Cannabis-Legalisierung aus medizinischer Sicht
Mangelnder Jugendschutz, Verharmlosung einer Droge – das sagen Ärzte zur Cannabis-Freigabe
Der Konsum und Besitz von Cannabis werden zum 1. April in Deutschland größtenteils legal. Doch das Vorhaben ist umstritten – vor allem von Ärzte-Vertretern kommen kritische Stimmen.
Marihuana, Cannabis, Weed, Hanf, Bubatz – die Pflanze hat viele Namen und dürfte so langsam wirklich jedem geläufig sein. Viel wurde diskutiert, ob der Konsum der Droge legalisiert werden soll. Die Zahl der Konsumenten stieg in den vergangenen Jahren schließlich stark an - laut Zahlen der Bundesregierung haben 4,5 Millionen Erwachsene nach einer Erhebung im Jahr 2021 in den vergangenen 12 Monaten wenigstens einmal Cannabis konsumiert (10,7 Prozent der Männer sowie 6,8 Prozent der Frauen), am häufigsten in der Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen. Weltweit ist Cannabis laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen auf Platz Drei der beliebtesten Rauschmittel, nach Alkohol und Nikotin.
„Ein echter Meilenstein“
Die restriktive Drogenpolitik galt für die Ampelkoalition als nicht erfolgreich – weswegen nun andere Wege eingeschlagen werden. Am 23. Februar stimmte der Bundestag mit einer Mehrheit für die Freigabe von Cannabis für den Anbau, Besitz und Konsum. „Die Regelungen“, so die Koalitionsparteien, „sind ein echter Meilenstein für eine moderne Drogenpolitik, mit der die Prävention gestärkt und der Gesundheits-, Kinder- und Jugendschutz verbessert werden.“
Das Cannabisgesetz – die wichtigsten Eckpunkte
Ab 1. April 2024: Volljährige dürfen bis zu 25 Gramm Marihuana mit sich führen. Zuhause dürfen pro erwachsener Person drei Pflanzen für den Eigenbedarf angebaut werden sowie 50 Gramm gelagert werden.
Ab Juli 2024: Cannabis-Clubs fungieren als nicht-gewinnorientierte Anbauvereinigungen mit maximal 500 Mitgliedern. Jedes Mitglied bekommt pro Monat maximal 50 Gramm Cannabis – bei Mitgliedern im Alter von 18 bis 21 Jahren wird die Abgabemenge auf 30 Gramm beschränkt, der THC-Gehalt darf 10 Prozent nicht übersteigen.
Für Minderjährige bleibt der Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis verboten. Verstöße dagegen werden aber lediglich als Ordnungswidrigkeiten gewertet.
Gefährliche Auswirkungen auf das heranwachsende Gehirn möglich
Doch viele sehen die Legalisierung kritisch – allen voran die Ärzte und Psychiater in Deutschland. Die Kritik: Der Jugendschutz sei nicht ausgeprägt genug, und es werde eine gefährliche Droge verharmlost. Das liegt an der Wirkung der Droge auf das heranwachsende Gehirn. Der menschliche Körper hat ein eigenes System für sogenannte Cannabinoid-Moleküle: Im Gehirn gibt es von Natur aus Strukturen und Andockstellen für diese Substanzen. Sie regeln etwa Appetit, Emotionen und Schmerzempfindung mit. Dieses komplexe innere System reift beim Menschen langsam bis zum Alter von Mitte 20 heran. Kommt Cannabis zusätzlich von außen hinzu, kann dieser Prozess gestört werden. Mediziner gehen davon aus, dass häufiges Kiffen bei Heranwachsenden die Cannabinoid-Strukturen im Gehirn verändert - und diese Manipulation Auswirkungen auf das ganze Leben haben kann.
