Fahrtauglichkeit von Senioren
Droht Rentnern der Führerschein-TÜV? Widerstand regt sich – „Jüngere sind die gefährlicheren Autofahrer“
Kommt es bald zu einer Art Führerschein-TÜV für Rentner? Die Debatte ist in vollem Gange. Betroffene melden sich verstärkt zu Wort. Ihre Sicht der Dinge.
München – Seit geraumer Zeit wird über striktere Vorschriften für Senioren am Steuer diskutiert. Die Intention: dadurch würden die Straßen europaweit sicherer werden. Dementsprechend hatte die EU-Kommission bereits angeregt, dass Menschen über 70 alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen oder sich einem ärztlichen Check unterziehen sollten.
Das wirft die Frage nach einer Art Führerschein-TÜV für Senioren auch in Deutschland auf. Gegen die Pläne der Europäischen Union (EU) regt sich zunehmend Widerstand. Denn die Betroffenen fühlen sich ungerecht behandelt. Wie aber ist der gegenwärtige Stand des Vorhabens? Und was sagen die älteren Verkehrsteilnehmer hierzulande zu den EU-Plänen?
Führerschein-TÜV für Rentner? EU erwägt große Führerscheinreform
„Auch wenn individuelle Leistungseinbußen möglich sind, kann allein vom Alter her nicht pauschal auf die Fahreignung geschlossen werden“, heißt es in der aktuellen Debatte über die Fahrtauglichkeit von Senioren vom Allgemeinen Deutschen Automobil-Club (ADAC). Vielmehr plädiert der Club für einen freiwilligen Fahrtauglichkeitstest. Jener soll eine Rückmeldung zur Fahrkompetenz im eigenen PKW ermöglichen. Und zwar ohne, dass der Verlust der Fahrerlaubnis befürchtet werden muss.
Pläne der EU für eine Führerscheinreform
Anfang März 2023 hatte die EU einen Maßnahmenkatalog vorgestellt, durch den die Sicherheit auf Europas Straßen erhöht werden soll. Unter dem Motto „Vision Zero“ soll bis 2050 garantiert sein, dass es keine Todesfälle mehr auf den Straßen in der EU gibt. Um dies zu gewährleisten, sind neue Regeln für Fahranfänger, aber eben auch für Senioren geplant.
Laut der EU-Kommission würde es darum gehen, dass Menschen über 70 alle fünf Jahre entweder eine Selbsteinschätzung zur Fahrtauglichkeit ausfüllen sollen oder eine ärztliche Untersuchung durchgeführt werden soll. „Die Entscheidung, ob Selbsteinschätzung oder Check beim Arzt, liegt bei den Mitgliedstaaten“, heißt es im Papier der Kommission.
Zudem betonte die Behörde, dass dies für jede Erneuerung des Führerscheins gelte. Nur noch 15 Jahre statt wie bislang unbegrenzt gültig sein, sollen jene Führerscheine, die ab dem 19. Januar 2013 ausgestellt wurden. Ab dem 70. Lebensjahr sollen Führerscheine den Plänen zufolge alle fünf Jahre erneuert werden müssen.
In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR). Eine mögliche verpflichtende Überprüfung der Fahrtauglichkeit von Senioren hatte der DVR bereits abgelehnt. „Selbst Auto zu fahren, bedeutet für die meisten Menschen Unabhängigkeit und Flexibilität. Denn gerade für viele Ältere ist der eigene Wagen ein wichtiger Bestandteil ihres Alltags“, hieß es in einer entsprechenden Mitteilung.
„Fände es nicht gut“: Fahrlehrer mit klarer Meinung zur EU-Führerscheinreform
Die Pläne der EU hinsichtlich der Führerscheinreform sorgen vielerorts für Unverständnis. Dass Menschen aller Alterstuffen alle 15 Jahre ihre Führerscheine erneuern müssen und Autofahrer über 70 sogar alle fünf Jahre, sorgt für Kopfschütteln bei Roland Theiss. „Ich fände es nicht gut, wenn man das per Reglement anordnen würde“, wird der Fahrlehrer und Leiter der Fahrschule „Fit For Drive“ in Kaiserslautern vom SWR zitiert.
Für ihn wäre es sinnvoller, wenn Gesundheitstests analog zur Prüfung bei Lkw- oder Bus-Lenkern eingeführt würden. Diese müssen sich nämlich ab 50 Jahren alle fünf Jahre durchchecken lassen. „Ich halte bei den anderen Autofahrern die Grenze 60 für eine gangbare Lösung“, lautet der Vorschlag von Theiss.
„Statistisch gesehen sind die Jüngeren die gefährlicheren Autofahrer“: Wie Senioren den Führerschein-TÜV sehen
Um ein Stimmungsbild abzuzeichnen, hat der SWW eine Umfrage in der Kaiserslauterer Innenstadt durchgeführt. Die geplante Verschärfung der Führerschein-Regeln führt auch hier zur reichlich Kritik. „Statistisch gesehen sind die Jüngeren die gefährlicheren Autofahrer“, wird ein 60-jähriger Mann zitiert. Und doch sollte es seiner Ansicht nach eine Überprüfung für ältere Fahrer geben.
Ab 70 regelmäßige Überprüfungen anzuordnen, hält ein anderer Befragter für zu früh. „Aber man sollte sich selbst prüfen, ob die Konzentration noch reicht. Es gibt Tage, da lasse ich das Auto lieber stehen“, so der 73-Jährige. Grundsätzlich würde die Frage, ob Oma oder Opa den Führerschein abgeben sollen, in vielen Familien Konflikte auslösen. Das gibt Fahrschullehrer Theiss dem SWR zum Besten.
„Bitten mich darum, ihre Eltern vor den Fahrsimulator zu setzen“: Fahrlehrer plaudert aus dem Nähkästchen
Mitunter würden sich die Kinder von älteren Autofahrern sogar an ihn wenden. „Die bitten mich darum, ihre Eltern vor den Fahrsimulator zu setzen – damit ich es bin, der den Senioren sagt, dass sie nicht mehr Auto fahren sollen“, so der Fahrlehrer. Für ihn gebe es übrigens auch viele schlechte Autofahrer jüngeren Alters – die sich auf die Bundesländer verteilen.
Seine abschließende Empfehlung: „Was man aber machen könnte, wäre eine theoretische Prüfung alle fünf Jahre, um mal wieder auf dem neuesten Stand zu sein“. Schließlich würde sich manche Regelung auch schon mal ändern. Gerade im Straßenverkehr.(han)
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