Digital ist nicht gleich „smart“
Haushalten steht digitale Stromzähler-Pflicht bevor – Smart Meter kämpft mit Vorurteilen
Digitale Stromzähler sind ein Schlüssel zur Energiewende, doch Deutschland hinkt hinterher. Experten entlarven verbreitete Irrtümer und zeigen das Potenzial auf.
Frankfurt – Im Bereich der Strom-Digitalisierung hinkt Deutschland im europäischen Vergleich hinterher. Gero Lücking, Leiter des Smart Metering beim Energiemanagement-Anbieter Techem, betont aber: „Smart Meter sind das Herzstück einer nachhaltigen, digital gesteuerten Stromversorgung. Es gibt daher viele gute Gründe, auf intelligente Messsysteme zu setzen und damit in eine zügige Digitalisierung dieser Infrastruktur zu investieren“. Für die Energiewende sind digitale Stromzähler ein entscheidender Baustein.
Der „Digitalisierungsatlas“ zeigt jedoch, dass lediglich fünf Prozent der deutschen Haushalte derzeit über solche Geräte verfügen. Ab 2025 wird ihre Installation für Haushalte mit einem Jahresverbrauch von über 6000 Kilowattstunden zur Pflicht. Bis zum Jahr 2030 müssen alle Zähler entweder digital oder smart sein. Dennoch schreitet die Umstellung aufgrund von weit verbreiteten Missverständnissen und Vorurteilen nur langsam voran.
Weitverbreiteter Irrglauben bei digitalen Stromzählern: Smart-Meter nur für jährliche Abrechnung praktisch?
Jan Rabe, Geschäftsführer von Rabot Charge, und Matthias Martensen, CEO von Ostrom, widerlegen gegenüber focus.de das weit verbreitete Vorurteil, dass die Installation eines digitalen Stromzählers aufwendiger sei als die jährliche Stromablesung. Digitale Stromzähler messen den Stromverbrauch mindestens viertelstündlich, was eine intelligentere Abstimmung von Stromerzeugung und -verbrauch ermöglicht.
Unwissen über Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende
Vor über einem Jahr haben Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende verabschiedet, das den Einbau intelligenter Stromzähler beschleunigen soll. Eine Umfrage des Energiedienstleisters Techem aus dem August 2024 zeigt jedoch, dass nur wenige private und gewerbliche Vermieter über die genauen Inhalte des Gesetzes informiert sind. Nur 17 Prozent der privaten Vermieter und 32 Prozent der Geschäftskunden gaben an, über die genauen Inhalte informiert zu sein.
Eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewende zeigt, dass Haushalte mit großen Geräten wie Wärmepumpen oder Elektroautos durch die zusätzlichen Informationen eine jährliche Ersparnis von 600 Euro erzielen können. Dies ist durch dynamische Stromtarife möglich, bei denen der Strom bei hoher Verfügbarkeit günstiger ist. Laut Stiftung Warentest lohnen sich diese Tarife vor allem für Besitzer von Elektroautos mit eigener Wallbox. So lässt sich „eine Menge Geld“ sparen.
Kosten ab 2025 gedeckelt: Smart Meter kaum teurer als ein herkömmlicher Zähler
Dabei hält sich bei vielen Menschen der Irrglaube, digitale Stromzähler seien deutlich kostspieliger, als konventionelle. Ab 2025 sind die Kosten für einen gesetzlichen Haushalt auf 20 Euro pro Jahr begrenzt. Rabe und Martensen rechnen mit „Mehrkosten von maximal einem Euro“ pro Monat. Kunden und Kundinnen könnten künftig jedoch zwei Stromrechnungen zugeschickt bekommen.
Vorurteile über Smart Meter: Kunden und Kundinnen kann bei zu hohem Verbrauch Strom abgestellt werden
Die Bundesnetzagentur schreibt vor, dass nur Großverbraucher in Zeiten extremer Lastspitzen auf 4,2 Kilowatt reduziert werden können. Der Hausstrom bleibt davon unberührt. „Von ‚Strom abstellen‘ kann also keine Rede sein“, so Rabe und Martensen.
Sind digitale Stromzähler ein gefundenes Fressen für Hacker? Experten räumen mit Missverständnis auf
Ein weiterer Irrtum betrifft das Smart-Meter-Gateway (SMGW), das für die Übermittlung der Stromdaten zuständig ist. Laut Rabe und Martensen ist das SMGW „nicht ans Internet angeschlossen“ und nutzt auch nicht das heimische WLAN. Sie betonen: „Die Technologie der SMGWs werden vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) überwacht und freigegeben und sind laut der Behörde sicherer als Online-Banking, das über die reguläre Internetverbindung funktioniert.“
Digitale Anzeige deutet nicht automatisch auf ein Smart Meter hin
Rabe und Martensen stellen klar: „Aktuell haben knapp die Hälfte aller Haushalte einen digitalen Stromzähler, aber nur etwa ein bis zwei Prozent einen Smart Meter“. Ein digitaler Stromzähler ist nicht automatisch ein Smart Meter. Es kann sich auch um eine Moderne Messeinrichtung (mmE) handeln. Das Smart Meter zeichnet sich nicht nur durch die digitale Anzeige aus, sondern auch durch das SMGW. An den typischen Kontrollleuchten und der Anzeige „TLS“ oder „Network“ kann man das Gerät erkennen.
Geläufiges Missverständnis zu Smart Metern: Nur bei hohem Verbrauch erhältlich?
Ab 2025 werden Smart Meter für Haushalte mit einem überdurchschnittlichen Jahresverbrauch von 6000 Kilowattstunden Pflicht. Alle Haushalte haben jedoch ab 2025 das Recht, bei ihrem Messstellenbetreiber einen Smart Meter zu bestellen. Die Kosten für die Installation dürfen dabei 30 Euro nicht überschreiten. (cgsc/jm mit dpa)
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