Ein Ei pro Woche
Wer schreibt uns vor, was wir essen sollen – und warum?
Mit ihren neuen Ernährungsempfehlungen eckt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) an. Was steckt hinter dem Verein?
Nur noch ein Ei die Woche: Wer sich gesund und nachhaltig ernähren möchte, sollte sich an diese Empfehlung halten. Zumindest, wenn es nach der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) geht. Ihre neuen Ernährungsempfehlungen haben in der vergangenen Woche für Diskussionen gesorgt.
Der Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft weist die Anregungen zurück, weil sie „an der Lebensrealität der Menschen vorbei“ gingen. Vegane Unternehmen wie Oatly kritisieren, dass Ersatzprodukte im überarbeiteten Ernährungskreis der DGE nicht abgebildet sind. Die Deutsche Akademie für Präventivmedizin (DAPM) hält die neuen Ernährungsempfehlungen für große Teile der Bevölkerung für „problematisch“.
DGE orientiert sich bei Ernährung an der Planetary Health Diet
Schon seit einigen Jahren plante die DGE, ihre Ernährungsempfehlungen (FBDG) zu überarbeiten und stärker auf Nachhaltigkeit auszurichten. Dabei wollte sie sich vor allem an der „Planetary Health Diet“ (die diese Mensa vorlebt) orientieren. Es handelt sich dabei um einen Vorschlag der EAT-Lancet Commission von 2019, wie zehn Milliarden Menschen in Zukunft klimaneutral und ausgewogen ernährt werden könnten.
Auf Basis eines mathematischen Optimierungsmodells erarbeitete die DGE 2023 Richtlinien, um gleichzeitig Ernährungs-, Gesundheits- und Umweltaspekte zu berücksichtigen. Der „Schwerpunkt“ bei der Überarbeitung habe darauf gelegen, ernährungsmitbedingten Krankheiten vorzubeugen und schädliche Umwelt- und Klimaeffekte (zum Beispiel Treibhausgasemissionen in der Nutztierhaltung) zu minimieren, schreibt sie auf ihrer Website.
Waren es früher noch drei Portionen Milchprodukte am Tag, so empfiehlt die DGE nun nur noch zwei. Außerdem sollen wir pro Woche maximal 300 Gramm Fleisch und Wurst essen. Stattdessen sollte unser Speiseplan zu 75 Prozent aus pflanzlichen Lebensmitteln bestehen (siehe Grafik). Vor allem Hülsenfrüchte wie Bohnen, Erbsen oder Linsen seien gesund und werden von der DGE mit einer eigenen Empfehlung stärker hervorgehoben.
Aber wer ist die DGE eigentlich? Wer steckt hinter den bunten Ernährungskreisen, die viele noch aus dem Biologieunterricht kennen?
DGE: Was steckt hinter der Deutschen Gesellschaft für Ernährung?
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist ein eingetragener Verein, der sich damit beschäftigt, wie wir uns ernähren und wie unsere Ernährung noch besser werden könnte. Er vertritt Deutschland in internationalen Ernährungswissenschafts-Gremien, gibt Ernährungszeitschriften heraus und spricht lebensmittelbezogene Ernährungsempfehlungen aus, international auch als Food Based Dietary Guidelines (FBDG) bekannt.
Diese FBDG sind nicht verpflichtend. Jede Person kann weiterhin essen, was und wie viel sie möchte. Sie sind viel mehr eine Grundlage dafür, wie zum Beispiel in Schulen über Ernährung gesprochen wird, wie Kantinen kochen, wie Mediziner ihre Patienten beraten oder wie Agrar- und Gesundheitspolitik gemacht wird.
Die DGE geht auf die Deutsche Gesellschaft für Ernährungsforschung (DGEF) zurück, von der sie sich heute klar distanziert. Zur Zeit des Nationalsozialismus erforschte die DGEF, wie Arbeit und Ernährung zusammenhängen und wie eine Nährstoffversorgung auch ohne Einfuhren aus dem Ausland gelingen kann. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs stellte sie ihre Aktivitäten ein.
1952 forderte die International Union of Nutritional Sciences (IUNS) Deutschland auf, eine repräsentative, unabhängige und wissenschaftlich arbeitende Vertretung der deutschen Ernährungswissenschaft zu gründen. In anderen Ländern gab es solche Gesellschaften bereits, zum Beispiel die österreichische (ÖGE) oder die französische Gesellschaft für Ernährung (SFN).
1953 gründete sich die DGE und gesellte sich zu den etwa 80 Mitgliedern der IUNS. Sie arbeitet, wie die meisten Ernährungs-Organisationen, mal mehr, mal weniger eng mit der Bundesregierung zusammen und tauscht sich regelmäßig mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) aus. Seit 2001 fällt die DGE offiziell in die Zuständigkeit des Bundeslandwirtschaftsministeriums (BMEL) unter Cem Özdemir (Grüne).
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Wie Lobbyisten Einfluss auf die DGE nehmen
In den Beiräten und Arbeitskreisen der DGE sitzen nicht nur Menschen mit politischen Kontakten, sondern auch Lobbyisten aus der Milchbranche, Fleischwirtschaft und anderen Bereichen der Lebensmittelindustrie. Auch wenn diese Mitglieder laut DGE „keinen Einfluss nehmen“ können – Interessenkonflikte sind vorprogrammiert, zeigt auch eine Correctiv-Recherche über die Milchindustrie.
Deutlich wurde das im Frühjahr 2023, als der Verband der Deutschen Fleischwirtschaft der DGE vorwarf, bald sei nur noch eine Currywurst pro Monat erlaubt. Kurz zuvor hatte die DGE Verbänden wie ihm oder Unternehmen wie Oatly ermöglicht, ihre Anliegen und Bedenken in Form von Kommentaren zu den neuen Ernährungsempfehlungen einzubringen.
Auf BuzzFeed News Deutschland-Anfrage teilt die DGE mit, dass 66 Personen (56 Institutionen) insgesamt über 1000 Kommentare abgegeben haben. Die Tätigkeitsbereiche Wirtschaft und Wissenschaft waren dabei am häufigsten vertreten.
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