Dorothea Perkusic beantwortet Fragen rund um „Leben“ und „Liebe“
Wir vermuten in der Beziehung unserer besten Freunde Gewalt: Wie sollen wir uns verhalten?
In unserer Service-Rubrik „Liebesfragen“ können unsere Plus-Abonnenten Dorothea Perkusic unter dem Betreff „Liebesfragen“ Fragen rund um die Themen „Leben“ und „Liebe“ stellen. Jeder Ratsuchende bekommt von der Einzel- und Paartherapeutin eine persönliche Antwort. Ausgewählte Fragen werden immer montags hier anonymisiert veröffentlicht.
Frage einer Frau
Mein Mann und ich sind mit einem Paar befreundet. Der Mann ist schon seit Schulzeiten der beste Freund meines Mannes. Auch ich bin sowohl mit ihm als auch mit seiner Frau gut befreundet. Unsere Freunde hatten vor ein paar Jahren eine sehr schwere Zeit. Ich möchte die Gründe nicht nennen, da ich deren Privatsphäre wahren möchte. Seitdem haben sich beide sehr verändert, was wir gut verstehen können. Das Problem ist, dass wir uns beide sicher sind, dass unser Freund seitdem nicht mehr klarkommt und dies sehr negative Auswirkungen seinen Umgang mit seiner Frau hat. Wir vermuten sogar, dass er sie schlägt. Es gab dafür schon mehrere Anzeichen, sowohl versteckte körperliche, als auch im Verhalten beider. Wir haben bisher keinen der beiden darauf angesprochen, weil wir nicht zu nahe treten wollen und uns selbst hilflos fühlen. Was ist in dieser Situation, die freundschaftlich so nicht mehr für uns tragbar ist, richtig und was falsch? Soll ich meine Freundin darauf ansprechen und wenn ja wie?
Antwort von Dorothea Perkusic:
Da stecken Sie wirklich in einer schwierigen Situation, für die es Fingerspitzengefühl, Mut und Entschlossenheit braucht. Ihre Verunsicherung und auch die Scheu zu handeln, kann ich sehr gut nachvollziehen. Umso mehr spricht es für Sie, dass Sie nun handeln.
Es ist sicher eine Gratwanderung, denn Sie können, wenn Sie sich einmischen ebenso viel falsch, wie richtig machen. Dennoch ist es unerlässlich und richtig, Verantwortung zu übernehmen, denn es geht hierbei nicht nur um Ihre Grenzen und die Ihrer Freundschaft, sondern allem voran um den Schutz Ihrer Freundin.
Dorothea Perkusic auf Instagram
Wenn Gewalt im Spiel ist, zuzusehen, ist mit den eigenen Werten und Grundsätzen bestenfalls nicht vereinbar. Somit stellt diese Situation auch eine harte Belastungsprobe für Ihre Freundschaft dar. Es ist schwer und leider manchmal aussichtslos, jemandem helfen zu wollen, der ganz offensichtlich wirklich Hilfe braucht, diese aber eventuell nicht bereit ist anzunehmen. Es ist wichtig, nicht zu verurteilen, sondern Vertrauen zu schaffen, offen aber bestimmt zu sein und die eigene Haltung und ein entsprechendes Hilfsangebot deutlich zu machen. Im schlimmsten Fall erreichen Sie Ihre Freundin nicht und somit auch nichts, um die Situation verändern zu können. Dann müssten Sie die Konsequenzen, die dies für Sie und Ihren Mann hätte, daraus ziehen. Im besten Fall, können sich Ihre Freunde Ihnen gegenüber öffnen und Hilfe annehmen, beziehungsweise können Sie gemeinsam nach Lösungen suchen und unterstützend zur Seite stehen.
Es ist sehr mutig und verantwortungsvoll, dass Sie sich damit auseinandersetzen und nach dem richtigen Umgang mit dieser Situation suchen. Darüber hinaus ist es feinfühlig. Denn nicht nur Sie und ihr Mann als gute Freunde brauchen Hilfe, sondern insbesondere Ihre Freundin und auch deren Mann.
Sehr einfühlsam finde ich außerdem von Ihnen, dass Sie auf die Verletzlichkeit Ihrer Freunde und die Wahrung derer Privatsphäre achten und in Ihrer Beschreibung der Situation zurückhaltend sind.
Sprechen Sie Ihre Freundin behutsam aber klar darauf an und bieten Sie ihr Hilfe an. Laut Statistik unternehmen Frauen die Opfer häuslicher Gewalt werden, im Durchschnitt sieben Trennungsversuche, bis sie den Absprung schaffen. Hier spreche ich nicht allein von körperlicher Gewalt und körperlichem Missbrauch, sondern auch von psychischem Missbrauch und verbaler Gewalt. Opfer von Gewalt erkennen psychische Gewalt häufig nicht als solche. Dies liegt unter anderem daran, dass die Täter Mechanismen und Strategien anwenden, die Betroffenen suggeriert, es sei ihre Schuld, wenn die Beziehung nicht harmonisch verläuft. Deshalb beachten Sie bei Ihrem Vorgehen, dass Misshandlung lähmt. Das heißt, Ihre Freundin steht vermutlich unter Schock, schämt sich und wird aller Voraussicht nach zunächst eher ihren Mann decken und entschuldigen und Zeit brauchen. Bereiten Sie sich also auf Enttäuschung und Rückschritte vor.
Wenn Sie Ihrer Freundin helfen möchten, dann informieren Sie sich bei einer Beratungsstelle. Beispielsweise beim Frauen- und Mädchennotruf. So können Sie selbst ausreichend Informationen zum Umgang mit dieser Situation einholen und Ihrer Freundin zum Beispiel auch kompakte, gedruckte Informationen in die Hand geben, ihr einen Link mailen oder Telefonnummern schicken. Denn nur darüber zu sprechen, reicht meistens nicht. Selbstverständlich können Sie mich auch telefonisch kontaktieren.
Bedrängen Sie Ihre Freundin nicht zu handeln, sondern hören Sie ihr zu. Versuchen Sie in Erfahrung zu bringen, wo sie steht, was sie braucht und auch, was sie davon abhält, sich zu schützen. Schaffen Sie Sicherheit, damit Ihre Freundin Vertrauen fassen kann.
Konfrontieren Sie keinesfalls den Mann Ihrer Freundin mit Ihrer Vermutung und Ihren Beobachtungen. Legen Sie auch Ihrer Freundin ans Herz, die Informationen nicht ihrem Mann vorzulegen. Dies würde nicht unbedingt zu Einsicht und einer positiven Verhaltensveränderung führen, sondern zum Kontaktabbruch, zur Beschämung der Betroffenen und einer Veränderung seiner Strategien.
Das Opfer ist Ihre Freundin, nicht deren Mann. Wäre er bereit Verantwortung zu übernehmen, dann würde er sich Hilfe suchen, um seine Frau vor seinen Gewaltausbrüchen zu schützen. Sie werden sehen, ob Ihre Freundin bereits sein wird, Hilfe anzunehmen. Andernfalls würde sich eine Freundschaft für Sie und Ihren Mann vermutlich nicht mehr aufrecht erhalten lassen und Sie müssten den Kontakt abbrechen. Andernfalls würden Sie versuchen etwas mitzutragen, was für Sie nicht tragbar ist.
Ich wünsche Ihnen alles Gute und, dass Sie mit Ihrem Einsatz etwas erreichen können zum Schutz Ihrer Freundin und zur Hilfe für deren Mann.
Dorothea Perkusic
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