Dafür gebe es Hinweise aus verschiedenen Forschungsarbeiten, erläutert Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank. Die Neurologin und Psychiaterin ist die künftige Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN). „Das Alter ist der entscheidende Punkt bei dieser Diskussion“, sagt sie. Und genau den vermisst sie oft. Wer früh und viel kiffe, habe ein deutlich erhöhtes Risiko für Psychosen - auch noch viele Jahre später. Eine weitere Folge könne eine größere Anfälligkeit für Abhängigkeitserkrankungen aller Art sein. Erst ab Mitte 20 wirke Cannabis anders, vergleichbar etwa mit maßvollem Alkoholgenuss, ergänzt die Ärztin. Sei die Wirkung vorbei, kehre der Körper in den normalen Zustand zurück.
Mögliche unerwünschte Nebenwirkungen beim Cannabis-Konsum
- Akut: depressive Verstimmung, Halluzinationen, Angstzustände, Gefühl des Kontrollverlusts, veränderte Zeitwahrnehmung sowie eingeschränkte geistige Leistungsfähigkeit. Manchmal treten zudem Übelkeit und Kopfschmerzen auf. Es sind seltene Einzelfälle von kardialen Ischämien oder Herzinfarkten bekannt. Alle akut auftretenden unerwünschten Nebenwirkungen vergehen meist innerhalb von Stunden bis zu ein bis drei Tagen.
- Längerfristig: Entstehen einer psychischen Abhängigkeit mit Entzugserscheinungen wie Angst, Unruhe und Schlaflosigkeit oder auch starkem Speichelfluss und Durchfall. In seltenen Fällen kann eine Psychose auftreten, bzw. das Auftreten einer Psychose bei dazu veranlagten Personen beschleunigt werden.
Jugendschutz? Laut Ärzten Fehlanzeige
Ob Konsum riskant ist, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, etwa der Häufigkeit des Konsums und der Konzentration des THC-Gehalts. Auch deshalb soll der THC-Gehalt in Marihuana, das an 18- bis 21-Jährige abgegeben wird, 10 Prozent nicht übersteigen. Auf dem deutschen Schwarzmarkt liegt er Schätzungen zufolge heute bei rund 14 Prozent, Tendenz steigend. Psychiaterin Gouzoulis-Mayfrank fragt sich allerdings, wie der THC-Gehalt künftig kontrolliert werden kann. Denn es soll erlaubt sein, Cannabis-Pflanzen in festgelegter Zahl selbst zu züchten oder aber Anbauvereinigungen beizutreten. Wenn Cannabis staatlich kontrolliert produziert und verkauft würde - wie heute schon im medizinischen Bereich - könnte das eine Lösung sein, ergänzt sie. Der Gesetzesentwurf sieht das aber nicht vor.
Es gibt zahlreiche Studien, die die Gefahren von riskantem Cannabiskonsum belegen. So wurde festgestellt, dass regelmäßige Kiffer in IQ-Tests schlechter abschneiden, vor allem, wenn diese schon seit ihrer Jugend kifften. 2019 zeigte eine repräsentative Studie des Londoner King‘s College in der Fachzeitschrift „The Lancet Psychiatry“: Dort, wo Cannabis frei erhältlich war, erkrankten mehr Menschen an Psychosen. Das galt besonders für Städte, in denen der Stoff mit einem besonders hohen THC-Gehalt regelmäßig konsumiert wurde.
Legalisierung laut Ärztekammer ein Fehler
Die Ärztekammer in Hamburg findet deshalb klare Worte in Bezug auf die Legalisierung – sie sei ein Fehler: „Aus medizinischer Sicht ist völlig klar, dass Cannabis-Konsum insbesondere bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen negative Folgen für Gedächtnis- und Lernleistungen hat“, sagte Kammerpräsident Pedram Emami am Freitag. „Mir ist daher unerklärlich, warum der Gesetzgeber hier keine strengeren Vorschriften vorsieht.“ Das Gesundheitssystem werde schon heute stark durch die Folgen des Konsums von Alkohol und Nikotin belastet. „Auch daher sehen wir keinen Grund, eine weitere gesundheitsschädliche Substanz zu legalisieren“, so die Ärztekammer.
fso mit Material der dpa