zwei wie Pech und Schwefel“ um einen Strandbuggy. Auf dem Eis hingegen begeistert eine Mannschaft, die im Frühjahr 1975 den Aufstieg in die Eishockey-Bundesliga schafft.
Rosenheim – Die Sportszene hat 1974 große Zeiten: Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland ist gerade zu Ende gegangen, die Wintersportler rüsten sich für die Saison vor den Olympischen Spielen in Innsbruck und die Boxszene hat ihren Jahrhundertkampf mit dem „Rumble in the jungle“. Im Eishockey ist am Ende die Düsseldorfer EG das Maß aller Dinge und 1975 deutscher Meister. In der Szene spricht man aber auch über Rosenheim. Denn der EVR ist die große Nummer im Unterhaus.
Vor 50 Jahren: EV Rosenheim 1975 Meister und Aufsteiger in die 1. Eishockey-Bundesliga
Vor 50 Jahren: EV Rosenheim steigt in die 1. Bundesliga auf
Es sollte nach oben gehen, denn in Rosenheim hatte sich einiges getan. 1972/73 spielte man erstmals im deutschen Oberhaus, musste aber gleich wieder runter. Dann erhielt das Kunsteisstadion an der Jahnstraße sein Dach – und die Ambitionen wurden größer. Publikumsliebling Cal Russell ging, aber aus der Bundesliga kamen Michael Eibl (Landshut), Udo Kießling (Augsburg) und die Tölzer Hans Müller und Sigi Harrer, aus Innsbruck der Kanadier Ed Hebert sowie vom Liga-Konkurrenten Mannheim Jaroslav Tuma. EVR-Abteilungsleiter Franz Lechner erklärte: „Niemand kann uns den Vorwurf machen, dass wir die Hände in den Schoß gelegt hätten. Wir haben mit 40 Spielern zur Verstärkung verhandelt, wir haben mit dem vormaligen Bundestrainer Gerhard Kießling den besten Mann genommen.“ Kießling trimmte das Team schon ab Sommer: „Es langt nicht mehr, als Amateur zwei- oder dreimal wöchentlich zu trainieren“, meinte er. Und als Erfolgsrezept erklärte Kießling später: „Ich musste in Rosenheims Team zuerst einmal den Schlendrian austreiben.“
Das tat er, denn schon in der Vorbereitung begeisterte seine Mannschaft. „Die Rosenheimer Eishockeyfans dürfen sich auf eine Bombensaison freuen“, schrieb das Oberbayerische Volksblatt nach dem Testspielerfolg über Bundesliga-Aufsteiger Kaufbeuren. Allerdings gab es auch gleich Druck, denn im Artikel hieß es weiter: „Die Leistungsstärke kommt nicht von ungefähr. Für die Neuzugänge wurde eine Stange Geld ausgegeben. Man muss die Vorschusslorbeeren rechtfertigen und ganz vorne dabei sein. Oder anders ausgedrückt: Der EVR ist zum Erfolg verdammt.“
Durchwachsener Saisonstart, dann spielt sich Rosenheim in einen Rausch
Zum Saisonstart gibt es ein 8:3 über Miesbach mit sechs Treffern von Jaro Tuma. Die Fans stimmten erstmals „Tuma, Tuma noch einmal – es war so wunderschön“ an. Doch am zweiten Spieltag gab es gleich eine 2:7-Klatsche in Augsburg, das den 17-jährigen Ernst Höfner aufgeboten hatte. Vielleicht lag das auch daran, dass Ed Hebert noch nicht mitspielen durfte. „Der Spielerpass ist auf dem Weg zu Präsident Ahearne nach London, nachdem Innsbruck die Freigabe erteilt hatte. Da aber mindestens zehn andere Transferkarten ebenfalls beim internationalen Verband liegen, könne mit Rosenheim keine Ausnahme gemacht werden“, schrieb das OVB. Einige Tage später wusste man schon mehr: Mittlerweile war der Spielerpass von Weltverbandspräsident Ahearne unterschrieben worden, „aber die Verbandssekretärin hatte ihn in der Schublade verlegt“.
Am dritten Spieltag war Hebert dann erstmals im Punktspiel an Bord, als der EVR den Duisburger SC mit 9:0 bezwang – unter Rauchschwaden übrigens. „Mannschaftskapitän Edu Derkits musste die Besucher darum bitten, das Rauchen einzustellen, denn die Lüftung in der Halle lässt so ziemlich alle Wünsche offen“, informierte das OVB. Das zweite Auswärtsspiel in Mannheim ging dann mit 2:3 verloren, ehe die Rosenheimer Fahrt aufnahmen. Mit dem 6:2-Heimsieg über Nürnberg startete der EVR einen Erfolgslauf über 15 Spiele mit 14 Siegen und nur einem Remis – ein 3:3 in Pfronten. Ab dem sechsten Spieltag hatte die Mannschaft die Tabellenführung übernommen und ließ sich auch von widrigen Bedingungen nicht stoppen. Im nicht überdachten Nürnberger Stadion siegte das Team bei strömendem Regen mit 5:3, in Peiting bei starkem Schneetreiben mit 4:2. Nach dem 8:1-Heimsieg über den EC Deilinghofen (heute Iserlohn) schwärmte das OVB: „Das ist die personell am besten besetzte, sportlich und konditionell optimal vorbereitete Mannschaft, die es in Rosenheim je gab.“ Wobei sich der Berichterstatter darüber echauffierte, dass die Gäste „den Rosenheimern insofern entgegenkamen, als sie, wie halt alle Preißn sein sollen, bei Schiedsrichter-Entscheidungen nicht den Mund halten konnten.“
Jaroslav Tuma erzielt 58 Treffer in nur 36 Spielen
In Iserlohn siegte der EVR mit 8:3, wobei Tuma als „Dreh- und Angelpunkt“ bezeichnet wurde, gegen Mannheim (5:2) und Augsburg (9:2) wurde vor heimischer Kulisse erfolgreich eine Rechnung beglichen. Zur Saison-Halbzeit lag der EVR vorne, in den 18 Spielen hatte Stürmer Tuma satte 33 Treffer erzielt, so konnte es weitergehen.
Das tat es zunächst auch: Das nächste Heimspiel gewannen die Rosenheimer gegen Nürnberg mit 15:5, wobei der junge Hermann Hinterstocker drei Tore markierte – der war am Spieltag erst um 18.30 Uhr in Rosenheim eingetroffen, nachdem er zuvor noch für die Junioren-Nationalmannschaft in Finnland spielte. Aber wieder einmal waren Augsburg und Mannheim die Störenfriede – beide Auswärtsspiele gingen verloren und der Vorsprung in der Tabelle schrumpfte auf drei Punkte. In Augsburg ging man mit 4:10 unter, in Mannheim wurde der am Boden liegende Tuma abgeschossen und verlor zwei Zähne, die ihm in der Uniklinik in Heidelberg wieder eingesetzt wurden.
„Gerhard, lass die Löwen raus.“
Tuma und Rosenheim erholten sich aber wieder – bis zum Saisonende gab es keine Niederlage mehr! Lediglich im Heimspiel gegen Deilinghofen ließ der EVR noch Federn, machte aus einem 0:3-Rückstand aber noch ein 3:3-Unentschieden. Und so legte man vor allem vor heimischer Kulisse – im Schnitt kamen 4700 Besucher an die Jahnstraße – den Grundstein zum Meistertitel, denn zu Hause holte man 35:1 Punkte. Kein Wunder, dass die Rosenheimer Eishockey-Fans schon vor Spielbeginn sangen: „Gerhard, lass die Löwen raus.“ Da ließ man sich auch nicht mehr davon beirren, dass das Heimspiel gegen Peiting mehrmals unterbrochen war, weil der Reißverschluss der Schiedsrichter-Hose klemmte und mit Heftklammern geschlossen wurde und der Sportarzt vom Puck getroffen wurde und schnellstmöglich den zahnmedizinischen Kollegen aufsuchen musste.
In Nürnberg siegte der EVR mit 6:3 und feierte besondere Tore: den 200. Treffer der Saison und das 50. Tor von Jaro Tuma. Beim 14:4 in Peiting schlug der Angreifer gleich noch fünfmal zu und Gerhard Kießling meinte: „Jetzt trennt uns nicht mehr viel von der Meisterschaft.“ Diese wurde im Heimspiel gegen Pfronten eingetütet – mit einem 14:3-Erfolg! Das Heimspiel gegen den Rivalen aus Augsburg geriet dann quasi zur großen Meisterfeier. Geschätzte 7500 bis 8000 Zuschauer fanden sich ein, als der EVR mit einem 5:2-Erfolg noch einmal für klare Verhältnisse sorgte. Es war der Tag der Geschenke: Von den Augsburgern gab es einen großen Blumenstrauß, von Rosenheims OB Dr. Steinbeißer lobende Worte auf dem Eis und von den Fans einen Regen an Geld- und Sachspenden wie Blumen, Cognac oder Wein. Einer schenkte dem Trainer einen selbst gebastelten Löwenkäfig mit Falltür! Die 58 Tore und 97 Skorerpunkte von Jaro Tuma waren zum damaligen Zeitpunkt die Rekordmarke in der 2. Bundesliga. Und für Kapitän Manfred Kastner war der Titel das passende Abschiedsgeschenk. „Die Meisterschaft am Ende meiner Laufbahn ist der schönste Erfolg.“
Für das Rosenheimer Eishockey war es aber erst der Beginn der großen Zeit, denn von diesem Aufstieg an blieb man – abgesehen von einer Spielzeit – 35 Jahre lang bis zum Jahr 2000 im Oberhaus und sammelte drei deutsche Meistertitel. Udo Kießling ist mittlerweile Deutschlands Rekord-Nationalspieler, Edu Derkits half in der Bundesliga als Trainer aus und sicherte den Klassenerhalt, Hermann Hinterstocker wurde Nationalspieler, Jaroslav Tuma einer der einflussreichsten Spielerberater Europas und Gerhard Graf war im Jahr 2000 der erste Trainer der neuen Starbulls Rosenheim nach der Vereinsgründung.
Der EV Rosenheim in der Saison 1974/75
Torhüter: Peter Fuchs, Siegfried Harrer, Georg Pauliner.
Verteidiger: Eduard Derkits (18 Tore), Michael Eibl (8), Bernd Geratschläger, Karl-Heinz Hermann, Udo Kießling (21), Lothar Mehlhart (7).
Stürmer: Korbinian Eigmann (2), Marinus Fischbacher, Gerhard Graf (27), Edgar Hebert (31), Hermann Hinterstocker (33), Hubert Käsbohrer (4), Manfred Kastner (13), Andreas Kink (7), Josef Kink (3), Hans Müller (11), Volkmar Müller, Manfred Sasjadvolk, Gerhard Schloots, Jaroslav Tuma (58).
